Der Zuschlag für das 37 Mrd. Euro U-Bootprojekt ging an DCNS
„DCNS aus Frankreich wurde als unser bevorzugter internationaler Partner für den Entwurf von 12 zukünftigen U-Booten ausgewählt; die kommerziellen Bedingungen sind Gegenstand weiterer Diskussionen.“ Gute Nachrichten auch für die strukturschwache Region, die Australiens Premierminister Malcolm Turnbull da am 26. April vor der Kulisse der südaustralischen Werft ASC in Adelaide verkündete, bittere Pillen aber für die deutschen und japanischen Wettbewerber. Kurz vor den für 2. Juli angesetzten Parlamentswahlen konnte der Premier versprechen, dass „diese Investition in Höhe von 50 Mrd. [australischen] Dollar 1.100 australische Arbeitsplätze direkt und weitere 1.700 australische Jobs in der Versorgungskette generiert.“ Fast 30 Jahre nach dem Verlust des COLLINS-Projekts für HDW an die Schweden hat das Unternehmen als tkMS nun erneut eine Niederlage zu verkraften.
Woran hat es gelegen, aus welchen Gründen knallten in Cherbourg die Champagnerkorken, warum ist in Kiel und Kobe Wunden lecken angesagt? Im MarineForum Heft 5-2016 stellte der deutsch-australische Autor Hans Ohff in seinem Sachstandsbericht die entscheidende Frage: „Was will Australien?“ und deutete mit seiner persönlichen Antwort gleichzeitig die vordergründigen Vorzüge der drei Wettbewerber an: „Exklusiver Zugang zu japanischer Technologie, von globaler deutscher U-Boot-Erfahrung profitieren oder lieber mit den Franzosen gehen, die der Royal Australian Navy (RAN) in der Zukunft den Weg zu nuklear getriebenen U-Booten eröffnen möchten.“ Hat Turnbull mit der Regierungsentscheidung die Antwort auf die dritte Frage gegeben? Existierte tatsächlich eine nukleare „hidden agenda“? Verteidigungsministerin Marise Payne bestreitet das vehement.
In Kiel, Cherbourg und Kobe entstanden die ehrgeizigsten U-Boot-Entwürfe aller Zeiten
Die drei am 20. Februar letzten Jahres bekannt gegebenen Wettbewerber im „Competitive Evaluation Process“ (CEP) genannten Auswahlverfahren, tkMS, DCNS und japanische Regierung (mit den Werften Mitsubishi und Kawasaki Heavy Industries, MHI/KHI) arbeiteten schon seit langer Zeit an ihren australischen U-Boot-Entwürfen. Unter Verweis auf meinen Beitrag im MarineForum 6-2015 erspare ich mir hier die technischen Einzelheiten zu dem aus Frankreichs nuklearem BARRACUDA hervorgegangenen SHORTFIN BARRACUDA (DCNS), dem Neuentwurf Typ 216 (tkMS) und dem aus Japans SORYU weiterentwickelten GORYU.
Das CEP-Team wurde in Doppelspitze von einem aktiven australischen und einem pensionierten amerikanischen Konteradmiral geführt. Zur Beaufsichtigung des CEP hatte die australische Regierung ein „Expert Advisory Panel“ unter Führung eines ehemaligen amerikanischen Marineministers eingerichtet; zwei weitere US-Admirale im Ruhestand berieten das CEP-Team. Die beiden europäischen Konkurrenten gründeten australische Tochterunternehmen (tkMS-A, DCNS-A) und beriefen als deren Chairman bzw. CEO zwei völlig unterschiedliche einheimische Persönlichkeiten: Die Deutschen einen erfahrenen Industriemanager, der schon bei der Leitung des erfolgreich verlaufenen ANZAC-Fregattenprojekts mit dem deutschen Lizenzgeber B+V zusammengearbeitet und sich dabei im australischen Marineschiffbau einen Namen gemacht hatte; die Franzosen einen zuletzt als Büroleiter des australischen Verteidigungsministers tätig gewesenen, im Amtsbereich ausgezeichnet vernetzten ehemaligen U-Boot-Offizier. Die Japaner, bei denen die Regierungsseite direkt als Wettbewerber auftrat, waren offensichtlich noch bis Frühjahr 2016 überzeugt, vorerst ohne Projektbüro in Australien auszukommen, und zählten auf entsprechendes Engagement ihres Botschafters in Canberra. Sie schienen darauf zu vertrauen, dass Premierminister Tony Abbotts Handschlag mit seinem Kollegen Shinzo Abe den U-Boot-Auftrag so gut wie besiegelt habe.
