Gezeitenturbinen auf dem Meeresboden. Computergrafik: CGG

Gezeitenturbinen auf dem Meeresboden. Computergrafik: CGG

Offshore-Energie: Unterwasserturbinen

21. Feb 2024 | Headlines, News, Technologie | 0 Kommentare

Wellen- oder Gezeitenkraftwerke kündigen sich als nächster großer Technologiesprung im Bereich der erneuerbaren Energien an, die Forschungs- und Entwicklungsbemühungen dazu laufen an mehreren Fronten.

Idee

Das Konzept ist so einfach wie bewährt: „Windmühlen“, die auf dem Meeresboden oder dem Flussbett installiert werden und deren Flügel durch die Unterwasserströmungen angetrieben werden. Der Rest der Technik ist wohlbekannt; die Turbinen sind über ein Getriebe mit einem elektrischen Generator verbunden. Dieser erzeugt den Strom, der über ein Verbindungskabel an Land zum Umspannwerk geleitet wird.

Im Gegensatz zu Windmühlen ist die kinetische Energie in Gezeitengebieten verlässlich, während die Windstärke stark variieren kann, bis Windstärke Null: Windstille. Ebbe und Flut sind so vorhersehbar, dass eine bestimmte Gezeitenregion in Kilowattstunden Strom pro Turbine ausgedrückt werden kann.

Forschung USA

Konstruktion und Einsatz der meisten Unterwasserturbinen stecken allerdings noch in den Kinderschuhen, und es gibt noch viel darüber zu lernen, wie sie mit der Unterwasserumgebung interagieren.

Die Advanced Research Projects Agency-Energy (ARPA-E) des US-Energieministeriums finanziert seit November 2020 diverse Projekte mit Zuschüssen in Höhe von rund 35 Millionen Euro, um kosteneffiziente Technologien für Unterwasserturbinen zu entwickeln. Diese Projekte werden unter dem Namen SHARKS zusammengefasst (Submarine Hydrokinetic And Riverine Kilo-megawatt Systems - unterseeische hydrokinetische und flussgebundene Kilo-Megawatt-Systeme).

SHARKS-Projekte zielen darauf ab, Meerestechnologien zu Endkosten von weniger als fünf Eurocent pro Kilowattstunde erzeugen zu können. Forschungsschwerpunkt ist ein Gezeitenenergiekonverter, der von der kalifornischen Firma Aquantis entwickelt wurde. Die Turbine ist auf einer vielseitigen schwimmenden Plattform installiert, die unter allen Meeresbedingungen eine stabile Stromerzeugung ermöglicht. Ein zweiblättriger Rotor mit 10 Metern Durchmesser und variablem Anstellwinkel liefert rund 160 kW.

Diese Unterwasserturbine soll sich ideal für den Golfstrom entlang der Ostküste der USA eignen, der mehrere kreisförmige Wirbel erzeugt. Die Nähe dieser energieintensiven Wirbel zu großen Städten macht sie zu einer strategischen Energieressource.

Das ebenfalls zum US-Energieministerium gehörende National Renewable Energy Laboratory (NREL) arbeitet eng mit mehreren SHARK-Projekten zusammen. Um die Effizienz dieser Projekte zu verbessern und zu analysieren, entwickeln die NREL-Ingenieure eine Open-Source-Software, die die Entwicklung, Steuerung und Optimierung der neuen Meerestechnologien kombiniert.

Forschung Südamerika

In Südamerika entwickelt das brasilianische Start-up-Unternehmen TidalWatt nach eigenen Angaben ebenfalls eine neue Generation von Unterwasserturbinen, die speziell für die Energiegewinnung im Meer konzipiert sind. Nach Angaben des Unternehmens kann eine TidalWatt-Turbine mit drei Metern Durchmesser bei einer Strömung von 1,87 Knoten (ca. 3,5 km/h) eine Leistung von 5 MW zu erzeugen - praktisch die gleiche Leistung wie eine Windturbine mit einem Durchmesser von 180 Metern, so ein Vertreter des Unternehmens.

Forschung Europa

Der französische Explorationskonzern CGG (Compagnie Générale de Géophysique) mit Sitz in Paris hat sich einer grenzüberschreitenden Initiative, dem sogenannten Selkie-Projekt im Wert von 5,2 Millionen Euro, angeschlossen, die die Erschließung der Meeresenergie in Wales und Irland fördern soll. Ziel des Projekts ist es, die Leistung von Wellen- und Gezeitenkraftwerken zu verbessern. CGG wird nach eigenen Angaben seine erd- und umweltwissenschaftlichen Fähigkeiten einbringen und das Projekt durch die Entwicklung und Erprobung einer neuen Technologie zur Umweltüberwachung unterstützen.

OceanQuest-Turbine getestet unter realen Bedingungen. Foto: OceanQuest

OceanQuest-Turbine getestet unter realen Bedingungen. Foto: OceanQuest

Auch die französische Firma HydroQuest mit Sitz in Meylan verfügt über eine umfassende wissenschaftliche und industrielle Expertise in den Bereichen Hydraulik-, Elektro- und Maschinenbau und bietet Energieerzeugungsprojekte aus einer Hand an. Die 2019 vorgestellte OceanQuest-Turbine leistet 1 Megawatt und trotzt erfolgreich den Umwelteinflüssen - unter realen Bedingungen. Dieses Projekt ebnete den Weg zur Entwicklung von Turbinen mit größerer Kapazität. Die Vorteile liegen für die Firma auf der Hand:

Vorteile der Unterwasserturbinentechnologie. Grafik: OceanQuest

Vorteile der Unterwasserturbinentechnologie. Grafik: OceanQuest

Fazit

Es ist im Bereich der Offshore-Energie vieles im Fluss. Dies zeigt auch der im Januar 2024 vorgestellte Ergebnisbericht des europäischen Verbandes der Übertragungsnetzbetreiber ENTSO-E (The European Network of Transmission System Operators for Electricity). Der Bericht geht davon aus, dass in der Europäischen Union sowie im Vereinigten Königreich und in Norwegen fast 500 Gigawatt an Erzeugerkapazität aufgebaut werden müssen, um die Ausbauziele bis 2050 zu erreichen. ENTSO-E schätzt, dass dafür rund 400 Milliarden Euro investiert werden müssen.

Die dann aber doch eher bescheiden anmutenden Investitionen und Fördermittel für Wellen- und Gezeitenkraftwerke lassen derzeit nur den Schluss zu, dass seitens der politisch Verantwortlichen der „Startschuss“ für mehr Tempo noch nicht erhört wurde.

Quelle: Offshore

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