Wie weiter mit Russlands Marineeinheiten in Syrien: Abwarten, Evakuieren oder Durchhalten. Unterstützung durch Landungsschiff?
Michael Nitz und Hans Uwe Mergener
Mitten in der Ungewissheit über die Absichten russischer Marineeinheiten im östlichen Mittelmeer macht eine Schiffsbewegung in der Ostsee und ihren Zugängen aufmerksam. Gegen 14.00 Uhr des 10. Dezember 2024 passierte das Landungsschiff der Ropucha Klasse „Aleksandr Shabalin“, Hullnummer 110, mit Nordkurs die Brücke über den Großen Belt. Zurzeit bleiben die anhängigen Fragen offen: Ist sie auf dem Weg ins Mittelmeer? Mit welcher Zielsetzung – geographisch wie operativ? Angesichts seiner Historie, das Landungsschiff wurde im November 2014 zumindest temporär der russischen Mittelmeerflotte zugeordnet, könnte die „Aleksandr Shabalin“ dorthin zurückkehren.
Im Herbst 2023 wurde sie in die Ostsee zurückkehrend beobachtet, um, russischen Quellen zufolge, sich für einen Wartungsaufenthalt nach Kronstadt zu begeben. Im Sommer nahm sie den Ausbildungsbetrieb auf. TASS berichtete am 7. und 13. August 2024 über Artillerie- und Landungsübungen des Schiffes. Im September war die „Aleksandr Shabalin“ Teilnehmerin am mehrwöchigen Großmanöver Okean 2024.
Die Situation der russischen Marine in und um Syrien bleibt weiterhin unklar und komplex. Trotz der offiziellen Berichte über eine teilweise Evakuierung der Marinebasis in Tartus deuten die Auswertungen von Experten in der Datenanalyse öffentlich zugänglicher Informationen auf Internetplattformen und aktueller Satellitenbilder darauf hin, dass mehrere russische Schiffe weiterhin in der Region präsent sind. Und zwar liegen sie nordwestlich von Tartus vor Anker. Vier Schiffe konnten auf den kommerziellen Satellitenbildern ausgemacht werden: die Lenkwaffenfregatte der Admiral Gorshkov Klasse „Admiral Golovko“, eine weitere Lenkwaffenfregatte „Admiral Grigorovich“, Typschiff der gleichnamigen Klasse, ein U-Boot der modifizierten Kilo Klasse „Novorossiysk“ und einen Tanker, mutmaßlich die „Vyazma“, ein Hilfsschiff der Kaliningradneft Klasse. Die bis zu den jüngsten Ereignissen ebenfalls in Tartus stationierte Fregatte „Admiral Gorschkov“ und das Hilfsschiff der Altay Klasse „Yelnya“ konnten nicht ausgemacht werden. Beobachter gehen davon aus, dass die beiden das Mittelmeer verlassen könnten und in ihre Nordflotten-Heimat zurückkehren.
Die Fregatten der Klassen „Admiral Gorschkov“ und „Admiral Grigorovich“ gehören zu den modernsten Überwasserschiffen der russischen Flotte. Beide sind in der Lage, die Langstrecken-Landangriffsrakete Kalibr und die hyperschallschnelle Antischiffsrakete Zirkon einzusetzen.
Bedeutung einer Militärbasis im Mittelmeer für Moskau
Weiterhin ist laut dem Analysten A. Masiello feststellbar, dass ausweislich kommerzieller Satellitenbilder vom 10. Dezember die russische Marinebasis in Tartus nicht vollständig leer ist. Drei russische Schiffe, darunter eine Einheit aus dem Projekt 21980 oder Grachonok-Klasse und zwei Projekt 03160 Raptor-Klasse Hochgeschwindigkeits-Küstenpatrouillenboote, sollen sich weiterhin dort aufhalten. Masiello folgert, dass der Marinestützpunkt Tartus auch im Falle einer Evakuierung in russischer Hand bliebe.
Allgemein sind sich die Analysten einig, dass die Marinebasis in Tartus für Russland von strategischer Bedeutung bleibt. Sie ist bisher der einzige Flottenstützpunkt außerhalb des russischen Festlandes. Wie von dem Militärflugplatz Hmeimim aus, konnte Moskau von hier seine Kräfte ins Mittelmeer projizieren und seine geopolitischen Interessen in der Region wahren.
Experten wie der österreichische Militärhistoriker Oberst Markus Reisner und der britische Politologe Mark Galeotti betonen die strategische Wichtigkeit der russischen Stützpunkte in Syrien. Sie glauben, dass Russland versuchen wird, Vereinbarungen mit den neuen Machthabern in Syrien zu treffen, um seine militärische Präsenz in der Region zu sichern.
Sollten die Versuche, sich mit dem neuen syrischen Regime zu arrangieren, scheitern, so wird Moskau bestrebt sein, andere Wege zu finden, um seine militärische Präsenz in der Region zu sichern und zu erweitern. Ein Stützpunkt im Mittelmeer sichert Russland nicht nur Zugang zu Ressourcen, sondern auch eine Einflussposition in Nordafrika und darüber hinaus.
Was das Landungsschiff „Aleksandr Shabalin“ betrifft, so könnte ihm, ein Befahren des Mittelmeers vorausgesetzt, beim Bemühen um die Sicherung eines ‚footprints‘ eine Rolle zukommen. Neben seiner möglichen logistischen Unterstützung für die verbleibenden Schiffe ist auch die Umladung bzw. der Transport von Material in einen anderen Hafen denkbar. Internationale Experten verweisen im Zusammenhang mit der russischen Stützpunktfrage im Mittelmeerraum gerne auf Libyen und Algerien. Mit Algiers pflegt Moskau traditionell freundschaftliche Beziehungen. In den vergangenen Jahren hat Russland seine militärische Präsenz und seinen Einfluss in Libyen ausgebaut. Moskau unterstützt hauptsächlich General Chalifa Haftar und dessen Libysche Nationalarmee (LNA), die im Osten des Landes operiert.
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