Die Wettbewerber erkannten im Verlauf des CEP immer deutlicher, für wie wichtig aus beschäftigungspolitischen Gründen ein kompletter Bau des gesamten „Future Submarine Program“ (FSP) im Lande gehalten wird, obwohl ausdrücklich auch die Vorlage der Optionen „Bau in Übersee“ und „hybrid build“ (erste Boote in Übersee) verlangt war. Als erster hatte sich tkMS bereits im Oktober 2014 dazu bekannt, das gesamte Programm bei der Werft ASC zu bauen, und erklärt, dies sei zu einem Festpreis von 20 Mrd. AUD möglich. Der Chairman von tkMS-A machte sich diese Position zu eigen und verteidigte in einer Senatsanhörung den Standpunkt, die Boote könnten in Australien zum selben Preis und in der gleichen Zeit gebaut werden wie in Kiel. Auch wolle man die Werft ASC kaufen und modernisieren und plane, sie zum Service-Zentrum für tkMS-U-Boote der ganzen Asien-Pazifik-Region auszubauen. Anfang September bestätigte der Vorstandsvorsitzende von tkMS bei seinem Besuch in Australien erneut den Festpreis von 20 Mrd. AUD für 12 Boote und versicherte, dass tkMS über 70 % davon im Lande ausgeben würde. Der „Daily Telegraph“ zitierte ihn mit der Aussage „... eine Gruppe wie die unsere hat tiefe Taschen und wenn wir etwas versprechen müssen wir auch liefern“.
Anders taktierten die Franzosen; sie bekannten sich erst ab Juli 2015 zu einem vollständigen Bau im Lande und vertraten offen die Auffassung, dass die effizienteste Variante der „hybrid build“ sei, mit entsprechender Ausbildung des australischen Personals während des Baus von bis zu zwei Booten in Frankreich. Kostenvorstellungen wurden nur vage und zurückhaltend preisgegeben. Im Nikkei-Interview betonte der CEO von DCNS-A, dass seine Firma für das FSP die beste Technologie einsetzen werde, die Frankreich besitze. Frankreichs eigene U-Boote seien äußerst leistungsfähig und ihre Stealth-Signaturen einzigartig. Diese Technologie sei noch nie mit anderen geteilt worden. Dies sei nur möglich, weil die französische Regierung das australische FSP zu einem strategischen Programm erklärt habe. Ja, man werde zum Festpreis anbieten, sei aber derzeit noch nicht in der Lage, verbindliche Zusagen zu treffen.
Die Japaner, die überhaupt erst 2014 die gesetzmäßigen Voraussetzungen zum Waffenexport geschaffen hatten, hielten sich mit Versprechungen zurück. Bei einer mit „submarine summit“ bezeichneten Konferenz in Adelaide im März 2015 nahmen weder Repräsentanten der beiden Bauwerften noch der Regierungsseite teil, lediglich zwei Vizeadmirale a.D. hielten Vorträgen und gaben Interviews. Anfang Mai 2015 erst bewilligte Verteidigungsminister Nakatani die Teilnahme am CEP, bekräftigte Japans Absicht zur strategischen Partnerschaft mit Australien und kurz darauf gab der Nationale Sicherheitsrat grünes Licht zur Freigabe von Geheiminformationen im Rahmen des CEP.
