Nach 19 Jahren ist heute wieder ein Schiff der Deutschen Marine in Richtung Südostasien ausgelaufen. Bereits Anfang Mai 2020 sollte die Hamburg diesen Kurs nehmen, die Reise musste jedoch wegen Corona abgesagt werden. Trotz der langen Vorbereitungszeit sind, auch aufgrund der immer noch anhaltenden Pandemie, längst nicht alle Fragen geklärt. Welche Häfen angelaufen werden ist inzwischen zwar offiziell bekanntgegeben worden, aber ob die Besatzung trotz des vollständigen Impfschutzes dort an Land gehen kann, wird sich teilweise erst in den nächsten Tagen und Wochen entscheiden. Die Coronalage in einigen Teilen des Reisegebiets verschlechtert sich zusehends, manch ein Land macht seine Grenzen schon wieder zu. Das wäre für die Männer und Frauen an Bord unerfreulich und könnte im Extremfall dazu führen, dass bei der geplanten Rückkehr im Februar nächsten Jahres weniger Länder als bisher geplant in der üblichen Form besucht, womöglich keine Städte erkundet und kaum Kontakte geknüpft werden konnten. Hinzu kommen logistische Probleme, die eine Heranführung von Ersatzteilen und Verpflegung genauso einschließen wie den Austausch von Crewmitgliedern.
Die Reiseroute ist also inzwischen bekannt, aber konkrete Vorhaben sind bislang lediglich unscharf am Horizont auszumachen. Während bei der 2020 geplanten Reise der Fregatte Hamburg noch die Teilnahme am Indian Ocean Naval Symposium in Réunion ein wesentlicher Programmpunkt war, steht diesmal eine bislang nicht näher definierte „intensivere Zusammenarbeit bei gemeinsamen Übungen und Ausbildungen mit Partnerstreitkräften“ auf dem Programm. Weitaus wichtiger erscheint nun der politische Aspekt des Indo-Pacific Deployments (IPD). Nach Aussage von Vizeadmiral Kay-Achim Schönbach soll es wesentlich darum gehen, „Flagge zu zeigen und vor Ort zu demonstrieren, dass Deutschland auf der Seite seiner internationalen Wertepartner für die Freiheit der Seewege und die Einhaltung des Völkerrechts in der Region eintritt“.
Nimmt man diese Aussage des Inspekteurs ernst, wäre das Durchqueren des Südchinesischen Meeres ein bedeutendes Puzzlestück der Reise. Dieses höchst umstrittene Seegebiet wird von mehreren Nationen in unterschiedlichen Teilen beansprucht. Keiner dieser Staaten tritt bei der schrittweisen Durchsetzung seiner Interessen dabei jedoch so deutlich und rücksichtslos auf wie China. Immer wieder setzen die Amerikaner ein Zeichen, indem sie mit sogenannten Freedom of Navigation Operations (Fonops) Flagge zeigen und damit auf das ihrer Meinung nach bestehende Recht auf freie Durchfahrt pochen. Nur wenige andere Nationen der Region tun es ihnen gleich, und wenn, dann auch gern mit Unterstützung der US Navy. Mit ebensolcher Regelmäßig verurteilt China diese Durchfahrten und weist auf seine vermeintlichen Hoheitsrechte hin. Derzeit befindet sich die UK Carrier Strike Group rund um die Queen Elizabeth auf dem Weg nach Japan. Bereits im Vorfeld hat China deutlich gemacht, dass die Briten im Südchinesischen Meer höchstens geduldet sind. Bei einem eventuellen Eindringen in die Zwölf-Meilen-Zone der von China besetzten Inselgruppen der Region wurde sogar angedroht, ein Exempel statuieren zu können. In Anbetracht dieser Lage wird es spannend sein, ob und wie, vielleicht sogar mit wem die Deutsche Marine dieses Seegebiet befährt. Dazu der Befehlshaber der Flotte, Vizeadmiral Rainer Brinkmann: „Mit dem Angebot eines Hafenbesuchs in der Volksrepublik China unterstreichen wir die Bedeutung Chinas als einem unserer wichtigsten Wirtschaftspartner und bieten Anlass und Gelegenheit für die Vertiefung des Dialogs. Mit der Passage des Südchinesischen Meeres verdeutlichen wir aber auch unsere Rechtsauffassung zu territorialen Ansprüchen.“
Noch einen Schritt weiter geht der Inspekteur der Marine mit seiner Ankündigung, „an der Überwachung der Sanktionen der Vereinten Nationen gegen Nordkorea teilzunehmen“. Es gibt eine lange Liste von UN-Sanktionen, seit 2006 sind es neun. Gemeint sind die Resolution 2375 aus dem Jahr 2017 zur Unterbindung von u.a. Mineralölexporten, und die aus dem gleichen Jahr stammende Resolution 2397, die eine Untersuchung von Schiffen beinhaltet. Gemeinsam mit den japanischen Partnern plant man, daran teilzunehmen. Zu diesem Zweck ist bereits ein kleiner deutscher Stab nach Tokio entsandt worden. Wie man hört, sind jedoch für die Bayern weder Boarding noch Hailing freigegeben, man wird kooperative Regeln befolgen. Obwohl: Die Bayern ist für diese Fälle voll einsatzfähig, führt zwei Bordhubschrauber mit und hat eine zwölfköpfige Boarding-Komponente des Seebataillons an Bord. Man hat diese Operation, die drei Wochen dauern soll, auch nicht parlamentarisch absegnen lassen, denn für diesen kurzen Zeitraum dürfte der parlamentarische Absegnungsweg zu lange sein.
Mit der Fahrt der Bayern steuern Politik und Marine in vielerlei Hinsicht unbekannte Gewässer an. Ein spannendes halbes Jahr liegt also vor uns, und das marineforum wird die Reise medial bestmöglich begleiten. Hoffen wir, dass von den offiziellen Stellen reichlich Informationen fließen, damit Interessierte und Daheimgebliebene stets über die aktuelle Lage im Bilde bleiben können.
Weitere Informationen und Diskussionspunkte finden Sie im sehr lesenswerten, englischsprachigen Beitrag „Frigate Bayern in the Pacific: The return of German gunboat diplomacy?“ von Moritz Brake und Sebastian Bruns unter www.cimsec.org/frigate-bayern-in-the-pacific-the-return-of-german-gunboat-diplomacy
Text: mb, hsc; Fotos: hsc
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