Boote der Chang-Bogo-Klasse nehmen regelmäßig am Rimpac- Manöver vor Hawaii teil, Foto: US Navy/ Luciano Marano

Boote der Chang-Bogo-Klasse nehmen regelmäßig am Rimpac- Manöver vor Hawaii teil, Foto: US Navy/ Luciano Marano

Eine ganz neue Dimension

Kontinuierlich arbeitet die Marine Südkoreas an der Weiterentwicklung ihrer Fähigkeiten. Ihre modernsten U-Boote beinhalten weitgehend im eigenen Land entwickelte Technik.

Am 30. März 2023 wurde bei Daewoo Shipbuilding & Marine Engineering (DSME) im südkoreanischen Okpo ein konventionell angetriebenes U-Boot auf Kiel gelegt, das mit einer Länge von 89 Metern und einer Verdrängung von 3600 Tonnen außergewöhnlich groß dimensioniert ist. Bemerkenswert an diesem neuen Boot aber insbesondere die Tatsache, dass die zukünftige Lee Bong-chang über zehn Schächte zum Abschuss von ballistischen Raketen (submarine-launched ballistic missiles, SLBMs) verfügen wird.

Bei der Lee Bong-chang handelt es sich bereits um die vierte Einheit des südkoreanischen Projekts KSS-III und um die erste einer leicht vergrößerten Version. Die erste Einheit dieser Schiffsklasse, die Dosan Ahn Changho (SS-083) und ihre beiden Schwesterschiffe Ahn Mu sowie Shin Chae-ho verfügen lediglich über sechs Startrohre für Raketen. Die Dosan Ahn Changho sorgte im September 2021 für Schlagzeilen, als ihr der Start einer ballistischen Rakete gelang – als erstem U-Boot mit außenluftunabhängigem Antrieb überhaupt. Im Jahr 2022 folgten weitere erfolgreiche Raketentests von der Dosan Ahn Changho. Werfen wir einen Blick auf die Entwicklung dieses höchst ambitionierte konventionelle U-Boot-Projekt.

Mit der Klasse KSS-III hat die koranische Marine einen technologischen Sprung gemacht, Foto: DSME
Mit der Klasse KSS-III hat die koranische Marine einen
technologischen Sprung gemacht, Foto: DSME

Die Marine der Republik Korea (Republic of Korea Navy, ROKN) ist zweifelsfrei heute eine der bestausgerüsteten Seestreitkräfte der Welt. Mit rund 70 000 aktiven Soldaten und über 150 schwimmenden Einheiten kann sie mittlerweile als echte blue-water navy bezeichnet werden. In ihrem Inventar fanden sich Stand April 2023 neben zwei Hubschrauberträgern, zwölf Lenkwaffenzerstörern und 13 Lenkwaffenfregatten auch 19 konventionell betriebene Jagd-U-Boote, von denen bisher die meisten deutsche Wurzeln haben.

In den Jahrzehnten nach dem Koreakrieg setzte die südkoreanische Marine hauptsächlich auf gebrauchte Überwasserschiffe aus den USA. Erst Anfang der 1980er-Jahre begann man, eigene große Überwasserschiffe zu konstruieren. In diesem Zeitraum startete die südkoreanische Marineführung mit dem Aufbau einer – anfangs noch bescheidenen – U-Boot-Waffe. Den Anfang machten im Jahr 1985 zwei in Italien entwickelte Mini-U-Boote des Typs Cosmos SX-506 (23 m, 75 t), gefolgt von fünf vergrößerten Booten des Typs Cosmos SX-756 (25 m, 80 t), die als K-Klasse bezeichnet wurden, und ab 1989 in Dienst gestellt wurden.

Erste Erfahrungen bei der Konstruktion von „richtigen“ U-Booten machte das ostasiatische Land mit den drei Einheiten der bei der Korea Takoma Shipyard (heute HJ Shipbuilding & Construction) gefertigten Dolgorae-Klasse (25 m, 175 t), die zwischen 1985 und 1991 der Flotte zuliefen. Alle drei Boote wurden bis 2016 ausgemustert; zwei der Boote sind als Museumsschiffe erhalten geblieben.

