Fregatte Baden-Württemberg F 222 im Kattegat. Foto: Bundeswehr/Kröncke

Fregatte Baden-Württemberg F 222 im Kattegat. Foto: Bundeswehr/Kröncke

Indo-Pacific Verband fährt nicht durch das Rote Meer - warum das gut ist

Ein Erklärstück - von der Pier aus.

Die Frage, ob der Indo-Pacific-Verband der Deutschen Marine, bestehend aus der Fregatte „Baden-Württemberg“ und dem Einsatzgruppenversorger „Frankfurt am Main“, auf dem Rückweg von ihrer Weltreise das Rote Meer durchfahren sollte, stellt sich seit Auslaufen des Verbandes am 07. Mai 2024. Für Marineoffiziere war absehbar, dass ohne ein Ende der Huthi-Bedrohung keine solche Passage erfolgen würde. Die Entscheidung kam daher für die Marine und ihre Fachkreise wenig überraschend.

Einsatzgruppenversorger Frankfurt am Main in Wilhelmshaven. Foto: Bundeswehr/K.Brakensiek

Einsatzgruppenversorger Frankfurt am Main in Wilhelmshaven. Foto: Bundeswehr/K.Brakensiek

Von Anfang: Entsetzt schaute die Weltöffentlichkeit auf den Überfall der Hamas am 07. Oktober 2023 auf Israel. Die Huthi nahmen ab November 2023 Schiffe der pro-israelischen westlichen Welt ins Visier. Schon wieder fiel uns ein Krieg mit seinen Konsequenzen vor die Füße. Und durch die Havarie der „Ever Given“ hatte man zuvor erfahren müssen, was die Sperrung des Suez-Kanals bedeutet. Die EU reagierte: Mit der Operation European Union Naval Force – Aspides (EUNAVFOR Aspides) wurde im Dezember 2023 beschlossen - in Kooperation mit der US-geführten Operation Prosperity Guardian - auf die Angriffe der Huthi-Rebellen zu reagieren. Deutschland beteiligte sich ab Februar 2024 erfolgreich mit der Fregatte „Hessen“ (marineforum berichtete "Hessen" im Feuer - was man so "von der Pier" aus dazu sagen kann). Der weitere deutsche Beitrag sollte durch die Fregatte „Hamburg“ erfolgen. Das Schiff operiert zwar im Mittelmeer, ist aber aufgrund der Lage im Seegebiet vor dem Libanon gebunden. Der griechische Befehlshaber der Operation, Flottillenadmiral Vasileios Gryparis, rügt zu Recht, dass ihm zu wenig Schiffe zur Verfügung stünden, um die Handelsschiffe im Roten Meer zu schützen. Dennoch ist es gelungen, bisher über 200 Handelsschiffe durch das Rote Meer zu eskortieren und rund 20 Drohnen und Anti-Schiffsraketen zu zerstören.

Die Fregatte F 222 Baden-Württemberg nähert sich zum Liquid-RAS-Manöver im Rahmen des Indo-Pacific Deployment im Ostchinesischen Meer, Bildrechte:Bundeswehr/Julia Kelm

Die Fregatte F 222 Baden-Württemberg, Bildrechte:Bundeswehr/Julia Kelm

Die Konsequenzen: Wie ernst die Angriffe sind, zeigte beispielsweise der unter liberianischer  Flagge fahrende Tanker "Olympic Spirit", der von elf Raketen und zwei Drohnen getroffen wurde. Im August wurde befürchtet, dass es eine Ölkatastrophe geben könnte, weil die "Sounion" mit 56.000 Tonnen Öl an Bord durch eine Attacke in Brand geraten war. Die Allianz Commercial berichtet von bisher mehr als 50 Handelsschiffen, die im Roten Meer durch die Huthi-Rebellen angegriffen wurden. Es gab mindestens ein Dutzend Tote. Der Rückgang des Verkehrs durch den Suez-Kanal wird unterschiedlich bewertet. Reedereien sprechen von 40%, Experten von bis zu 80%. Die Anzahl der Schiffe, die die Route um das Kap der Guten Hoffnung wählen, hat sich verdreifacht. Der Transit um Afrika herum verlängert die Reise um nahezu zwei Wochen. Das wirkt sich auf Lieferketten, Preise, Produktionsabläufe und Hafenauslastungen aus. Ob uns die Montage-Ausfälle bei Tesla nun wirklich treffen, sei dahingestellt.

