Helsing SG-1 Lura-1. Grafik: Helsing.

Autonomer Unterwassergleiter Helsing SG-1 Fathom. Grafik: Helsing.

KI gegen leise Bedrohung unter Wasser – Gleiter von Helsing

Neuer Unterwasser-Gleiter von Helsing

Am 13. Mai 2025 präsentierte Helsing, ein junger Münchener Software-Entwickler, auf parallelen Veranstaltungen in Portsmouth und in Hamburg sein Unterwasseraufklärungssystem SG-1 Fathom und die KI-Plattform Lura. Die Veranstaltungen, eine im traditionsreichen Stützpunkt der Royal Navy, die andere in der frisch eröffneten maritimen Repräsentanz des Verteidigungstechnologieunternehmens in der deutschen Hansestadt, setzen ein deutliches Signal: Angesichts wachsender Bedrohungen gegen kritische Infrastruktur unter Wasser – etwa Pipelines, Glasfaserkabel oder Offshore-Plattformen – nimmt der Bedarf an lang anhaltender, vernetzter und autonomer Unterwasserüberwachung spürbar zu. Dabei wird digitale Spitzentechnologie zu einer zentralen Komponente moderner Seeraumüberwachung. Und Helsing reagiert darauf mit einem Systemansatz, der sich von klassischen Konzepten bewusst absetzt – durch Dezentralität, Skalierbarkeit und integrierte künstliche Intelligenz.

SG-1 Fathom beim Transport ins Einsatzgebiet. Foto: Helsing

SG-1 Fathom und Lura: Skalierbare Sensorik der nächsten Generation

Das neue System beruht auf zwei Komponenten. Der SG-1 Fathom ist ein autonomer Unterwassergleiter, der dank einer Lithium-Ionen-Batterie über eine Einsatzdauer von bis zu drei Monaten verfügt. Mit einer Länge von 195 cm, einem Durchmesser von 28 cm und einem Gewicht von rund 60 kg ist er kompakt, modular und für Fertigung in hohen STückzahlen konzipiert. Der Glider kann sich mit 1–2 Knoten durch die Wassersäule bewegen, oder auf dem Meeresboden verharren. Seine maximale Geschwindigkeit wird mit 4-5 Knoten angegeben. Er operiert lautlos, ist schwer detektierbar. SG-1 Fathom eignet sich sowohl für Einzel- als auch Schwarmoperationen.

Modell SG-1 Fathom bei Helsing in Hamburg. Foto: hum

Modell SG-1 Fathom bei Helsing in Hamburg. Foto: hum

Die onboard-KI Lura verarbeitet akustische Signaturen direkt im Glider (Edge AI). Die Software verarbeitet akustische Signale in Echtzeit direkt im Sensorträger – unabhängig von kritischen Bandbreiten auf Übertragungswegen und externer Analyse. Da die Signale nahezu verlustfrei analysiert werden können, erkennt sie zehnmal leisere Signale als vergleichbare Systeme und klassifiziert Schallquellen bis zu 40-mal schneller als menschliche Bediener. Die Analyse basiert auf einem Large Acoustic Model (LAM), das auf Jahrzehnten akustischer Trainingsdaten beruht und kontinuierlich mit neuen Bedrohungsparametern aktualisiert wird. Lura soll nicht nur zwischen einzelnen Schiffen unterscheiden, sondern selbst subtile Musterabweichungen erkennen können, und mit jedem Einsatz dazu lernen.

Ein einziger Operator kann Dutzende bis hunderte Glider gleichzeitig steuern. Dadurch entsteht ein vernetztes, beliebig erweiterbares Sensorensystem – gewissermaßen eine „Satellitenkonstellation unter Wasser“. Die Produktion des Systems erfolgt in Helsing-eigenen sogenannten „Resilience Factories“ mit Partnern wie QinetiQ, Ocean Infinity und Blue Ocean Marine Tech Systems.

Blick in die Welt: Wer entwickelt ähnliche Glider-Systeme?

International werden ähnliche oder verwandte Konzepte verfolgt. Australien etwa arbeitet mit Anduril Industries am Projekt Ghost Shark – einem XL-AUV für tiefseetaugliche Operationen mit großer Reichweite und Modularität, allerdings ohne die Möglichkeit der bordinternen Analyse oder der Vernetzung im Schwarm. Der operative Einsatzfähigkeit wird noch 2025 erwartet.

Das zivile IMOS-Netzwerk in Australien nutzt bereits heute Glider für ozeanografische Langzeitmessungen – mit wertvollen Rückschlüssen auf Energiebedarf und Dauerverfügbarkeit. Der Wave Glider von Liquid Robotics ist als Hybridplattform etabliert – angetrieben durch Wellenenergie und in der Lage, sowohl an der Oberfläche, als auch unter Wasser zu operieren.