Zwischen 1993 und 2001 folgten insgesamt neun Boote der Chang-Bogo-Klasse, bei der es sich um eine Variante des deutschen Typs 209/1200 handelt und die, wie die Typbezeichnung impliziert, ungefähr 1200 Tonnen verdrängen. Dieser U-Boot-Entwurf hat sich seit Jahrzehnten dutzendfach bei vielen Marinen bewährt. Das Typschiff wurde bei den Howaldtswerken in Kiel gefertigt, die darauffolgenden zwei Boote entstanden aus in Deutschland vorgefertigten und in Südkorea endmontierten Bausätzen, während die nachfolgenden sechs Boote schließlich komplett bei DSME in Okpo gebaut wurden.

Einige der Boote wurden zwischenzeitlich von 56 auf 61 Meter verlängert und verschiedenen Berichten nach in den vergangenen Jahren mit einem außenluftunabhängigen Antrieb basierend auf Brennstoffzellen ausgestattet. Die neun Boote der Chang-Bogo-Klasse sind der erste Baustein des aus insgesamt 27 Booten bestehenden Korean-Attack-Submarine-Programms,­ dessen offizielle koreanische Kurzform KSS lautet.

Das Programm dient dem Staat bereits seit 1993 zum Aufbau einer schlagkräftigen U-Boot-Waffe und soll erst 2029 ein Ende finden. Die Chang-Bogo-Klasse wird entsprechend auch als KSS-I bezeichnet und ist wiederum unterteilt in drei Baulose mit je drei Booten, sogenannte Batches.

Wie erwähnt, waren die Howaldtswerke beim ersten Baulos KSS-I Batch-I noch stark involviert, während die Baulose KSS-I Batch-II und Batch-III fast vollständig bei DSME entstanden. Diese letzten drei Boote des Batch-III sind in der Lage, Harpoon-Seezielflugkörper über die acht Torpedorohre mit 533 Millimeter Durchmesser zu verschießen.

Die Son-Won-Il-Klasse (deutscher Typ 214) wird auch als KSS-II bezeichnet, Foto: US Navy/Leland Hasty
Die Son-Won-Il-Klasse (deutscher Typ 214) wird auch als KSS-II bezeichnet, Foto: US Navy/Leland Hasty

Nach den eher für küstennahe Gewässer und Randmeere konzipierten Booten der Chang-Bogo-Klasse schloss die südkoreanische Marine im Dezember 2000 mit HDW einen Vertrag über die Lieferung von Materialpaketen für die Lizenzfertigung von drei Booten der Klasse 2014 bei Hyundai Heavy Industries in Ulsan, die nach der ersten Einheit als Sohn-Won-yil-Klasse bezeichnet werden. Die 65 Meter langen, aufgetaucht rund 1700 Tonnen verdrängenden Boote mit Brennstoffzellen-basiertem, außenluftunabhängigem Antrieb zählen zu den modernsten konventionell betriebenen Unterwasserfahrzeugen der Welt.

Stapellauf des ersten KSS-III-Boots Dosan Ahn Chang-ho bei Daewoo Shipbuilding 2018, Foto: DSME
Stapellauf des ersten KSS-III-Boots Dosan Ahn Chang-ho bei Daewoo Shipbuilding 2018, Foto: DSME

Im Dezember 2008 bestellte Südkorea sechs weitere Boote dieses Typs, die abwechselnd bei Hyundai Heavy Industries (HHI) und bei Daewoo Shipbuilding & Marine Engineering in Okpo gebaut werden sollten. Die letzte Einheit Shin Dol-seok wurde am 31. Januar 2020 in den Dienst der südkoreanischen Marine gestellt. Sämtliche Einheiten sind mit dem Seezielflugkörper UGM-84 Sub Harpoon ausgerüstet, der von getauchten Booten abgefeuert werden kann. Dies macht die Sohn-Won-yil-Klasse zu überaus schlagkräftigen konventionellen Jagd-U-Booten. Die ersten drei Einheiten werden in Südkorea offiziell als KSS-II Batch-I und die letzten sechs, technisch leicht verbesserten Boote als KSS-II Batch-II bezeichnet.
 
