Die Ukraine setzt ohne eigene Marine neue Seekriegs - Maßstäbe
Am 15. Dezember 2025 ereignete sich im stark geschützten Marinestützpunkt des russischen Schwarzmeerhafens Noworossijsk eine Unterwasserexplosion in unmittelbarer Nähe eines dort liegenden Diesel-U-Bootes vom Typ Projekt 636.3 (Warshawijanka, NATO: Improved Kilo). Der ukrainische Sicherheitsdienst SBU erklärte anschließend, erstmals ein U-Boot mithilfe einer Unterwasser-Drohne angegriffen und „kritisch beschädigt“ zu haben.
Schadenswirkung
Die russische Seite bestätigte einen Vorfall, wies jedoch Schäden an Schiffen oder Besatzungen zurück. Kommerzielle Satellitenaufnahmen zeigen allerdings nach dem Ereignis deutliche Schäden an Pier- und Hafenstrukturen. Nach Auswertungen offener Quellen lag der Detonationspunkt etwa 10 bis 20 Meter hinter dem Heck eines an der Innenpier liegenden Kilo-Bootes. Die Hecksektion eines U-Bootes gilt als besonders verwundbar, da dort Propeller, Ruderanlage und Welle mit ihren Rumpf-Durchführungen konzentriert sind. Insofern erscheint die Wahl des Treffpunktes bewusst, um mit begrenzter Sprengwirkung maximale Schadeffekte zu erzielen. Diese reichen von einer vorübergehenden Manövrierunfähigkeit (geringster Schaden) über riskante Reparaturen an der Wellenanlage in einem Dock der Schwarzmeerregion (sofern verfügbar) bis zu einem Totalverlust durch Beschädigung/Bruch am Druckkörper.
Vermutetes Waffensystem

Die Ukraine bezeichnet das eingesetzte Mittel als ein unbemanntes Unterwasserfahrzeug des Typs „Sub Sea Baby“, von dem allerdings weder technische Details (Abmessungen, Antrieb, Sensorik, Gefechtskopf) veröffentlicht wurden, noch Bildnachweise verfügbar sind. Die bisher bekannte „Sea-Baby“-Plattform wurde seit 2023 als ukrainische Überwasser-Seedrohne eingesetzt, unter anderem bei Angriffen auf die Krim-Brücke sowie gegen russische Marineziele im Hafen von Sewastopol. Hinweise auf Modifikationen für Unterwassereinsätze liegen nicht vor. Allerdings verweisen Programme wie „Toloka“ darauf, dass die Ukraine eigenständig auch torpedoähnliche Unterwasserplattformen entwickelt. Müßig zu spekulieren – die technischen Wahrheiten kommen ohnehin mit etwas Verzögerung ans Licht – aber dann zu spät für diese Nachricht.

Foto: hum
Taktik
Der Anmarsch durch den stark frequentierten Hafen erforderte präzise Navigation und gezielte Steuerung zu den U-Boot-Liegeplätzen. Zwei Kilo-Boote lagen rechts und links längs der Innenpier – diese wurden passiert – angegriffen wurde das hinten quer liegende bei günstiger Zielgeometrie im Winkel von 90 Grad – möglicherweise sogar mit verstärkter Waffenwirkung durch die Betonstruktur der Pier. Satellitenbilder vom Folgetag zeigen das mutmaßlich getroffene Boot weiterhin am ursprünglichen Liegeplatz, jedoch etwas tiefer liegend. Ein anderes Boot hat zwischenzeitlich an einen äußeren Liegeplatz der gleichen Pier verlegt.
Bestand Schwarzmeer-Flotte
Von ursprünglich sechs modernisierten Kilo-Booten (Projekt 636.3) stehen der Schwarzmeerflotte derzeit nur noch zwei oder drei Einheiten zur Verfügung. Nach dem Verlust der „Rostov-na-Donu“ (B-237, Treffer im Dock in Sewastopol) sowie der Verlegung von „Krasnodar“ (B-265) und „Novorossiysk“ (B-261) in das Mittelmeer vor Kriegsbeginn verblieben bei der Schwarzmeer-Flotte lediglich „Kolpino“ (B-271), „Veliky Nowgorod“ (B-268) und „Stary Oskol“ (B-262), sowie ein siebtes Kilo-Boot, die 15 Jahre ältere „Alrosa“ (B-871, Projekt 877V, Pumpjet). Da über den Zustand der „Stary Oskol“ nur unklare Informationen vorliegen, und „Alrosa“ noch keine Kalibr-Landziel-Flugkörper starten kann, darf der Umfang des U-Boot-Anteils dieser Flotte als "begrenzt" bezeichnet werden.

Konsequenz
Der Vorfall markiert eine weitere Stufe der asymmetrischen Seekriegsführung der Ukraine. Nach dem Rückzug aus Sewastopol galt Noworossijsk als vergleichsweise sicherer Ausweichhafen für die russischen Schwarzmeer-Flotte. Weil auch hier trotz verstärkter Sicherungsmaßnahmen kein verlässlicher Schutz gewährt werden kann, muss für Hafen- und Objektschutz weiterer Aufwand getrieben, andere Orte gewählt und mit reduzierten Fähigkeiten der U-Boot-Komponente gerechnet werden.

Fazit
Eine Nation ohne eigene Hochsee- oder Randmeermarine zwingt eine etablierte Seemacht mit Über- und Unterwasser-Einheiten in eine defensive Dislozierung. Dass ausgerechnet die Ukraine den Seekrieg im Schwarzen Meer prägt, verweist auf einen neuen Aspekt maritimer Machtprojektion: Maritime Wirkung erwächst zunehmend auch aus der Fähigkeit, in der Tiefe der Geografie beim Gegner Treffer zu platzieren – unabhängig von der jeweiligen Größe. Der Schutz von Häfen und rückwärtigen Basen wird damit zu einer zentralen Herausforderung moderner Seestreitkräfte – weit über das Schwarze Meer hinaus.
Don't put all your eggs in one basket!
Video des ukrainischen Inlandsgeheimdienstes SBU (Sluschba bespeky Ukrajiny):
Zuordnung der Schiffe im Video
Schwimmpier im Vordergrund: 3 Minenjagdboote - vermutlich 2 Alexandrit-Klasse (62 Meter, 900 Tonnen, Projekt 12700) und 1 Gorya-Klasse (68 Meter, 1.150 Tonnen, Projekt 12660), davor 2 FK-Korvetten Bykov-Klasse (94 Meter, 1.700 Tonnen, Projekt 22160).
Festpier: innen 3 U-Boote Kilo-Klasse; an der Außenseite 1 Krivak-Fregatte (123 Meter, 3.300 Tonnen, Projekt 1135/1135M). Andere Fahrzeuge sind schwer zuzuordnen.
Außenmole, Innenseite: 1 Bykov-Korvette.
Autoren: hum / ajs