In den USA sind Plattformen wie die Liberdade-Klasse im Einsatz, während Liquid Robotics mit dem Wave Glider ein hybrides Oberflächen-/Unterwassersystem anbietet. Auch in Europa laufen relevante Entwicklungen: etwa der SeaExplorer, ein bis zu 5.000 m tiefentauglicher Glider, und das EU-Projekt GROOM (Gliders for Research, Ocean Observation and Management), das die Grundlage für eine europäische Glider-Infrastruktur schaffen soll. China wiederum verfolgt mit der Sea Soar-Serie verschiedene Konzepte für Küstenüberwachung und Tiefseeoperationen. Auch andere Staaten verfolgen ähnliche oder verwandte Konzepte.

Die internationale Entwicklung verdeutlicht, dass autonome Unterwasserplattformen strategisch an Bedeutung gewinnen. Die Unterschiede liegen vor allem in Nutzlast, Tiefe, Schwarmfähigkeit und KI-Nutzung.

Distributed Acoustic Sensing (DAS): der Glasfaserhorchposten

Ein gänzlich anderen Ansatz verfolgt das Distributed Acoustic Sensing (DAS). Hierbei werden bestehende Glasfaserkabel am Meeresboden als lineare akustische Sensoren genutzt. Durch die Analyse von Rückstreuungen kohärenter Lichtimpulse auf den Kabeln (sogenannte Rayleigh-Streuung) lassen sich Vibrationen und Geräusche entlang der Kabel orten. Auf der UDT 2025 (Underwater Defense Technology, Ende März in Rostock) präsentierte Dr. Bernd Drapp von der Böblinger AP Sensing die Versuchsergebnisse einer Feldstudie, bei der ein DAS-System erfolgreich akustische Signale verschiedener Schiffstypen in 10 Kilometer Entfernung erkennen und optisch darstellen konnte. Besonders hervorzuheben ist, dass sich sowohl die zeitliche als auch die räumliche Verteilung der Geräuschquellen präzise abbilden ließ.

DAS kann also konventionelle Glasfaserkabel in kilometerlange Mikrofonarrays verwandeln und macht damit vorhandene Infrastruktur zu Sensoren. Ein Manko: Es ist direkt gebunden an vorhandene Kabel und kann vorerst keine klassifizierende Analyse vornehmen. Hier könnte wiederum Lura als KI-Auswertungssystem sinnvoll eingebunden werden – auch unabhängig vom SG-1-Glider. Die Kombination aus DAS-Detektion und Lura-Analyse liefert ein hybrides, Frühwarnsystem – leise, kontinuierlich und nahezu immun gegen Detektion.

Autonome Sensorik unter Wasser: Der etwas andere Ansatz von Anduril und Ultra

Einen anderen Weg bei der Überwachung maritimer Räume mit einer permanenten Präsenz ohne klassische Plattformen verfolgen Anduril Industries und Ultra Maritime. Sie gingen im April 2025 eine Partnerschaft zur Entwicklung eines verteilten, KI-gestützten Unterwassersensorsystems ein. Herzstück ist die Kombination aus Sea Spear-Sonararrays, dem autonomen Träger Dive XL und dem modularen Seabed Sentry, das auf dem Meeresboden ausgebracht wird. Die Systeme sollen große Seegebiete autonom überwachen und U-Boote in Echtzeit erkennen – kosteneffizient, skalierbar und schnell einsatzbereit. Erste umfassende Tests sind für 2025 geplant.

Fazit: Vernetzung statt Entweder – Oder

Helsing liefert mit SG-1 und Lura ein erweiterbares, autonomes Sensorsystem hoher Reaktionsfähigkeit und Detektionsgenauigkeit. Die Integration künstlicher Intelligenz auf Glider-Ebene eröffnet neue taktische Optionen – insbesondere in Randmeeren wie der Ostsee oder dem Südchinesischen Meer.

DAS-Systeme als stationäre Sensornetzwerke andererseits können dort Effizienz entwickeln, wo Infrastruktur bereits existiert und passive, kontinuierliche Überwachung erforderlich ist. Die Technologie-Konzepte von Anduril/Ultra und Helsing sollten nicht als Konkurrenten, sondern als sich ergänzende Elemente einer modernen Unterwasser-Lagebilderstellung verstanden werden.

Europa täte gut daran, den parallelen Ausbau dieser Ansätze zu prüfen. Entscheidend wird künftig sein, KI-Architekturen wie Lura als datenverarbeitende Knotenpunkte eines sensorgestützten Unterwassernetzes zu nutzen. Die maritime Domäne des 21. Jahrhunderts wird nicht nur durch schwimmende oder tauchende Plattformen und ihre Sensoren geprägt – sondern zunehmend durch Algorithmen und vernetzte Intelligenz. Helsing hat mit seinem Launch an zwei Küsten eine Vorlage geliefert.

hum

Helsing SG-1 Fathom im Einsatz. Grafik: Helsing

Helsing SG-1 Fathom im Einsatz. Grafik: Helsing

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