"Maritimes Zusammenspiel" zwischen China und Russland
Kriegs- und Hilfsschiffe der Marinen der Russischen Föderation und der Volksrepublik China (VR China) üben vom 21. bis zum 27. Dezember 2022 gemeinsam im Ostchinesischen Meer. Eigentlich seit August 2005 nichts Besonderes. Seit 2012 üben die Seestreitkräfte beider Staaten jährlich im Rahmen der Manöverserie „Морское взаимодействие“, übersetzt so viel wie "Maritimes Zusammenspiel" oder "Maritime Interaktion". Der chinesische Titel klingt moderner: "Joint Sea".
Die russischen Übungsteilnehmer sind seit dem 19. Dezember unterwegs. Zu ihnen gehören das Flaggschiff der Pazifikflotte, der Lenkwaffenkreuzer „Varyag“ der Slava-Klasse, die Fregatte „Marschall Shaposhnikov“ der Udaloy-Klasse, die Korvetten „Sovershennyy“ und „Held der Russischen Föderation Aldar Tsydenzhapov“ der Steregushchiy-Klasse (Projekt 20380/20381).
Die an "Joint Sea 22" teilnehmenden Einheiten der chinesischen Seestreitkräfte gehören nach Berichten der South China Morning Post den PLA-Kommandos Ost und Nord an (People Liberation Army, Volksbefreiungsarmee). Die Zerstörer „Baotou“ (Neubau) und „Jinan“ der Luyang-II/III-Klasse (Type 052C und 052D), die Fregatten „Binzhou“ und „Yancheng“ der Jiangkai-II-Klasse (Type 054A), sowie der Flottenversorger „Gaoyou Hu“ der Fuchi-Klasse (Type 903A) verließen ihren Stützpunkt Zhoushan/Ningbo (50 Kilometer südlich Shanghai) am 20. Dezember. Zusätzlich wurde neben der Teilnahme von Flugzeugen und Hubschraubern auch ein ungenanntes U-Boot ankündigt.
Seit dem 16. Dezember 2022 befindet sich bereits eine chinesische Trägerkampfgruppe von sechs Einheiten in der Philippinensee. Der Träger „Liaoning“ operierte am 20. Dezember etwa 300 Seemeilen südlich der japanischen Hauptinsel. Zu seiner Begleitung gehören die beiden Neubau-Zerstörer „Anshan“ und „Wuxi“ der Renhai-Klasse (Type 055, Baunummern 3 und 4), der Lujang-III-Zerstörer „Chengdu“ (Typ 052D), die Fregatte „Zhaozhuang“ der Jiangkai-II-Klasse (Type 054A) und der Schnelle Trägergruppen-Versorger „Hulun Hu“ (Type 901).
Nach Angaben der japanischen Streitkräfteführung hatten zuvor bereits der Zerstörer „Lhasa“ der Renhai-Klasse (Type 055, Baunummer 2), der Zerstörer „Kaifeng“ der Luyang-III-Klasse (Type 052D) und der Flottenversorger „Tai Hu“ der Fuchi-Klasse (Typ 903A) durch die Straße von Osumi (südlich der Insel Kyushu) in den Westpazifik verlegt, während der "Altbau"-Zerstörer „Taizhou“ der russischen Sovremenny-Klasse (Kiellegung 2002) seinen Transit durch die Miyako-Straße (südlich der Insel Okinawa) machte. Tags zuvor wurde ein großes Aufklärungsschiff der Shupang-Klasse (Type 636A/B) in der Osumi-Straße westgehend (entgegenkommend) innerhalb japanischer Territorialgewässer beobachtet. Am gleichen Tag machten sich zwei chinesische strategische Bomber H-6 (TU-16 "Badger") aus dem Gelben Meer kommend auf den Weg in das Seegebiet des weit südöstlich uns einsam liegenden, japanischen Inselchens Oki-Daito und zurück.
Demonstration maritimer Stärke?