Mangelware Schiff“: So titelte der Spiegel Ende Oktober und bezog sich auf den griechischen Admiral Vasileios Gryparis, der mindestens zehn Kriegsschiffe für die Operation Aspides fordert. Das riesige Operationsgebiet sei mit drei Schiffen nicht abzudecken, habe der Befehlshaber beklagt. Was man dem Spiegel aber nicht erzählt hat, das ist die Anzahl tatsächlich erforderlicher Schiffe und deren notwendige Fähigkeiten. Wenn man durchgängig zehn Schiffe im Einsatz haben will, benötigt man die dreifache Anzahl in der Rotation Einsatz – Instandsetzung - Ausbildung. So viele für diese Operation geeignete Kriegssschiffe gibt es aber in ganz Europa nicht. Ähnlich sieht es bei den Seefernaufklärern (Maritime Patrol Aircraft MPA) aus. Wie immer, von allem zu wenig.

Fähigkeiten: Auf das Durchzählen der Kriegsschiffe der beteiligten EU-Staaten folgt die Ernüchterung. Schiffe gibt es zwar, aber die sind allesamt spezialisiert: soll es gegen U-Boote kämpfen, Überwasserziele angreifen oder Bedrohungen aus der Luft abwehren? Dabei muss man unterscheiden, ob ein Schiff in diesen drei Dimensionen nicht nur für sich selbst, sondern auch für den Schutz Dritter kämpfen kann. Diese „Verbandsschutz“ genannte Fähigkeit macht den Mix von Flotten aus. In Falle der Operation Aspides geht es nicht nur um die eigene Flugabwehr (bitte nicht „Luftabwehr“, das gibt es nicht!), sondern die Luftverteidigung, also den Schutz Dritter gegen Angriffe aus der Luft. Die Deutschen haben davon drei Schiffe der Sachsen-Klasse, die Holländer haben vier der De Zeven Provinciën-Klasse, Frankreich und Italien je zwei der Horizon-Klasse, dazu kommen die beiden neuen französischen Fregatten der FREDA-Klasse. Mitgezählt? 13 Einheiten! Voll umfänglich auf das aktuelle Szenario vorbereitet ist aber keines dieser Schiffe, denn bei der Konzeption dieser Schiffsklassen vor 15, 20 und sogar 25 Jahren hatte man die Abwehr von Huthi-Drohnen und von ballistischen Anti-Schiff-Raketen noch nicht im Lastenheft.

Die Huthi: Die Huthi-Milizen wünschen den USA und Israel den Tod - sie beschwören Allah und den Sieg des Islam. Diese sogenannten Rebellen darf man aber nicht unterschätzen: Es ist kein sandalenlatschender Fanatikerhaufen mit Kopftuch und Flinten. Wir empfehlen die Lektüre Pulverfass Rotes Meer. Es sind bis zu 180.000 zum Teil gut ausgebildete und erfahrene, strukturiert organisierte Truppen. Sie werden vom Iran unterstützt und beliefert, haben Zugang zu modernen Technologien und sind im Jemen indirekt an der Regierung beteiligt. Im Gegenzug transportieren die Huthi illegal iranische Güter und unterlaufen damit Sanktionen.

Und nun? Die Entscheidung ist gefallen, der Indo-Pacific Verband wird deshalb die Route um das Kap der Guten Hoffnung nehmen. Die Entscheidung, so berichtete der Spiegel als Erster, sei am vorigen Montag durch Bundesverteidigungsminister Pistorius gefallen. Entrüstet kommentierte erwartungsgemäß die von sich selbst überzeugte Fraktion der Klugschwätzer. Wir gehen fest davon aus, dass genau diese Menschen sich ebenso aufgeregt hätten, wenn der Verband die Route durch das Rote Meer genommen hätte. Dann hätte man allerdings von Verantwortungslosigkeit und Himmelfahrtskommando geschrieben. Das hatten wir ja schon.

Fazit: Ein Einsatzgruppenversorger kann sich per se nicht selbst umfassend schützen, das ist bauartbedingt. Die Fregatte Klasse 125 ist kein Flugabwehrschiff und wurde für andere Szenarien gebaut. Was ist daran feige, wenn man einem Gegner ausweicht, der einen nahezu ungestört mit Raketen und Drohnen beschießt, man ihn aber nicht zum Kampf stellen kann? Feige ist da der Angreifer. Es gibt nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa zu wenige Schiffe, zu wenig Munition, kaum Reserven und Knappheit von Geld und Personal. Das ist besorgniserregend. Auch der Anspruch, die Seewege zu schützen und damit eine Marine zu begründen, erfährt durch diese Maßnahme einen gehörigen Knacks. Auch die Eskalation muss man abwägen, denn die Huthi hätten wohl alles gegeben, weil beide Schiffe zweifelsfrei Prestige-Ziele gewesen wären. Man hatte im Vorfeld geprüft, die Bewaffnung der deutschen IPD-Einheiten provisorisch aufzurüsten, von Iris-T bis Mantis war die Rede. Am Ende überwog vermutlich das Kalkül, lieber nur die Marine als den ganzen Staat demütig aussehen zu lassen.