Im April 2015 flog Abbotts Verteidigungsminister Andrews in Begleitung von Marineexperten und Journalisten nach Deutschland und Frankreich, um dort seine Ministerkollegen von der Leyen und Le Drian zu treffen und die Bauwerften zu besichtigen. In den Zeitungen war zu lesen, dass sich Andrews mehrere Stunden auf der Kieler Werft aufgehalten, dort erfahren habe, dass tkMS in 50 Jahren 161 U-Boote für 20 Marinen gebaut habe und bei einem Hubschrauber-Rundflug über das Werftgelände hätten ihn 9 Boote in unterschiedlichen Bau- oder Reparaturzuständen beeindruckt. Die klare Botschaft sei bei ihm angekommen: Deutschland ist eine Industriemacht und U-Boote ihre Spezialität.
Die Franzosen präsentierten die traditionsreiche DCNS-Werft in Cherbourg, ließen wissen, dass dort bis heute über 100 U-Boote gebaut worden seien, und wurden nicht müde zu betonen, dass U-Boot-Technologie, gerade aufgrund ihrer Bedeutung für die nukleare Abschreckung, zu den bestgehüteten Staatsgeheimnissen zähle, die man mit keinem Land außer jetzt Australien bereit sei zu teilen. Über Andrews' Eindrücke war zu lesen, es sei „gigantisch“ gewesen. Kein Wunder, die volle Auslastung der Werft mit den Aktivitäten zum Serienbau der 6 über 5.000 t verdrängenden nuklear getriebenen Boote des Typs BARRACUDA zu sehen gibt einen Vorgeschmack auf das, was Australien mit seinem 12 fast ebenso große Boote umfassenden FSP beabsichtigt: „Think big“.
Obwohl bei Andrews' Besuch in Japan Anfang Juni 2015 es angesichts pazifistischer Widerstände im Land unausgesprochen blieb, dass ein japanischer U-Boot-Entwurf in Diensten der RAN von Tokyo als bedeutender Baustein für eine zukünftige US-japanisch-australische Dreierallianz gesehen wird, nahm Andrews zweifellos diese Schlussfolgerung mit nach Hause. Natürlich verstanden es auch die beiden Werften MHI und KHI in Kobe, den Minister mit ihrem Potenzial zu beeindrucken. Ein Licht auf ihren Novizenstatus im Rüstungsexport warfen die Japaner mit offensichtlich unkoordinierten Interviews ausgerechnet während des Besuchs: Ein pensionierter Vizeadmiral soll gegenüber den australischen „ABC-News“ geäußert haben, dass der Mangel an befähigten Schweißern in Adelaide die erfolgreiche Verarbeitung des extrem hochfesten Stahls für japanische U-Boote erschweren könnte. Zwei Stabsoffiziere waren überzeugt, dass es weltweit keine besseren nichtnuklearen U-Boote als die japanischen gäbe. „Wir befürchten eine Proliferation nach China, wenn unser Wissen einmal in australischen Händen ist“, hieß es im selben Blatt. Mit den Meldungen wurden japanische offizielle Beteuerungen konterkariert, man habe die Option „Bau im Lande“ fest im Blick.
Hartnäckig hatte sich der Verdacht eines „Captain's Pick“ in den meisten australischen Medien festgesetzt, d.h. eines bereits seit 2014 zwischen Abbott und Abe abgesprochenen Zuschlags für Japan. Zur Erinnerung: Abbotts Ausrufung des CEP sollte den Gerüchten einer abgekarteten „Option J“ die Grundlage nehmen und nichts weiter ermöglichen, als das „Beste für Australien“. Noch Ende August 2015 verhielt sich eine japanische Industriedelegation in Adelaide zugeknöpft und ungeschickt hinsichtlich Fragen nach Kooperationsmöglichkeiten mit der „lokalen Versorgungskette“, d.h. der Einbindung australischer Firmen, sollte der Zuschlag an Japan gehen. Mit dem 15. September 2015 war der Captain's Pick dann plötzlich vom Tisch, als Malcolm Turnbull in einem parteiinternen Coup Tony Abbott ablöste und neuer Premierminister wurde. Turnbulls Amtsübernahme versprach auch Ungemach für den japanischen Wettbewerber, weil dem Premier eine gewisse Chinanähe nachgesagt wird, und möglicherweise Rückenwind für den deutschen – seine Ehefrau war zu dem Zeitpunkt Ehrenpräsidentin der deutsch-australischen Industrie- und Handelskammer. Am 21. September ernannte Turnbull die Senatorin Marise Payne zum ersten weiblichen Verteidigungsminister des Landes.
