Raketenkreuzer "Marschall Ustinov" (Nordflotte) der Slava-Klasse. Foto: Michael Nitz

Raketenkreuzer "Marschall Ustinov" (Nordflotte) der Slava-Klasse. Foto: Michael Nitz

Russlands Seemanöver

Nachtrag vom 30.01.2022: Russland hat die Anmeldung des Schießvorhabens in der irischen EEZ zurückgezogen - die Übungen sollen nunmehr außerhalb des irischen Interessengebietes stattfinden. Näheres siehe weitere "News" zu russischen Seebewegungen auf dieser Seite.

Beitrag vom 27.01.2022: In diesen Tagen ist es wohl geboten, alle verfügbaren Informationen zusammenzufügen und ein Gesamtbild daraus zu entwerfen. Auch hier gilt es, Schein und Sein so weit wie nur möglich voneinander zu trennen. Daher sind die hier gegebenen Informationen nicht ganz so taufrisch, wie erhofft, aber sie sind durch mindestens zwei verlässliche Quellen abgesichert. Das braucht seine Zeit.

Ostsee

Bereits am Montag haben etwa zwanzig Einheiten der Baltischen Flotte ihre Heimathäfen verlassen, um in taktischen Gruppen in der Ostsee eine Serie von U-Jagd- und Luftabwehr-Übungen im Rahmen eines größeren Manövers (so der Pressetext) zu beginnen. Dabei sind die beiden im Video gezeigten Fregatten "Stoiky" und "Soobrazitelny" der Steregushchiy-I-Klasse aus Baltiysk/Pillau wohl zu einem Langstrecken-Einsatz aufgebrochen - vermutlich werden diese beiden Schiffe demnächst auch in anderen Seegebieten zu sehen sein; dazu fehlt allerdings noch die logistische Komponente.

https://youtu.be/YC8nJw4M-9k

Russisches Seemanöver in der östlichen Ostsee

Nordmeer

Nun sind am Mittwoch auch Einheiten der Nordflotte in die Barentssee ausgelaufen, um mit russischen Arktistruppen gemeinsame Übungen im Rahmen eines Expeditionary Corps (Anlandungen/See-Land-Operationen) durchzuführen. Da verständlicherweise wenig weitere Details gegeben werden, lohnt es, die RT-Videos für sich sprechen zu lassen.

https://youtu.be/M_AICaGhRbk

Auslaufen von Teilen der Nordflotte

Russischer Schießabschnitt vor Irland?

Medien aus Chile und Deutschland zufolge plant die russische Marine offensichtlich, ein Artillerie- und Flugkörperschießen (live fire) im Zeitraum vom 3. bis 8. Februar 2022 (je 04:00 bis 14:00 Ortszeit) vor der Küste Irlands durchzuführen. Das angemeldete Gebiet befindet sich innerhalb der 200-Meilen Wirtschafts-Zone (EEZ) Irlands: 160 Meilen südwestlich von Mizen-Head und 220 Meilen westlich vom britischen Lands End.

Warum gerade Irland?

Nun ist Irland zwar EU-Mitglied, aber nicht Teil der NATO. Außerdem verfügt es nur über deutlich eingeschränkte Seestreitkräfte – im Wesentlichen sechs moderne Offshore-Patrouillenboote der 2.000-Tonnen Größe und zwei kleinere MPA CASA CN-235. Eine Überwachung und Begleitung in See wird da zu einer Herausforderung. Auch der zivile Luftverkehr wird von den Gebietssperrungen betroffen sein – das Überfliegen des Schießgebietes sollte insbesondere bei russischen Plattformen nicht die erste Wahl sein – auch nicht auf See!

"William Butler Yeats", OPV90 der Samuel Beckett-Klasse © Foto: Irish Naval Service

Kollaterale Bedrohung

Zu erwähnen ist natürlich auch, dass Irland auf der dem Westen zugewandten Seite Europas lediglich über minimale Luftverteidigungsfähigkeiten verfügt und landzielfähige Marschflugkörper der russischen Marineeinheiten in diesem Bereich nur sehr spät erfasst werden könnten. Die Ausmaße des angemeldeten Gebietes lassen jedoch eine Einschränkung auf Artilleriewaffen und Kurzstrecken-Flugkörper vermuten – eventuell auch mit Unterstützung aus der Luft von eigenen langstreckenfähigen Seefernaufklärern.

Was wir nicht sehen

Das eigentlich beunruhigende dabei ist allerdings, dass das Schießareal in einem Seegebiet liegt, in dem das Festlandsschelf in die tiefere See übergeht und eine Unzahl von Unterseekabeln zwischen Europa und dem amerikanischen Kontinent genau hier Seite an Seite liegen. Da spielt es natürlich eine Rolle, dass das russische Aufklärungsschiff „Yantar“ (Projekt 22010) mit seinen geschleppten und autonomen Unterwasser-Fähigkeiten zur Untersuchung des Meeresbodens sich bereits im August letzten Jahres eine gewisse Zeit lang nordwestlich Irlands im Bereich der Konzentration von Seekabeln aufgehalten hatte.

Russisches Seeboden-Forschungsschiff "Yantar" vor der britischen Küste © Foto: Crown Copyright/Royal Navy

Deutliche Warnung des britischen Admirals Sir Radakin

Das deutlich gestiegene Interesse Russlands an westlichen Unterwasserkabeln ist bekannt – so bekannt, dass sich der britische Oberbefehlshaber Admiral Sir Anthony Radakin bemüßigt fühlte, Russland aufzufordern, seine Unterwasser-Einheiten von den Seekabeln fern zu halten. Jeder Versuch der Beeinträchtigung dieser Kommunikationslinien – also eine Art Unterwasser-Cyberkrieg – werde als ein kriegerischer Akt ausgelegt und entsprechend beantwortet. Auch eine klare Ansage.

Ablenkung oder Scheinziel

Dazu kommt, dass das Gebiet diametral gegenüber der Spannungszone um die Ukraine herum gelegen ist und damit ein antipodisches Ablenkungs-Szenario aufbaut. Auch die Ankündigung ohne Ausführung ist ein strategisches Signal, denn noch sind teilnehmende Einheiten in ihren heimatlichen Seegebieten – oder bereits in das Mittelmeer eingelaufen bzw. stehen kurz davor. Auch das „Forschungsschiff Yantar“ ist noch nicht im Seegebiet.

Manöver der „dritten Art“

Russland steht es natürlich frei, diese Zone zu nutzen, aber allein das Beanspruchen des Gebietes am äußeren Rand Europas weitab von russischen Mess- und Telemetrie-Einrichtungen ist zumindest außergewöhnlich und macht es zu einem strategisch-politischen Vorgang! Irlands Kommentar: Not amused!

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