Werftmitarbeiter Andre Loth und Heiko Schulz mit der Gedenkmünze. Foto: HSC

Werftmitarbeiter Andre Loth und Heiko Schulz mit der Gedenkmünze. Foto: HSC

Kiellegung des ersten Flottendienstbootes der Klasse 424

Das erste Schiff der neuen Generation von Aufklärungseinheiten entsteht auf der Peene-Werft in Wolgast

Es ist kein Kampfschiff, es ist auch nicht für ein Seegefecht erdacht und es ist schon gar kein "Spionageschiff". Es ist eines von drei geplanten Aufklärungseinheiten, die der Oste-Klasse folgen sollen. Die Zeremonie fand unter strengen Sicherheitsauflagen statt – und das nicht nur wegen der aktuellen Sicherheitslage. Diese Schiffe sind außergewöhnlich, und das begründet auch das Interesse an ihnen.

Die Zeremonie erfolgte im Beisein von Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig, dem stellvertretenden Generalinspekteur, Generalleutnant Andreas Hoppe, sowie dem Inspekteur der Marine, Vizeadmiral Jan Christian Kaack, und dem Inspekteur des Cyber- und Informationsraums, Vizeadmiral Dr. Thomas Daum.

Nach dem Einmarsch der Ehrenformation begrüßte der Geschäftsführer der Peene-Werft, Herr Harald Jäkel, die Gäste. Man befinde sich in der hochmodernen neuen Dockhalle der Werft. Er bedankte sich für das in die Werft gesetzte Vertrauen und umriss den weiteren Fertigungsplan. Ministerpräsidentin Manuela Schwesig erinnerte in Ihrer Rede daran, dass man kurz nach dem Jahrestag des Überfalls auf die Ukraine sei. Auch deshalb sei es notwendig, diese Schiffe zu produzieren. Als Ministerpräsidentin sei es für sie besonders wichtig, den Standort und die Peenewerft gestärkt zu sehen. Man habe schwere Zeiten hinter sich. Es sei gut, dass Technologie und Knowhow im Lande geblieben sind. Sie dankte den Verantwortlichen, im Interesse der Wirtschaft und insbesondere im Interesse der Sicherheit des Landes.

 

Tim Wagner, CEO der NVL Gruppe, bedankte sich bei der Ministerpräsidentin und ihrer Verbundenheit. Er könne sich zudem nicht daran erinnern, derart viele hochrangige Soldaten begrüßt zu haben. „Schiffbau ist Systemintegration von gesamtdeutscher Wertschöpfung“ sagte er. Auch wenn man im Zeitplan sei, die Bedrohung gebiete es, noch besser zu werden.
Generalleutnant Hoppe, Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr, freute sich, dass er „trotz der Uniformfarbe hier sein darf“ und richtete Grüße des Verteidigungsministers aus, in dessen Vertretung er anwesend war. Er umriss die sicherheitspolitische Bedeutung und bedankte sich beim Inspekteur der Marine für das internationale Engagement, besonders während des vergangenen Indo-Pazifik-Deployments. Er erinnerte and den russischen Überfall auf die Ukraine und die daraus resultierende Zeitenwende. Er sagte, dass auch die Rede des amerikanischen Vizepräsidenten wohl eine weitere Zeitenwende ausgelöst habe.

Mit seinem üblichen „Moin“ begrüßte der Inspekteur der Marine, Vizeadmiral Jan C. Kaack, die Gäste. „Was für ein Tag“ rief er aus und freute sich über den bedeutenden Schritt zur Modernisierung der Deutschen Marine. Er erinnerte erneut daran, wie sehr die Sicherheitslage in der Ostsee gefährdet sei, in dem er die kürzlichen Beschädigungen und Ankerverluste erwähnte. In diesem Szenario sei die Beschaffung der FD-Boote ein weiterer Schritt zur Modernisierung der Marine in einem zukünftigen Umfeld. „Wir brauchen die Aufklärung!“ sagte er und erinnerte daran, dass die derzeitigen FD-Boote bereits über 40 Jahre in der Marine Dienst leisten. Erneuerung „tut Not“. Er lobte die Peene-Werft für ihre „vernünftigen und klasse Produkte“. Die kommenden Monate würden noch so manche Herausforderung erbringen, aber er zeigte sich vom Gelingen überzeugt. „Die Kiellegung ist mehr als ein symbolischer Akt, sie ist wichtig für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland.“ schloss er seine Rede.

Vizeadmiral Dr. Thomas Daum eröffnete seine Begrüßung mit dem Zitat „wenn Du den Frieden willst, bereite den Krieg vor“. Das FD-Boot sei ein bedeutendes Seekriegsmittel, ein strategisches Aufklärungssystem, um den militärischen Bedrohungen begegnen zu können. Er bezeichne die FD-Boote gern als sein „Hauptwaffensystem“. Die alten Boote waren „Kinder des Kalten Krieges“, somit vorrangig in der Ostsee eingesetzt, erinnerte er. Um beim Neubau anzukommen, war es ein langer Weg mit viel Überzeugungsarbeit ob der Größe und der Kosten, besonders im Verteidigungsausschuss. Und er freute sich, zukünftig seinen Kernauftrag „topmodern über und unter Wasser“ erfüllen zu können. Er formulierte auch seinen Anspruch an die Industrie, zuverlässige Systeme abzuliefern, und zwar im Zeit-, Kosten- und Leistungsrahmen. Mit dem Eingangszitat „si vis pacem para bellum“ endete er und ergänzte, „wir wollen keinen Krieg“, aber wir werden uns, wenn nötig, deutlich wehren.
Im Anschluss an die Reden erfolgte die traditionelle Kiellegungs-Zeremonie. Zunächst wurden von den prominenten Ehrengästen die Nägel in die Platten mit der Tafel und der Gedenkmünze der namensgebenden Stadt der "Oker", Goslar, eingeschlagen. Anschließend wurden die Schiffbauer der Werft tätig und schlugen die Tafel in den Kiel der Sektion ein. Alle Ehrengäste erhielten zur Erinnerung eine kleine Gedenktafel.

