Beschlagnahmter Rohöltanker EVENTIN. Foto: Havariekommando

Beschlagnahmter Rohöltanker EVENTIN. Foto: Havariekommando

Sassnitz - „Eventin“ vor Rügen beschlagnahmt

Mit der Beschlagnahme des der russischen Schattenflotte zugerechneten Rohöltankers „Eventin“ (152.000 tdw) überspringe Deutschland nach Meinung eines Sanktionsexperten gleich mehrere Eskalationsstufen. Wie es mit Schiff und Ladung weitergehe, sei unklar. Stets in der Nähe: ein Schiff der Bundespolizei See.

Die Ostsee. Bild: NordNordWest, CC BY-SA 3.0

Die Ostsee. Bild: NordNordWest, CC BY-SA 3.0

Seit Mitte Januar liegt die „Eventin“ vor Sassnitz vor Anker. Der Tanker war nach einem totalen Blackout (Stromausfall) vor Rügen dorthin geschleppt und von den deutschen Behörden festgesetzt worden. Ende März wurden Schiff und Fracht vom deutschen Zoll beschlagnahmt und die Besatzung ausgewechselt, wie das Bundesfinanzministerium mitteilte. Damit erlange Deutschland die Kontrolle über Schiff und Ladung, aber auch die Sicherungspflicht als neue Eigentümerin.

Der Sanktionsexperte Sascha Lohmann von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) bezeichnete die Beschlagnahme gegenüber dem NDR als „erhebliche Eskalation“. Überraschend sei, dass die Bundesregierung das Risiko eingehe, dies auf nicht ganz klarer Rechtslage zu tun, denn die bisherigen Eigentümer des Tankers könnten rechtliche Maßnahmen ergreifen. Auch die Sorgen vor einer möglichen russischen Reaktion wachsen.

Wie der NDR aus Sicherheitskreisen erfuhr, dürfte die Beschlagnahme des Schiffes auch auf die Beschlüsse des NATO-Ostsee-Gipfels vom Januar in Helsinki zurückzuführen sein. Dort hatten sich die Staaten darauf verständigt, eine wirksamere Handhabe zum Schutz kritischer Infrastrukturen (KRITIS) sowie gegen die Schattenflotte und hybride Bedrohungen Russlands im Ostseeraum zu erlangen. Unter anderem wurde die Mission „Baltic Sentry“ (Baltische Wache) beschlossen, an der sich auch die Deutsche Marine beteiligt.

Das Auswärtige Amt, das Innen-, das Verkehrs-, das Finanz-, das Verteidigungsministerium sowie das Justizressort hätten sich vor der Beschlagnahme eng abgestimmt. Hinsichtlich einer möglichen russischen Reaktion sei eine Risikoabwägung vorgenommen und darauf basierend eine Entscheidung getroffen worden. Auch „Worst-Case-Szenarien“ wurden berücksichtigt, dazu zählten offenbar Befürchtungen, dass der Tanker „Eventin“ Ziel hybrider Angriffe sein und so eine Umweltkatastrophe ausgelöst werden könnte.

kdk, NDR

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