 KSS-III Batch-I

Mit dem ab 2007 als Gemeinschaftsprojekt von DSME und HHI entwickelten KSS-III stieß die südkoreanische Marine größenmäßig in Bereiche vor, die, abgesehen von ganz wenigen konventionellen Booten wie der australischen Collins-Klasse sowie den aktuellen japanischen Bootsklassen, ansonsten den Atom-U-Booten vorbehalten sind. Mit einer Länge von 83,5 Metern, einer Breite von 9,6 Metern und einem Tiefgang von 7,62 Metern bei einer Verdrängung von 3358 Tonnen (aufgetaucht) und 3750 Tonnen (getaucht) weiß die nach dem ersten Boot Dosan Ahn Changho benannte Klasse wahrlich zu beeindrucken.
Laut Aussage der Werft DSME machte Südkorea auch technisch mit KSS-III einen gewaltigen Sprung nach vorne, denn 76 Prozent aller Komponenten des U-Boots stammen aus südkoreanischer Fertigung. Der installierte, auf Brennstoffzellen basierende außenluftunabhängige Antrieb soll laut Presseberichten jedoch noch auf dem im (ursprünglich deutschen) KSS-II-Entwurf genutzten Antrieb basieren. Die schiere Größe der Einheiten wird ebenfalls durch die Nutzung von drei Decks auf den Booten ersichtlich.

Unterwasserstart einer ballistischen Rakete des Typs Hyunmoo 4-4 von der Dosan Ahn Chang-ho, Foto:Foto: Screenshot ROKN VideoROKN
Unterwasserstart einer ballistischen Rakete des Typs Hyunmoo 4-4 von der Dosan Ahn Chang-ho, Foto:Foto: Screenshot ROKN VideoROKN

Das herausstechende Merkmal ist jedoch die Vertikalstartanlage (Vertical Launching Systetm, VLS) für Flugkörper zwischen dem AIP-Bereich und der herkömmlichen Antriebsanlage im Heck, die aus Batterien und Dieselgeneratoren besteht. Diese VLS-Anlage besteht aus sechs Startzellen und ist in der Lage, sowohl von Turbofan-Strahltriebwerken angetriebene Marschflugkörper wie den Typ Hyunmoo-3 – der Ähnlichkeit mit dem amerikanischen Tomahawk-Marschflugkörper aufweist – sowie ballistische Raketen des Typs Hyunmoo 4-4 zu verschießen. Der eingangs erwähnte Raketentest wurde mit einer solchen Rakete mit einer Reichweite von 500 Kilometern durchgeführt. Der Flugkörper weist große Ähnlichkeit mit der russischen Iskander-Rakete auf, und es ist unklar, ob Südkorea bei der Entwicklung mit Russland kooperiert hat – wie schon beim zivilen südkoreanischen Trägerraketenprogramm zuvor.

Im Bug von KSS-III befinden sich sechs Torpedorohre mit 533 Millimeter Durchmesser, durch die der südkoreanische Schwergewichtstorpedo K 731 White Shark verschossen werden kann. Auffällig ist die mit schallabsorbierenden Kacheln versehene Außenhaut der Dosan-Ahn-Changho-Klasse – ein Verfahren, welches bisher nur von wenigen Ländern eingesetzt wird.

Die Überwasser-Höchstgeschwindigkeit wird von westlichen Marineanalysten auf zwölf Knoten und die Unterwassergeschwindigkeit auf 20 Knoten geschätzt. Die Boote weisen eine Besatzungsstärke von 50 Personen auf und können bis zu 20 Tage am Stück getaucht operieren. Die Reichweite beträgt rund 10 000 Seemeilen.

Die an Bord verbauten elektronischen Systeme stammen von Anbietern aus Europa und Südkorea. Die Steuer- und Tauchkonsolen – ausgelegt auf manuellen Betrieb, Autopilot und kombinierte Betriebsmodi – auf den Booten der Dosan-Ahn-Changho-Klasse wurden von der französischen ECA Group entwickelt. Die Boote sind weiterhin mit konstant aktivem Sonar (Continuous Active Sonar, CAS) und vom südkoreanischen Luft- und Raumfahrtunternehmen LIG Nex1 entwickelten Seitensonar (Flank Array Sonar, FAS) zum Aufspüren, Lokalisieren und Klassifizieren von Zielen ausgerüstet. Das Führungs- und Waffeneinsatzsystem stammt vom südkoreanischen Großkonzern Hanwha. Das spanische Rüstungsunternehmen Indra steuert das Pegaso Electronic Defence System zur elektronischen Kriegsführung bei. Der optronische Mast der Serie 30 stammt vom französischen Rüstungskonzern Safran. Das System zum Handling der Bordwaffen kommt von der britischen Babcock, während die sechs VLS-Startzellen eine südkoreanische Eigenentwicklung sind, die als Korean Vertical Launching System bezeichnet wird und derzeit auch auf den neusten südkoreanischen Zerstörern und Fregatten eingerüstet wird.