Der Propagandakrieg
Kaum hatten mit Ablauf des 30. November 2015 die drei Wettbewerber ihre Entwürfe fristgerecht eingereicht, entbrannten Aktivitäten, die am besten mit „Propagandakrieg Jeder gegen Jeden“ bezeichnet werden können. Vermutlich im Sold der jeweiligen Wettbewerber stehende Journalisten sorgten täglich in mehreren Blättern und Blogs für neue Spekulationen und Analysen, für Unterstellungen technischer Defizite gegnerischer Entwürfe, für politisch-strategische Hypothesen, für Diffamierung von Personen, für an Xenophobie grenzende anti-japanische Veröffentlichungen und für Konspirationstheorien in Bezug auf chinesische und vor allem amerikanische Einflussnahme.
Im Februar 2016 machte der CEO von DCNS-A mit einer Veröffentlichung auf sich aufmerksam, in der er von einer strategischen Partnerschaft beider Länder schrieb. Frankreich sei eine „complete submarine power“ hieß es darin, die einerseits im selben Club wie die USA und Großbritannien spiele, weil es selbst nur noch über nuklear angetriebene U-Boote verfüge, andererseits aber auch konventionellen Antrieb beherrsche. Mit Frankreich werde Australien diesem Club beitreten und regional überlegene Fähigkeiten erlangen, mit Zugang zu Technologien, die sich von nuklearen Raketen- und Angriffs-U-Booten herleiten. Bestes technisches Beispiel sei die exklusiv im Rahmen des SHORTFIN BARRACUDA-Designs Australien verfügbar zu machende Pumpstrahl-Antriebstechnologie, wie sie nur die drei genannten Clubmitglieder besäßen. DCNS schlage vor, von Beginn des FSP an Exzellenz-Zentren in Australien aufzubauen, die eingebettet werden in das französische, bis 2080 geplante Entwicklungsprogramm für Wissenschaft, Ausbildung und Forschung.
Die Deutschen, nicht Mitglied in diesem exklusiven Club, reagierten mit technischen Klarstellungen und zeigten auf, dass Pumpstrahlantriebe ungeeignet seien für das Niedriggeschwindigkeitsspektrum, in dem sich nichtnukleare U-Boote die meiste Zeit bewegten. Dagegen habe man einen Leichtgewichtspropeller entwickelt, der aus Komposit-Kohlefaser bestehe und auf der 212A-Klasse bereits im Einsatz erprobt werde. Mitte März trat der tkMS-Vorstandsvorsitzende zusammen mit dem Deutschen Botschafter im Internationalen Presseclub in Canberra auf und stellte u.a. in Aussicht, dass seine Firma im Falle des Zuschlags in Adelaide das „digital shipyard“-Konzept einführen und die Vorteile der deutschen Transformation zu „Industrie 4.0“ zum Tragen bringen werde, was nichts weniger bedeute als die nächste Phase der Industriellen Revolution. Darüber hinaus werde man das bereits bestehende Tochterunternehmen substanziell zu einem Exzellenz-Zentrum für Schiffbau erweitern, das die RAN langfristig nicht nur im Bereich U-Boote, sondern auch anderweitig unterstützen könne.
