Kurze Wege dominieren auf der Peene-Werft, Fotos: hsc

Kurze Wege dominieren auf der Peene-Werft, Fotos: hsc

Peene-Werft: Clever aufgestellt

Effizienz und Bodenständigkeit bilden die Grundlagen für den Erfolg der Peene-Werft. Als Teil der Lürssen-Gruppe ist das Unternehmen ein wichtiger Partner der Marine.

„Wir sind eine Kompaktwerft“, sagt Harald Jaekel, Geschäftsführer der Peene-Werft in Wolgast. Nach herzlicher Begrüßung in seinem mit Schiffsmodellen und persönlichen Erinnerungen an allen Wänden dekorierten Büro erklärt er denn auch sogleich, wie er das meint: „Seine“ Werft steht für die Kompetenzen Neubau und Reparatur. Damit meint er die kurzen Wege auf dem Werftgelände des östlichsten NVL-Standorts mit mehreren Hallenkomplexen, die die Prozessabläufe effizienter machen. „Das ist ein Ergebnis jahrelanger Erfahrung“ und wohl auch einer Prise Tradition, wie Jaekel nicht ohne Begeisterung erläutert.

Effizient muss man in der aktuellen Lage auch sein, denn die Sicherheits- und Verteidigungsindustrie ist derzeit in aller Munde, Auf- und Nachrüstung sind tägliches Nachrichtenthema und Diskussionsthema. Jaekel und sein Abteilungsleiter für die Schiffsreparatur, Nils Teschendorff, erläutern das am großen Werftmodell im Foyer: Die Wege von der Kiellegung bis hin zur Endfertigung sind von Halle zu Halle logisch und eingängig. Der Weg am Modell sieht aus wie ein Williamson-Turn – und so läuft man den Weg auch. Ein Weg von einer Stunde rundum: Es riecht nach Stahl, Schweißarbeit und zudem dieser unvergleichlich hallende Klang von Metallarbeit in großen Hallen. Gut, mal wieder eine Werft besuchen zu dürfen.

Die Peene-Werft bildet den östlichsten Teil der NVL-Gruppe, Foto: hsc
Die Peene-Werft bildet den östlichsten Teil der NVL-Gruppe, Foto: hsc

Eine Werft, auf die man im Osten stolz ist. Rundgang beendet und siehe da – stimmt: kompakt. Das Gefühl von Übersichtlichkeit gilt auch für die Besatzungen der Marineeinheiten, die neben dem Werftgelände zahlreiche komfortable Unterkünfte haben, verpflegt werden und ohne lange Wege ihren Dienst verrichten können. Bei der Ausschreibung ist das sicherlich ein gutes Argument, wenn Besatzungen für Korvetten, Tender und Minenjagdboote über längere Zeiträume betreut werden müssen. Harald Jaekel ist sehr wohl bewusst, dass das Bauen und Reparieren von Einheiten der Marine und anderen Sicherheitsbehörden nicht nur eine Auftragsannahme, sondern auch ein Dienst an der nationalen Sicherheit ist.

Bodenständig

Man merkt Jaekel die Bindung zur Marine an, seine Biografie ist früh mit Minenjagdbooten verbunden und die weit in DDR-Zeiten zurückreichende Tradition in Wolgast ist Teil der Bodenständigkeit, die hier spürbar alle ausstrahlen. So auch Maschinenbauer Teschendorff, der seit 27 Jahren in dritter Generation hier arbeitet und viel über die wechselhafte Geschichte der Werft der letzten 40 Jahre berichten kann. Die Bedeutung des Orts für die Volksmarine, die Bedeutung der Werft für die Region, wechselnde Eigentümer – das ist alles Teil der bewegten Werftgeschichte.

Moderne Anlagen als Grundlage für erstklassige Qualität, Foto: hsc
Moderne Anlagen als Grundlage für erstklassige Qualität, Foto: hsc

Seit 2013 gehört die Wolgaster Werft zur Unternehmensgruppe Lürssen. Hier wurden zwei Vorschiffe der Fregatten 125 gebaut, zudem die fünf Hinterschiffe der Korvetten 130. Aktuell erfolgen auf der Peene-Werft Stahlarbeiten für die neuen Flottendienstboote, die hier lässig „Flodibos“ genannt werden. Zudem stehen die Neubauten für die Generalzolldirektion auf der Agenda, zwei der drei Schiffe wurden bereits im Zeitplan abgeliefert. 2021 hat Lürssen den Marineschiffbau in die NVL (Naval Vessels Lürssen) ausgegliedert, die zur Unternehmensgruppe Lürssen gehört. Unter dem Dach der NVL mit Sitz in Bremen-Vegesack sind heute neben der Wolgaster Werft auch Blohm+Voss in Hamburg, der Standort Lemwerder mit dem im Bau befindlichen NVL-Campus und die beiden Reparaturwerften, die Neue Jadewerft in Wilhelmshaven und die Norderwerft in Hamburg, vereint. Ein Verbund, der sich für die Deutsche Marine zum mit Abstand größten Partner im Überwasserschiffbau entwickelt hat.

Planbarkeit für die Marine

Wie sind denn die Rahmenbedingungen? Aufträge, Zulieferer, Marktsituation, Investitionen? Vor allem Personal! Jaekel wirkt entspannt, zeigt Zuversicht: „Die Nachwuchslage ist sehr gut, wir haben 50 Azubis, gute Sozialstrukturen, und wir nehmen auch gerne Familien, haben schon Eheleute eingestellt.“ Ingenieure, besonders in den Bereichen E-Technik und Maschinenbau, seien schwieriger zu gewinnen. Als wirtschaftlich bedeutsamer Betrieb mit hohen Wertschöpfungseffekten für die gesamte Region könne man hier gut Personal rekrutieren. Ein Wermutstropfen sei, dass an der Universität Greifswald keine technischen Studiengänge angeboten werden. Der Rundgang zeigt: Ausbildung, Bindung und Attraktivität sind klar erkennbar. Große Werkstätten und nahbare Ausbilder garantieren die in der Region so wichtige Jobsicherheit.