Schließlich hat Boris Pistorius in seiner Amtszeit bislang keine gefallenen Soldaten zu beklagen und will ganz sicher, dass das auch so bleibt. Es ist das oberste Gebot eines Staates, seine Bürger zu schützen. Dazu gehört auch, Soldaten nicht ohne Grund zu gefährden. Und damit dürfte er in der Mehrheit der deutschen Bevölkerung sicher Zustimmung finden, besonders bei den Familien und Angehörigen der Soldatinnen und Soldaten des Verbandes.

Autor: Stephenson / Schlüter

Anmerkung: in einer vorherigen Version sind auch wir der Social Media Verführung erlegen. Hier die gekürzte Fassung.

13 Kommentare

  1. Hat denn tatsächlich jemand geglaubt, dass sich die Bedrohung im Roten Meer und im östlichen Mittelmeer bis zur Ankunft des Indopazifik-Verbandes in Luft auflöst – sicherlich nicht. Demnach hätte die Routenplanung vor Auslaufen geändert werden müssen, was unserer Marine und vor allem den betroffenen Besatzungen demütigende Kommentare erspart hätte.

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  2. Liebe Redaktion,

    ich habe den Beitrag endlich in Ruhe bis zu Ende gelesen und finde, er ist absolut on point. Er hat genau das Intro verdient! Wer bis zum Ende liest, versteht das. Leider gibt es immer wieder Konsumenten einschlägiger Publikumsmedien und Social-Media-Kanäle, die nur die Headlines lesen und dann Hate und Fake verbreiten. Die haben diese Ansage absolut verdient.

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  3. Hervorragend kommentiert und mit Fakten belegt! – Nur wird die Spezies der „Besserwisser“ nicht aussterben und sich weiterhin mit ihren gefährlichen und unsinnigen „fachlichen Halbwissen“ austoben, denn sie haben ja sonst nichts zu sagen.

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  4. „…denn bei der Konzeption dieser Schiffsklassen vor 15, 20 und sogar 25 Jahren hatte man die Abwehr von Huthi-Drohnen und von ballistischen Anti-Schiff-Raketen noch nicht im Lastenheft.“… heißt es in dem ansonsten angenehm unaufgeregten und zutreffenden Artikel. Aber in genau diesem Punkt darf nicht vergessen werden, dass die Deutsche Marine aus vmtl notorischen Sparzwängen u./o. politischen Rücksichten heraus den Niederländern nicht gefolgt ist, als deren Marine die der F124 artverwandte De Zeven Provinciën-Klasse zur BMD-Fähigkeit hochrüstete. MF-Autor Andreas Uhl hatte seinerzeit darüber sehr kompetent berichtet. Verschüttete Milch, ich weiß – aber so gerüstet wäre man in der Lage gewesen, FGS HAMBURG, statt das Schiff
    mit vmtl Scheinaufgaben im östlichen Mittelmeer zu „parken“, dem IndoPazifik-Verband entgegen zu schicken und es die Aufgabe wahrnehmen zu lassen, auf die es spezialisiert ist: Verbandsschutz

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  5. Genau so ist es richtig wer sich in Gefahr begibt kommt darin um.
    Und überhaupt wird viel zu viel an die Öffentlichkeit weiter gegeben.
    Alle Despoten dieser Welt lachen über uns.
    Es muss viel mehr geheim bleiben, auch um unser Soldaten und die unserer Verbündeten zu schützen.

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  6. Da macht sich bemerkbar, dass Deutschland keine Zerstörer mehr hat sondern nur noch Fregatten die nur für bestimmte Zenarien ausgerüstet sind ( U-Jagd, Flugabwehr etc). Es wahr also richtig, dass man das Rote Meer meidet und einen sicheren Heimweg bevorzugt hat.
    Ich selbst bin auf Zerstören der Kl. 103/103B zur See gefahren und wir hatten für jegliche Bedrohung die passenden Sensoren und Effektore.