Die hier aufgebaute Sektion ist 57,7 Meter lang, 20 Meter breit und bereits 850 Tonnen schwer. Fertiggestellt wird die Sektion im Oktober 2025 dann nach Berne verlegt, dort mit der gefertigten Hintersektion „verheiratet“ und zum Abschluss der Arbeiten nach Hamburg verbracht. In Hamburg wird dann das fertig ausgerüstete Schiff für die Übergabe an den Kunden vorbereitet. Die Belegschaft der Schiffbauer hat dem Schiff bereits einen Spitznamen gegeben, um Werftjargon heißt die Sektion bereits „FloDiBo“.

Planungsgeschichte

Bereits im Juni 2021 wurde der Vertrag über die Beschaffung von drei Flottendienstbooten der Klasse 424 mit einer Ausbildungs- und Referenzanlage Aufklärung zwischen dem BAAINBw und der NVL B.V. & Co. KG, damals noch Fr. Lürssen Werft GmbH & Co. KG, geschlossen. Mit der parlamentarischen Billigung vom 6. Juli 2023 ging das Vorhaben von der Entwurfs- in die Realisierungsphase über. Der Gesamtauftrag hat ein Volumen von bis zu 3,26 Milliarden Euro.

Grafik der NVL Group "FDB424 - Polarnacht" zur Darstellung der zukünftigen Flottendienstboote für die Deutsche Marine. Copyright: NVL Group

Auftrag

Flottendienstboote hat die Marine nahezu seit ihrer Gründung. Die ersten Einheiten klärten hauptsächlich in der Ostsee die Flotten des Warschauer Paktes auf. Die aktuelle ist die dritte Generation von Flottendienstbooten der Marine und die zweite, die die Namen Alster (A 50), Oker (A 53) und Oste (A 52) trägt. Es ist davon auszugehen, dass auch die neuen Einheiten diese Namen tragen werden. Ihre Einsätze werden nicht öffentlich kommuniziert, sie operieren eher verdeckt, und was genau sie tun, davon wissen nur sicherheitsüberprüfte Personenkreise. Nicht nur beim Betrieb, auch beim Bau dieser Schiffe herrschen strenge Sicherheitsauflagen. Vor dem Hintergrund der aktuellen Sicherheitslage und der Spekulationen um Sabotage an Marineeinheiten hat dies noch einmal besondere Aufmerksamkeit erhalten.

Flottendienstboote der Deutschen Marine sind spezialisierte Einheiten zum Überwachen von See- und Küstengebieten mit elektronischen, hydro-akustischen und elektro-optischen Sensoren (Aufklärung). Die neuen Boote mit einer Länge von etwa 132 Metern und einer Verdrängung zwischen 3.500 und 4.000 Tonnen sollen die bisherigen Flottendienstboote der Klasse 423 ablösen. Die Fahrbesatzung der Boote soll bei 50 Personen liegen, die einzuschiffende Aufklärungsmannschaft ebenfalls bei ca. 50 Personen. Die Ablieferung der Klasse 424 soll im Zeitraum 2029 bis 2031 erfolgen – bereits 2027 wird der Marine die Ausbildungsanlage zur Verfügung stehen. Die Boote mit ihren spezialisierten Sensoren sind für die strategische Informationsgewinnung von zentraler Bedeutung. Dazu gehören Abhören von Funkverkehr, Erfassen elektromagnetischer Signaturen und Identifikation von Schiff und Gerät. Daher wurden diese Boote hin und wieder früher auch „Messboote“ genannt. Ihr Einsatzgebiet hat sich seit Jahren aus der Ostsee heraus auch ins Mittelmeer verlagert.

Sie stehen unter der operativem Führung der Teilstreitkraft Cyber- und Informationsraum, werden aber von der Deutschen Marine betrieben. Ihre Einsätze sind stets national geführt, man gibt diese wertvollen Fähigkeiten nie aus der Hand, noch nicht einmal NATO-Partnern. Die Ergebnisse sind aber für alle Verbündeten von großer Bedeutung. Im Kalten Krieg zum Beispiel waren die Fotos, die die „Messboote“ von Einheiten des Warschauer Paktes sogar in 3-D geschossen hatten, eine beliebte „Handelsware“ unter den Alliierten. Diese Schiffe bieten mehr als ein militärisches Lagebild zum Beispiel in der Ostsee, sie liefern eventuell auch eine wesentliche Entscheidungsgrundlage für Gremien der Bundesregierung – natürlich hinter abhörsicheren Türen.

24. Feb. 2025 | 0 Kommentare

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