Die chinesisch-russischen Bewegungen bestätigen die seit einiger Zeit zu beobachtenden Trends wachsenden maritimen Selbstbewusstseins. Da sind zum einen die zunehmenden militärischen Beziehungen beider Länder. Gemeinsame Marineübungen zwischen China und Russland sind inzwischen Routine. Auch außerhalb des Manövers „Морское взаимодействие“/Joint Sea kommt es zu gemeinsamen Aktionen, die auch durchaus provokative Züge haben.
Erst im Juni 2022 umrundete zunächst eine russische Gruppe bestehend aus sieben Überwasser-Einheiten Japan im Uhrzeigersinn. Eine fünf Einheiten starke chinesische Einsatzgruppe folgte zirka eine Woche später.
Ein Flugzeugträger-Verband mit der „Liaoning“ führte im Mai 2022 ähnliche Übungen in der jetzt beübten Region durch. In ihrer Eskorte waren damals sieben Schiffe, darunter die auch diesmal begleitenden „Chengdu“ und „Hulun Hu“. An den etwa zwanzig Übungstagen wurden über 300 Flugzeugeinsätze verzeichnet.
Bereits im Oktober 2021 nutzte eine gemeinsame Zehnergruppe (je fünf Überwasserschiffe beider Nationen) sowohl die Tsugaru-Straße im Norden als auch die Osumi-Straße im Süden Japans zur Umrundung des japanischen Archipels. Beide Meerengen gelten als internationale Gewässer. Die damalige Passage der Tsugaru-Straße wurde von japanischer Seite als Premiere notiert.
Zum Vergleich: Im April 1998 kam die "USS Nimitz" innerhalb von sechs Tagen auf etwa 700 sorties. Während Operation Enduring Freedom waren 90 sorties täglich Standard. Die US Navy kalkuliert mit 120 Sorties pro Tag für einen Träger der Nimitz-Klasse.
Einschätzung
Letztendlich verursacht die Gleichzeitigkeit des Auftretens der Trägergruppe um die „Liaoning“ und das chinesisch-russische Marinemanöver Stirnrunzeln.
Die Marine der Volksrepublik China hat sich sowohl in Bezug auf die Anzahl und Modernität ihrer Kriegsschiffe als auch in den für Seekriegführung abzubildenden Fähigkeiten entwickelt. Das jetzige Auftreten zeigt, dass sie in der Lage ist, mehrere Verbände auch über den unmittelbaren Einflussbereich hinaus zu führen. In wie weit dies Rückschlüsse auf ihre Gefechtsfähigkeit zulässt, sei dahingestellt, dazu ist zu wenig über Ausbildung und materielle Qualität bekannt. Andererseits ist sie befähigt, über große Distanzen auf Gegner einzuwirken und ihre Waffen zur Wirkung zu bringen. Dass drei Zerstörer vom Typ 055 mit dem Träger gemeinsam operieren, ist bemerkenswert. Diese Einheiten eröffnen mit ihren modernen Führungs- und Waffeneinsatzsystemen neue Möglichkeiten im Beüben der Verbandsflugabwehr und der Beherrschung des weiträumigen Luftraumes.
Sensible Weltregion
Dies alles fällt in eine Zeit, in der Peking mehr als Moskau die Indo-Pazifik-Strategie Washingtons beargwöhnt. Die Trägergruppe um die „USS Nimitz“ löst gerade „USS Ronald Reagan“ ab und beginnt ihren Routineeinsatz im Westpazifik. Eine amphibische Gruppe der US Navy um die „USS Makin Island“ (LHD 8) übte mit der indonesischen Marine im Rahmen der Übung "Indonesia 2022" im Westpazifik.
Gleichzeitig wurde die neue japanische Sicherheitsstrategie veröffentlicht. Japan rückt vom Prinzip der reinen Selbstverteidigung ab und erhöht den Verteidigungshaushalt beträchtlich. Ohnehin ist die strategisch wichtige Region in der Philippinensee südlich von Japan und östlich der Insel Taiwan anfällig für Animositäten. Das im vergangenen Monat zwischen den USA, Großbritannien und Australien geschlossene U-Boot-Atomabkommen wurde von manchem Anrainer mit Zurückhaltung und Kritik aufgenommen.
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