Harald Jaekel, marineforum- Chefredakteur Holger Schlüter und Nils Teschendorff (v.l.), Foto: hsc
Harald Jaekel, marineforum- Chefredakteur Holger Schlüter und Nils Teschendorff (v.l.), Foto: hsc

Zur Positionierung gefragt, sind beide Gesprächspartner klar: 70 Prozent Neubau, 30 Prozent Reparatur bei Umsatz und Arbeitsstunden mit dem Ziel, für die Marine Planbarkeit zu schaffen. Die Peene-Werft, die im Neubau von Marineschiffen vor allem die Vorproduktion mitsamt Stahlbau und Vorausrüstung verantwortet, steht für Know-how für bestimmte Schiffsklassen, und zwar für alle öffentlichen Auftraggeber.

Wie zum Beweis liegt an der Pier ein auslieferungsbereites und zum Zeitpunkt der Publikation bereits übergebenes Zollschiff. Teschendorff zählt auf: Marineschiffe, Bundespolizei- und Forschungsschiffe, Offshore-Katamarane und örtliche Reedereien – Letztere vor allem aus regionaler Verbundenheit und Verantwortung denn als Konzept. „Wir müssen uns breit aufstellen, als innovativer und integraler Bestandteil der NVL offen sein für neue Entwicklungen und uns Marktentwicklungen schnell anpassen“, sagt Jaekel.

Trotz moderner Maschinen ist weiterhin Handarbeit gefragt, Foto: hsc
Trotz moderner Maschinen ist weiterhin Handarbeit gefragt, Foto: hsc

Wo sind denn die Grenzen? Die Grenzen setzen der Kunde und die Physik, lautet Jaekels selbstbewusste Antwort. Nun, ein Hemmnis gibt es doch: Die Größenbegrenzung durch die Peenebrücke sei ein Faktor, denn die Schiffsbreite wird mit 30 Metern durch die Durchfahrtsöffnung begrenzt. Die Werft betreibt drei Schiffbauhallen sowie ein für mehrere Millionen Euro errichtetes überdachtes Trockendock und einen Schiffshebelift. Das Trockendock kann Schiffe bis zu 175 Meter Länge und 27 Meter Breite fassen, der Lift Schiffe bis zu 110 Meter Länge und 15 Meter Breite aufnehmen.

Hindernis Bürokratie

Was erwartet man vom Sondervermögen? Diese Frage umgeht der Schiffbauer Jaekel hanseatisch, politische Äußerungen mag man auf Werften eben nicht gern geben. Geschickt umschifft er die Frage und gibt die Antwort aus NVL-Perspektive: „Wir müssen ganzheitlich und partnerschaftlich denken, sowohl mit der Marine als auch mit dem Beschaffungsamt in Koblenz. Ohne die Zuarbeit von Drittwerften und Kooperationen geht es nicht, wenn man die gesetzten Ziele gemeinsam erreichen will.“

Alt und neu stehen auf der Peene-Werft dicht nebeneinander, Foto: hsc
Alt und neu stehen auf der Peene-Werft dicht nebeneinander, Foto: hsc

Das ist jetzt aber etwas steif formuliert, oder? Jaekel setzt nach: „Wir sind eine kleine Branche, in der ein vernünftiges und aufs Ziel ausgerichtetes Miteinander der Schlüssel zum Erfolg sind.“

Was würde ein Werftchef ändern? Die folgenden Minuten des Gesprächs über Beispiele von Bürokratie, über Ausschreibungen und Meter von Aktenordnern sind sehr sachlich und ohne Fingerzeige. Und hier sei einmal redaktionell angemerkt: Wo auch immer man ist, in Sachen Beschaffung gleichen sich die Gespräche. Alle Protagonisten, ob Hersteller, Zulieferer, Beschaffer oder Nutzer, benennen stets die gleichen Symptome, wählen die gleichen Vokabeln und beschreiben treffgenau, aber ohne Schuldzuweisungen das Problem.

Dabei ist zu spüren, dass die Werft gerne Teil der Lösung wäre. Dies gilt auch für das Fregattenprojekt F 126, in das auch die Peene-Werft eingebunden ist. Während des Gesprächs kursieren Schlagzeilen, die von einer möglichen Krise und angeblichem Versagen zeugen. Auch darüber soll gesprochen werden, rund ein Jahr nach der Kiellegung der ersten Fregatte der Klasse. Und kritische Fragen muss man stellen, denn wie das Projekt weitergeht, war weder zum Zeitpunkt des Gesprächs noch bei Redaktionsschluss absehbar.

Aber die Fragen stellen wir nicht hier. Die haben wir für einen kommenden Artikel an Generalunternehmer Damen in Vlissingen und an das BAAINBw gerichtet. Wir sind hier, um die Peene-Werft kennenzulernen. In Wolgast baut und repariert man mit dem Selbstverständnis guten Handwerks in intaktem Umfeld zuverlässig und geradlinerer einfach Schiffe. Champagnerkorken knallen hier nicht, denn hier wird ohne Chichi abgeliefert. Wer zum Urlaub nach Usedom fährt, sollte kurz vor der Brücke die großen Hallen der Peene-Werft beachten. Hallen, die man mehr denn je in Deutschland braucht.

Holger Schlüter

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