Trotz der Ablösung des japanaffinen Abbott durch Turnbull blieb der japanische Wettbewerber zunächst Favorit in den Medien – nun nicht mehr aufgrund des mutmaßlichen Deals zwischen den Regierungschefs, sondern wegen des strategischen Interesses der USA an einer zukünftigen Dreierallianz. In der „Financial Times“ hieß es, sowohl die Franzosen wie auch die Deutschen seien gegenüber dem japanischen Entwurf ins Hintertreffen geraten, Erstere aufgrund von Sicherheitsbedenken der USA, Letztere, weil sie noch nie ein derart großes U-Boot gebaut hätten. Offizielle Verlautbarungen aus Washington bekräftigten indes die Neutralität der USA im FSP und dementierten Mutmaßungen, dass die Integration des für das FSP gesetzten Führungs- und Waffeneinsatzsystems nur auf einem japanischen Boot genehmigt würde. Dafür machten jedoch Äußerungen eines US-Admirals Schlagzeilen, wonach die Japaner derzeit eindeutig die Technologieführerschaft bei konventionellen U-Booten besäßen. Ein anonymes australisches Autorenteam rechnete daraufhin Anfang April im „Australian Defence Reporter“ mit allen pro-japanischen Mythen ab. Japan habe gar keine hoch entwickelte U-Boot-Technologie, im Gegenteil, SORYU sei sogar COLLINS in den meisten Feldern unterlegen.
Dann war unter Berufung auf „two people familiar with the matter“ am 20. April im „Wallstreet Journal“ plötzlich vom Ausscheiden Japans aus dem Wettbewerb zu lesen, weil die japanische Lösung vor dem Hintergrund mangelnder Erfahrung im Marineschiffbau in Übersee als zu risikobehaftet beurteilt worden sei. Die deutsche Firma sei höchstwahrscheinlich als Spitzenreiter hervorgegangen. Dass am 13. April bereits die Gattin des Premiers von ihrer Ehrenpräsidentschaft bei der deutsch-australischen Industrie- und Handelskammer zurückgetreten war, glaubten die Deutschen folglich als Indikation zu ihren Gunsten werten zu können.
Mutmaßungen um Gründe, Fehler, Einflüsse
Zwei Tage früher als die Gerüchteküche es verbreitet hatte, am 26. April, verkündete Premierminister Turnbull den Zuschlag an DCNS. Das lag keinesfalls nur an dem Druck, der durch die Leckage über das Ausscheiden der Japaner aufgebaut worden war. Es war auch deshalb Eile geboten, weil der Regierungschef am 11. Mai beabsichtigte, beide Häuser des Parlaments aufzulösen, um für den 2. Juli Bundeswahlen auszurufen. Da die Regierung während der Wahlkampfperiode keine Haushaltsbeschlüsse mehr verabschieden kann, war die vorgezogene Bekanntgabe, 12 neue U-Boote in Adelaide bauen zu wollen, ein willkommenes 50-Milliarden-Dollar-Wahlversprechen, das mehrere tausend neue Arbeitsplätze in Südaustralien zusichert.
Die Japaner sollen verloren haben, weil man in ihrer Unerfahrenheit im Rüstungsexport ein zu großes Risiko sah. Die zwar inoffizielle, aber von einflussreichen Personen subtil lancierte Unterstützung der USA schien ihnen nicht geholfen zu haben, vielleicht war sie eher kontraproduktiv, denn nichts kränkt die Australier mehr als Anspielungen in Richtung „51. Staat der USA“. Es ist auffällig, dass Turnbull bei seiner Ergebnisbekanntgabe ausdrücklich und namentlich die drei ehemaligen US-Admirale und den Ex-US-Marineminister als verantwortliche Beteiligte im CEP erwähnte, so als wollte er sagen: „Seht, wie unabhängig wir uns trotzdem entschieden haben“. Widerstände gegen den Export von japanischer Amtsseite und Industrie seien unüberhörbar gewesen, Tokyos Repräsentanten hätten nur mäßig überzeugt, das Zugeständnis an einen kompletten Bau im Lande sei zu spät gekommen, und schließlich sei an den propagandistisch verbreiteten technischen Defiziten vermutlich doch etwas Wahres – so lassen sich die Analysen in den Medien zusammenfassen. Zwar gab es in japanischen Medien Vermutungen, dass die U-Boot-Entscheidung mit einem Kotau des Chinafreundes Turnbull in Richtung Peking zu tun haben könnte, die Frage, ob Tokyo nun seine Beziehungen mit Canberra überdenken werde, beantwortete ein japanischer Analyst jedoch mit der Feststellung, dass eine vertiefte Sicherheitspartnerschaft mit Australien nicht nur weiterhin in Japans Interesse sei, sondern dass strategisch gesehen Japan Australien mehr brauche als umgekehrt.