Die Dosan Ahn Changho lief am 14. September 2018 bei DSME vom Stapel und wurde am 13. August 2021 in den Dienst der koreanischen Marine gestellt. Der Stapellauf des zweiten Bootes Ahn Mu wurde am 10. November 2020 vollzogen, die Indienststellung erfolgte am 20. April 2023. Die dritte Einheit Shin Chae-ho wurde als erstes Boot der Klasse bei HHI gefertigt und lief am 28. September 2021 in Ulsan vom Stapel. Voraussichtlich noch in diesem Jahr wird die Shin Chae-ho in die Flotte aufgenommen.

Die Zukunft

Wie zu Beginn dieses Beitrages beschrieben, geht die südkoreanische Marine mit dem vierten Boot des KSS-III-Projekts, dem ersten Batch-II-Boot, größenmäßig noch einen Schritt weiter. Die Ende März 2023 auf Kiel gelegte Lee Bong-chang ist stolze 89 Meter lang und verfügt über zehn VLS-Startzellen. Nahezu alle Bereiche des Bootes wurden für dieses zweite Baulos überarbeitet. So wurden beispielsweise das Führungs- und Waffeneinsatzsystem und die Sonaranlagen auf den technisch neuesten Stand gebracht.

Batch-II-Boot mit zehn VLS-Startzellen, Grafik: DAPA
Batch-II-Boot mit zehn VLS-Startzellen, Grafik: DAPA

Erstmals wird ab Boot Nummer vier der Link 22 eingerüstet. Damit kann das U-Boot mit verbündeten Über- und Unterwassereinheiten Daten austauschen. Laut Angaben des Herstellers DSME – der wieder mit der Fertigung der ersten beiden Boote des neuen Bauloses betraut wurde – beträgt der südkoreanische Anteil aller Komponenten an Bord bereits 80 Prozent. Das dritte Boot wird wieder von Hyundai gefertigt, das sich beim Projekt KSS-III als Juniorpartner von Daewoo bewährt hat.

Die herausragendste Neuerung bei den Batch-II-Booten ist der Einsatz von Lithium-Ionen-Batterien, entwickelt von Samsung SDI und hergestellt von Hanwha. Südkorea ist – nach Japan mit der Sōryū- und Taigei-Klasse – erst das zweite Land der Welt, das Lithium-Ionen-Batterien auf U-Booten einsetzt. Laut Aussagen von Hanwha Defense werden die mit AIP-Antrieb und Lithium-Ionen-Batterien ausgerüsteten Batch-II-Boote über einer größere Energieeffizienz und eine gesteigerte Tauchausdauer von mehr als 20 Tagen verfügen. Vor dem Einsatz auf den Booten des KSS-III-Projekts wurde die Lithium-Ionen-Technik rigorosen Versuchen unter Extrembedingungen unterzogen und die Auswirkungen von Feuer, Salzwasser, Kurzschlüssen, Hitze und Kälte auf die Zellen untersucht, um sicherzustellen, dass künftige U-Boot-Besatzungen keinen zusätzlichen Gefahren durch die neue Technik ausgesetzt sind.

Über die Verbesserungen des dritten Bauloses, dem KSS-III Batch-III, wird derzeit viel spekuliert, genauere technische Spezifikationen sind allerdings noch nicht bekannt. Aufgrund der angespannten Sicherheitslage in Ostasien – Südkorea ist von zwei „nicht-freundlichen Staaten“ umgeben, der Volksrepublik China und dem benachbarten Nordkorea – ist es nicht auszuschließen, dass Südkorea in Kürze mit der Entwicklung von atomar angetriebenen U-Booten beginnen könnte. Bei verschiedenen Gelegenheiten wurden entsprechende Gerüchte durch Anmerkungen südkoreanischer Politiker befeuert. Im Hinblick auf die australische Entscheidung, die Royal Australian Navy mit atomar angetriebenen, aber konventionell bewaffneten U-Booten im Rahmen des Aukus-Projektes auszustatten, ist es durchaus realistisch, dass das technologisch hochentwickelte Südkorea – genau wie Australien ein gefestigter Verbündeter der USA – hier nicht zurückzustehen möchte. Aber auch wenn Südkorea nicht die nukleare Option wählen sollte, hat es – nicht zuletzt dank KSS-III – eine der schlagkräftigsten U-Bootwaffen der Welt.

Stefan Ulsamer ist freier Journalist mit dem Schwerpunkt Marinetechnik.

Stefan Ulsamer

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