Hans Uwe Mergener, Foto: privat

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Nicht das Geld selbst zählt, wichtig ist sein richtiger Gebrauch

Nun regnet es also Geld. Die jüngsten Haushaltsentscheidungen im Deutschen Bundestag eröffnen den Streitkräften, in unserem Fall der Marine, eine einmalige Chance, ihre Einsatzfähigkeit zügig zu verbessern. Doch statt diesen Segen unkritisch in die Kasse der Industrie zu spülen, müssen die zusätzlichen Mittel klug und zielgerichtet eingesetzt werden. Bis 2029 soll die Marine ihre Einsatzfähigkeit deutlich verbessern. Die Realität zeigt: Viele unserer Seekriegsmittel entsprechen nicht den Anforderungen und erfordern dringende Modernisierungen. Es gilt, möglichst schnell Maßnahmen zu ergreifen, die unmittelbar Wirkung erzielen.

In seinem Commander’s Intent für 2025 macht der Inspekteur deutlich, dass die Modernisierung der Marine nicht in langwierigen Zukunftsprojekten erstarren darf. Es wäre absurd, das Rad neu zu erfinden oder in Konzepte zu investieren, die niemand braucht. Könnte unsere überschaubare Marine auf erprobte Modelle setzen? Bei anderen Marinen erfolgreiche Ausrüstungs-, Ausbildungs- und Einsatzkonzepte bieten ein Make-it-happen-Erlebnis, das den technischen Rückstand rasch überbrücken und kurzfristig operative Lücken schließen könnte. Wobei hier angemerkt sein muss: nicht alles ist oder läuft schlecht in unserer Marine! OPEX (Operational Experimentation) stellt eine erfreuliche Entwicklung dar, Innovationen zügig zu evaluieren und in die Nutzung zu bringen.

Neben dem Geld scheint ebenso wichtig, den Blick für institutionelle Reformen zu schärfen. Es gilt, nicht nur operative Lücken zu schließen, sondern auch strukturelle Defizite an der Wurzel zu packen. Deutschland ist ein Sanierungsfall, bei dem es überzogene Strukturen abzubauen und ineffiziente Prozesse konsequent neu aufzusetzen gilt. Nur so kann der Geldregen in nachhaltige Modernisierung und operative Exzellenz umgemünzt werden. Womit künftige Generationen profitieren könnten und nicht nur eine Schuldenlast vor sich herschöben.

Konkrete Lösungsansätze aus Fachforen und offiziellen Gutachten fordern eine engere Verzahnung von Politik, Industrie und operativen Einheiten. Kann es nicht angeraten sein, die heimischen Marinesystemhäuser aufzufordern, bestehende Schiffe mit, beispielsweise, modernen Kampf-Systemen und anderen Verbesserungen (Stichwort: Multi Domain Operations) nachzurüsten? Was ist von einem Ansatz zu halten, der iterativen Aufrüstungen den Vorzug vor teuren Neubeschaffungen gibt? Denn stehen wir nicht vor einer Quadratur des Kreises, da wir die Schiffe, die wir haben, nicht aus dem Wasser nehmen können, um sie umgehend zu modernisieren – während wir andererseits nicht das Personal haben, um neue, also weitere Einheiten, zu besetzen?

Die Warnungen aus dem Ausland – etwa die chronischen Probleme bei den Streitkräften Südafrikas, die ich in meiner Dienstzeit hautnah begleiten durfte, aber auch die Diskussionen in den USA um die Rüstungsplanung der US Navy – und die wiederholten Mahnungen des Bundesrechnungshofs wegen überhöhter Kosten und ineffizienter Strukturen zeigen: Ohne Reformen erkaufen wir uns nicht nur eine erhöhte Verschuldung, sondern erhalten im Gegenzug verstärkte Ineptokratie. Vermutlich das Gegenteil von Kampfkraft.

Mir erscheint die Kraft für Reformen wichtiger als die Öffnung des Geldbeutels. Und bin nicht davon überzeugt, dass eine Quote von 3,5 Prozent der richtige Maßstab ist. Schließlich gilt es sich zu vergegenwärtigen, dass angesichts der aktuellen Projektionen das Verteidigungsbudget 2029 auf 173,485 Milliarden Euro kommen würde. Nachvollziehbar auf dem Datenportal des Bundesfinanzministeriums, Stand 25.02.2025: 2029 wird sich das nominale BIP auf 4.957,0 Milliarden Euro belaufen. Bitte nicht falsch verstehen: ich bin für eine ordentliche Finanzierung der Streitkräfte. Jedoch nicht um jeden Preis, angesichts anderer Defizite in unserem Land.

Augenmaß, Weitsicht und methodisches Kalkül können den heutigen Geldregen in nachhaltige operative Stärke ummünzen. Womit ich dieser Tage häufig das Stoßgebet eines Vorgesetzten meiner Schnellbootzeit bemühe: „Herr, lass Hirne regnen!“ Es sind kluge Köpfe und entschlossene Reformen gefragt, um den richtigen Kurs einzuschlagen.

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