Trinken für Tirpitz: Entdeckt die Linke das Vergnügen?

Trinken für Tirpitz: Entdeckt die Linke das Vergnügen?

Rotkäppchen und die Linke

Was ist passiert, wenn im marineforum ein Parteitag von der Linken erwähnt wird, und das im Monat einer Bundestagswahl? Nun, man griff ein maritimes Thema auf und zeigte Humor im Zusammenhang mit einem militärhistorischen Ereignis. Dass die Fakten etwas litten, beweist einmal mehr, dass die Partei der Militärgegner mit selbigem fremdelt.

Am 19. Juni forderte der Vertreter der Linksjugend Solid, Michael Neuhaus, die Abschaffung der Schaumweinsteuer. Dieser bejubelte Antrag wurde mit 64 Prozent angenommen und war damit der einzig Erfolgreiche dieser Tagung. Neuhaus begründete seinen Antrag damit, dass diese vom Deutschen Reichstag 1902 eingeführte Steuer die Marine des Kaisers finanzierte. „Es sollte eine Selbstverständlichkeit für uns als Linke sein, eine Steuer, die zu Aufrüstungszwecken eingeführt wurde, konsequent abzulehnen und ihre Abschaffung zu fordern.“

Die Tatsache, dass Champagner nun nicht zu den typischen Getränken der Arbeiterklasse zählt, störte dabei nicht. „Dieses Programm ist unsere Chance, einen Wechsel in eine feuchtfröhliche Zeit einzuleiten, denn, ja, der Klassenkampf wird auch am Stammtisch geführt.“ Wen auch immer die Linke damit ansprechen will, der gut bezahlte deutsche Facharbeiter wird sich auch den versteuerten Sekt gönnen. Und am Stammtisch wird eher Bier getrunken, die Hoheit darüber haben aber andere Parteien. Weiter führte er aus: „Erst knallten die Korken, dann die Kanonen.“

Fakt ist, dass die Kaiserliche Marine mit dieser Steuer gar nicht finanziert werden konnte, denn sie machte rund ein halbes Prozent der Rüstungsausgaben aus, wenn man den damaligen Durchschnittspreis von 2,50 Mark pro Flasche inklusive 50 Pfennig Abgabe zugrunde legt. 1905 kamen so knapp 5,5 Millionen Mark zusammen – eher wenig, um Schlachtschiffe zu bauen. Ein Blick in die Geschichte sagt uns, dass die 1933 auf null gesetzte Steuer mit Beginn des Zweiten Weltkriegs wieder erhoben wurde. In der DDR gab es keine Schaumweinsteuer. Nicht nur die Eliten der SED, auch die Bürger durften Krimsekt steuerfrei genießen, vielleicht wurde Neuhaus durch diese Parteihistorie animiert. Die heutige Schaumweinsteuer hat keine kriegswirtschaftlichen Wurzeln mehr. Sie gibt es seit Gründung der Bundesrepublik und ist seit 2010 niedergelegt im Schaumwein- und Zwischenerzeugnissteuergesetz (SchaumwZwStG), welches keiner Zweckbindung folgt. Die Linke will also eine Steuer abschaffen, die es gar nicht mehr gibt. Sei‘s drum, dieser Antrag war kreativ und fröhlich. Ob das angesichts der fast 800 versenkten Schiffe und nahezu 35 000 toten deutschen Seeleute geschmackvoll war, ist keine Frage des passenden Getränks.

hsc

Der Sekterlass des Staatssekretärs des Reichsmarineamtes, Vizeadmiral Alfred Tirpitz

Zahlreiche rosa- und lichtgrünfarbene kleine Zettel in einem Aktenkonvolut aus der Zeit um 1900 fielen dem Verfasser im Bundesarchiv Militärarchiv zu Freiburg bei einem Magazinbesuch auf.

Dieses Aktenbündel aus den Beständen des ehemaligen Reichsmarineamts hätte auch eine Quelle zu Thomas Manns Roman „Die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“ sein können. Es war aber der Vorgang eines Schriftverkehrs , den Sektkellereien aus dem Rheinland mit dieser Spitzenbehörde der Kaiserlichen Marine führten. Die kleinen bunten Zettel waren das Geschäftspapier von Sektfabrikanten. Anlass war eine Beschwerde, dass man erfahren habe, dass kürzlich, d.h. um 1900, ein deutsches Kriegsschiff mit französischem Champagner getauft worden sei. Das verstieße gegen die  nationale Ehre, aber eigentlich wollte man ein Sektmonopol zur Belieferung der Messen deutscher Kriegsschiffe erhalten. Vizeadmiral Alfred Tirpitz, seit 1897 Staatssekretär des Reichsmarineamts, entschied salomonisch:

  1. Deutsche Kriegsschiffe sind grundsätzlich mit Schaumwein deutscher Herkunft und Produktion zu taufen!
  2. Diesen Schaumwein dürfen deutsche Kellereien der Kaiserlichen Marine zu diesem Zweck kostenlos zur Verfügung zu stellen.
  3. Ein Monopol zur Belieferung der Messen deutscher Kriegsschiffe wird nicht erteilt. Die Messen wirtschaften eigenverantwortlich und beziehen ihren Schaumwein dort, wo er am günstigsten ist.

Leider vergaß der Verfasser, die Signatur dieser Archivalie zu vermerken.

HeiWa

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