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  7. Die EGV’s sollten ursprünglich zum Selbstschutz mit RAM-Startern am Bug und Heck ausgerüstet werden. Dafür hat die Politik nie das nötige Geld zur Verfügung gestellt. Ähnlich war es bei den neuen Fregatten, bei denen aus Kostengründen nur die RAM-Starter verbaut wurden und keine weiterreichen Flugabwehr. Das sind alles haarsträubende Fehlentscheidungen unserer Politik. Die jetzige Entscheidung ist nachzuvollziehen, aber peinlich für unser Land ist es trotzdem

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  8. Sehr guter Beitrag. Volle Zustimmung. Von mir aber zwei Anmerkungen. Erstens: Europa ist gut beraten, seine Marinen für Einsätze zum Schutz der europäischen Approaches zu verstärken und die Waffenplattformen breiter aufzustellen. Zweitens: Niemand scheint auf den Gedanken zu kommen, auf die Gefahren im Roten Meer mit einem ad hoc Programm zu reagieren. Z.B. einige ältere schwimmende Einheiten nicht auszumustern, sondern mit einer aufgabengerechten Bewaffnung nachzurüsten und ins Rote Meer zu verlegen. Ein gemischter Verband aus „neuen“ und „nachgerüsteten“ Einheiten.

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  9. An dem Kommentar ist so gut wie alles falsch… wenn ein Flottenverband der deutschen Marine sich nicht gegen eine Bande von iranischen Proxy , in einem Teil des Jemen , den sie brutal beherrschen im Style der Mullah islamisten in Teheran, den Houthi Terroristen, schützen kann hatte er im Indio Pazifik welche Rolle?
    Bei einem zu erwartenden Gegner wie China , Schutz der Seewege in Asien , gemeinsam und zu Gast bei Japan Taiwan Südkorea Philippinen Australien, sollte er die Inkompetenz Europas unseren Verbündeten in Asien vor Augen führen?
    Das der Minister das Risiko vermeiden wollte und auch die Seeleute auf den Schiffen froh waren sicher heim zu fahren, keine Frage.
    Doch billiger Ruhm in Asien , weil dort wird schon nichts passieren, aber echte Angriffe auf unsere wirtschaftlichen Lebensadern, die Seewege dorthin nicht mit sichern zu können?
    Da liegt der Denkfehler beim Schreiber , bei allem Verständnis, nicht eine eh unbedeutende Marine hat sich selbst weiter gedemütigt, Deutschland wurde durch seine Marine gedemütigt, in Asien und im Roten Meer.
    Liegen die Kompetenzen so spezialisiert wie beschrieben, was ja durchaus sein kann, danke cdu / csu / FDP , sollte sie das tiefe Wasser solange meiden, bis funktionierende Schiffe vorhanden oder recht kompetente Deutsche u Boote die Arbeit erledigen, auch wenn die nicht so pompös in den Häfen zur Parade taugen , mit schmucker weißer Uniform und flatternden Wimpeln, effizienter und deutscher als diese Aktion.

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  10. Alles richtig. Aber bitte auch einmal politisch denken: Wenn man im Indo-Pazifischen Raum Flagge zeigen will, dann fällt es unglaublich negativ auf, wenn man sie (und auch den Schwanz) dort einzieht, wohin der Blick der Öffentlichkeit gerichtet ist. Merke: Gerade „Fachkreise“ neigen dazu, Dinge mit begrenztem Horizont zu betrachten. Früher nannte man das Betriebsblindheit.

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  11. Der Eindruck, daß die Marine einer der größten Industrienationen der Welt vor einem Haufen wildgewordener Piraten ausweicht, ist natürlich verheerend. Ich kann aber verstehen, daß man knappe Ressourcen nicht für so ein Scharmützel riskieren will.
    Um so mehr wird dadurch deutlich, wie sehr sich der Westen in den letzten Jahren in militärischer Hinsicht entblößt hat. Hier werden in Zukunft 2% des BIP nicht ausreichen.

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  12. Im Grundsaz sehe ich die Entscheidung als richtig an, da sie der Vermeidung eines vermeidbaren Risikos geschuldet ist. Gleichwohl hält es dem Westen den Spiegel vor wo die Stellschrauben in den maritimen Fähigkeiten sind, gerade im Bezug auf die 125er. Man arbeitet ja dran mit Iris TSLM. Einem Gegner klein bei zu geben ist politisch anders zu bewerten. Solange man daraus die richtigen Schlüsse zieht ist das alles so in Ordnung. Fazit: Es ist nicht feige, zeigt aber eine Fähigkeitslücke die es zu schließen gilt. Auch für dieses Schiff.

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  13. Sehr gut, auf den Punkt und herrlich launig geschrieben! Chapeau, alles richtig!

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