Warum verloren die Deutschen? Man hört in Australien, dass DCNS sowohl die RAN als auch die amerikanischen Gutachter im CEP-Team von den Vorteilen des Pumpstrahl-Antriebs überzeugt habe. Der französische Entwurf soll gegenüber Typ 216 über den gesamten Geschwindigkeitsbereich als der leisere bewertet worden sein und über erheblich leistungsfähigere Sonarsysteme verfügen. Außerdem hätten die Deutschen mit ihrem „digital shipyard“-Konzept die Zweifel an einem erfolgreichen „up-scaling“ von den bisher maximal gebauten 2.400 auf über 4.000 t nicht aus dem Weg räumen können. Darüber hinaus habe der geschickte Schachzug überzeugt, dass DCNS das CEP-Angebot weitgehend in seinem Canberra-Büro erarbeitete – und nicht wie tkMS im Mutterhaus.
Festzuhalten bleibt, dass die Medienkampagne aufwendig und die politische Unterstützung für deutsche Verhältnisse ungewöhnlich engagiert war – von der Bundeskanzlerin über die Verteidigungsministerin und die Staatssekretäre bis hin zur Referatsebene. Darüber hinaus hat der Inspekteur der Marine in „Down Under“ sehr beeindruckt. Auch das Auswärtige Amt erkannte die geopolitische und rüstungswirtschaftliche Dimension des U-Boot-Geschäfts mit einem Land wie Australien. Besonders der Botschafter zeigte bei seinen unterstützenden Bemühungen vor Ort keinerlei Berührungsängste mit der Rüstungsindustrie. „Le Mannschaft“, wie sie Heiko Borchert im Griephan 21/16 kürzlich anmahnte, quasi eine konzertierte Aktion in Schwarz-Rot-Gold, war das insgesamt jedoch noch nicht.
In meinem Beitrag vor einem Jahr hatte ich die Autoren Yule/Woolner zitiert, bei denen es zu den Gründen, warum 1987 Kockums gegen IKL/HDW den Zuschlag erhielt, heißt: „ ... die Deutschen waren zu konservativ in ihrem Design, und da die Schweden auf alles eingingen, was die Australier verlangten, hätten auch die Deutschen nachziehen sollen ... aber diese Botschaft erkannten die Deutschen nicht ... sie wollten die Grundforderungen erfüllen und über den Preis gewinnen“. Diesmal war das Design nicht konservativ und ging z.T. über die Grundforderungen hinaus, es war sicher das Beste, wozu deutsche Ingenieurkunst in der Lage ist, und vermutlich dem französischen Vorschlag technisch ebenbürtig. Erstaunlich deshalb, dass tkMS nicht ständigen Wiederholungen in den Medien entgegentrat, wonach es sich um eine „up-scaled“ Version des Typs 214 handle, d.h. des Export-Entwurfs „von der Stange“. In der Tat hat Typ 216 als „Zweidecker“ weit mehr Design-Verwandtschaft mit U212A, also dem Premiumboot für die eigene Marine, dem „Besonderen und Einzigartigen“, worauf die Australier so großen Wert legen.
Dass die Deutschen noch nie ein Boot über 2.400 t gebaut haben, stimmt. Dass es schwierig bis unmöglich wäre, die geforderte Verdrängung von über 4.000 t für den Typ 216 durch „up-scaling“ eines kleineren Designs zu realisieren, ist Unsinn, denn der Nachweis wurde schon erbracht: Für das FSP ist in etwa eine Verdoppelung der Verdrängung gegenüber dem bisher größten Boot deutscher Provenienz, des DOLPHIN-AIP für Israel, gefordert. Bei der Entwicklung von U212A als Nachfolger von U206A handelte es sich aber bereits um eine Verdreifachung der Verdrängung. Trotzdem war U212A von Anfang an ein Erfolg! Warum führte tkMS dieses einfache Argument nicht öffentlich ins Feld? Stattdessen konnten die Medienkonsumenten fast täglich von den uneinholbaren Exporterfolgen des mächtigen Konzerns in den letzten 50 Jahren lesen, also mit Booten „von der Stange“. Hinzu kam, dass die Deutschen ohne Not – 50 Mrd. AUD sind kein Austeritätsbudget – erneut über den Preis gewinnen wollten. Die frühe und immer wieder bestätigte Zusage des Festpreises von 20 Mrd. AUD, verbunden mit der unglaubwürdigen Behauptung, in Adelaide könne genauso kostengünstig und schnell gebaut werden wie in Kiel, war vielleicht ein gravierender Fehler.
