Der Untergang der „Ursa Major“ am 23. Dezember 2024 hat internationale Aufmerksamkeit erregt. Das russische Frachtschiff sank nach einer Explosion im Maschinenraum in internationalen Gewässern des Mittelmeers zwischen Spanien und Algerien. Die Ursache bleibt unklar, doch Moskau behauptet, Opfer eines terroristischen Anschlags zu sein. Wir betrachten die aktuellen Bewegungen der russischen Flotte in Bezug auf die Region Middle-East-North-Africa (MENA), insbesondere Syrien und Libyen, und werfen Fragen zur strategischen Neuausrichtung Moskaus im Mittelmeer auf.
Schiffsbewegungen ins Mittelmeer
Die Rolle der „Ursa Major“ und ihrer Begleiter: Die „Ursa Major“, früher bekannt als „Sparta III“, befand sich auf dem Weg von St. Petersburg – laut AIS-Daten nach Wladiwostok – und transportierte zwei Kräne. Internationale Beobachter vermuten, dass sie als Teil einer Evakuierungsmission russischer Stützpunkte in Syrien agierte und tatsächlich Libyen als Ziel hatte. Begleitet wurde das Schiff vom RoRo-Transportschiff „Sparta“, während die „Sparta IV“ auf ihrem Rückweg aus dem Mittelmeer St. Petersburg erreichte.
Zusätzliche Schiffsbewegungen: Am Morgen des 25. Dezember passierten weitere Schiffe des sogenannten Syrien-Express Bornholm, begleitet von der Fregatte „Soobrazitelniy“. Darunter befanden sich:
- Die „General Skobelev“: Ein 150 Meter langer Produktentanker, bekannt für regelmäßige Fahrten zwischen Russland und Syrien. Mit einer Vergangenheit in der sogenannten „dunklen Flotte“ könnte sie auch in künftigen Missionen eine Rolle spielen.
- Die „Sparta II“: Ein RoRo-Containercarrier, der zwischen 2017 und 2022 häufig in Tartus (Syrien) anlegte.
Weiterhin befinden sich zwei Landungsschiffe aus der Nordflotte „Ivan Gren“, das Typschiff der gleichnamigen Klasse, und „Alexandr Otrakovsky“, eine Ropucha-Klasse, im Mittelmeer. Beide passierten die Meerenge von Gibraltar am 22. Dezember 2024 – vermutlich auf dem Marsch nach Tartus.
Demgegenüber hat die „Yelnya“, ein Tanker der Altay-Klasse, von Tartus in das Seegebiet vor Algerien verlegt. Nach einem Hafenaufenthalt in Algier vom 17. bis zum 20. Dezember soll er sich seit dem 20. Dezember vor Oran aufhalten.
Nach dem unter Kaptain Loma firmierenden Blog ‚Russian Forces in the Mediterranean‘ halten sich insgesamt zehn russische Einheiten nach wie vor im Mittelmeer auf. Darunter das U-Boot „Novorossiysk“, die beiden Fregatten „Admiral Golovko“ und „Admiral Grigorovich“ und neben der erwähnten „Yelnya“ ein weiterer Tanker, die „Vyazma“ – ein Schiff der Kaliningradneft Klasse. Neben den angesprochenen Landungsschiffen „Ivan Gren“ und „Alexandr Otrakovsky“ befindet mit der Ropucha Klasse „Alexandr Shabalin“ ein drittes großes Landungsschiff im Mittelmeer. Hinzu kommen die beiden Aufklärungseinheiten „Yantar“ (Yantar-Klasse) und „Kildin“ (Moma-Klasse).
Strategischer Wechsel: Von Syrien nach Libyen?
Vorbereitungen für den Abzug aus Syrien: In den Tagen vor Weihnachten 2024 entstandene Satellitenbilder zeigen verstärkte logistische Aktivitäten der russischen Streitkräfte in Syrien sowohl in Tartus und als auch am russischen Luftwaffenstützpunkt Khmeimim. Eine Konzentration von militärischem Gerät und intensiver Flugverkehr deuten auf eine organisierte Evakuierung hin. Dies könnte auf einen strategischen Rückzug Moskaus aus Syrien hinweisen.
Option Libyen: Libyen scheint eine naheliegende Alternative als strategischer Stützpunkt zu sein. Hinweise darauf umfassen:
- Bewegungen der „Sparta“: Das Schiff wurde am 28. Dezember mit südöstlichem Kurs im zentralen Mittelmeer gesichtet, möglicherweise auf dem Weg nach Benghazi.
- Bestehende Verbindungen: Tobruk könnte als neuer Marinestützpunkt dienen. Die Hafenstadt im Osten Libyens ist Sitz der libyschen Neben-Regierung unter Premierminister Osama Hammad (Regierung der nationalen Stabilität). Unterstützt wird sie von der sogenannten Libyschen Nationalarmee von General Chalifa Haftar, für den Moskau Unterstützung mit Söldnern, Waffen und Ausbildung leistet.
- Strategische Bedeutung: Ein Marinestützpunkt im Mittelmeer ist entscheidend für Russlands geopolitische Interessen. Tartus in Syrien war bisher der einzige Flottenstützpunkt außerhalb des russischen Festlands. Auf sozialen Netzwerken existieren Fotos und Berichte über den Aufbau eines Luftwaffenstützpunktes im Süden Libyens.
Folgen und Auswirkungen - zukünftig ein Libyen-Express?
Ein Wechsel nach Libyen könnte das russische Engagement in Afrika sichern und die Regionalsituation verändern. Analysten betonen jedoch die Unsicherheiten dieses Schritts. Die geopolitischen Konsequenzen für den Ukrainekrieg und auf das Ansehen Moskaus bei afrikanischen Partnern, die das Moskauer Verhalten in Syrien mit Skepsis beobachten, bleiben abzuwarten.
Die Bewegungen russischer Schiffe deuten auf eine strategische Neuausrichtung hin. Der Abzug aus Syrien und die mögliche Etablierung eines Stützpunkts in Libyen könnten Russlands Rolle in der Mittelmeerregion neu definieren. Womöglich wird aus dem Syrien-Express nun ein Libyen-Express.
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