Schlussbemerkungen
Anders als in Frankreich – und auch in Australien – werden U-Boote in der Deutschen Marine allenfalls als operative Komponenten wie Minenabwehrkräfte oder Korvetten gesehen. Dies dürfte den aufmerksamen Australiern nicht verborgen geblieben sein, die sich aus strategischen Gründen für das kostspieligste Rüstungsprojekt aller Zeiten entschieden und am Ende einen Partner auswählten, der sich von vornherein strategisch aufstellte: Seit über hundert Jahren Alliierter und eine pazifische Macht – wenn auch mit relativ bescheidener militärischer Präsenz in den regionalen „Überseeischen Territorien“ – und ein Land mit fast vollständig auf modernste, global operierende U-Boote gestützter nuklearer Abschreckung. Zu diesem Club gehört Deutschland nicht.
Die Entwurfs-Philosophie deutscher U-Boote der Nachkriegszeit – kompakte Bauweise nach dem Grundsatz „so klein wie möglich und so groß wie nötig“ – wurde von den Einsatzbedingungen des Kalten Krieges geprägt. In Australien war diese Philosophie von Beginn an nicht gefragt, sondern „think big“. Der aus dem nuklearen Schwesterdesign abgeleitete SHORTFIN BARRACUDA mit seinen fast 5.000 Tonnen wird trotz neuartigster schallabsorbierender Beschichtungsmethoden und struktureller akustischer Verspiegelung ein gefährlich großes Zielmaß für die Aktiv-Sonarortung bilden. Nukleargetriebene U-Boote haben unbeschränkte Höchstfahrtreserven, mit denen sie sich von einem „Datum“ (Position der Detektion) schnell und weit entfernen können. Ein konventionelles Boot dieser enormen Größe dagegen kann selbst bei voll aufgeladenen Batterien vermutlich nicht viel mehr als eine halbe Stunde Höchstfahrt laufen. Der von den Australiern offenbar so hochgeschätzte, energiezehrende Pumpstrahl-Antrieb wird diesen Umstand noch verschlechtern.
Im CEP-Team saßen U-Boot-Fachleute, die natürlich um diese Parameter wissen. Ich schließe deshalb nicht aus, dass es eine „hidden agenda“ geben könnte, die den Übergang zum nuklearen Schwesterentwurf vorsieht. Nach einer fünfjährigen Designphase wird mit dem Bau erst in den 2020er Jahren begonnen und ab 2030 in Dienst gestellt. Genug Zeit also, wenn bis dahin Australien, nicht zuletzt angesichts der Seemacht Chinas, bereit sein sollte, in den Club der „nukes“ aufzusteigen.
Potenziellen Bedarf aus dem Portfolio von tkMS wird es mit Sicherheit weiterhin geben. In Norwegen und Polen wartet auf die Deutschen die nächste Gelegenheit, mit „lessons learned“ gegen die „équipe tricolore“ anzutreten, und es wird dort nicht um die Beschaffung eines enorm teuren und untermotorisierten „Leviathan“ gehen.
Kapitän z. See a.D. Wallner war U-Bootkommandant, Geschwaderkommandeur und Verteidigungsattaché in Tokyo. Als das australische Projekt SEA 1000 ab 2008 begann, war er als Referatsleiter für Unterwassersysteme in der Rüstungsabteilung des BMVg in die amtsseitige Unterstützung der deutschen Industrie eingebunden.
Autor: Raimund Wallner
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