Die Marine ist auf Kurs: 2025, keine zehn Jahre Zeit mehr für viele Neubauten, sondern mit pragmatischem Fokus auf das schnell Machbare und innovative Lösungen zur raschen Erhöhung der Effizienz und Effektivität dessen, was bereits vorhanden ist. Denn nur das, was schnell produziert werden kann oder an Kriegschiffen, U-Booten, Flugzeugen, ausgebildetem Personal vor Beginn eines Krieges da ist, wird auch währenddessen verfügbar sein – und sichtbar auf Abschreckung eines Angriffs einzahlen.
Allerdings deuten sowohl der seit über drei Jahren fortdauernde Krieg in der Ukraine als auch die Logik nuklearer Abschreckung darauf hin, dass auch im 21. Jahrhundert Krieg in Europa nicht schnell vorbei sein wird. So wie die Unterstützer der Ukraine sich aus Sorge vor nuklearer Eskalation Russlands zurückhielten und -halten, ist es nicht wahrscheinlich, dass selbst bei raschem anfänglichem Erfolg der Abwehr eines konventionellen Angriffs, ein schneller militärischer Sieg über Russland mit aller Konsequenz durch EU und NATO verfolgt würden. Ein wesentlicher Teil der glaubwürdigen Drohkulisse gegen den Aggressor basiert also auf der Fähigkeit, länger durchzuhalten als er.
Dieses Durchhalten aber läuft auf einen Wettbewerb der kriegstüchtigen Leistungsfähigkeit von Gesellschaft und Wirtschaft hinaus – und die hängt vom Meer ab. Über 90% des weltweiten Warenverkehrs finden über See statt. Käme es zu Krieg und Kriegswirtschaft, wäre die kontinentale Halbinsel Europa nicht nur auf militärischen Nachschub, sondern auch auf Importe an Energie, Rohstoffen und anderen Gütern angewiesen – nicht nur, um sich zu verteidigen, sondern um zu überleben. Und es geht bei Seehandel nicht einfach um Statistiken, sondern um Schiffe – Schiffe, die abfahren und ankommen, beladen und entladen werden können und sicher ihre Ziele erreichen. Es reicht daher auch nicht, den Schutz dieser Seeverbindungslinien nur an ihrem Ankunftsort zu denken. Das, was Europa braucht um an Tag 30, Tag 200 oder 1.000 eines Krieges erfolgreich zu bestehen, muss auch an weit entfernten Orten gesichert werden.
Um die Vorkriegs- oder noch-nicht-Kriegs-Phase der globalen machtpolitischen Spannungen, der hybriden Bedrohungen gut zu meistern – nicht schon vor Beginn einer weiteren Eskalation Kraft zu verlieren oder zu ihr einzuladen, ist maritime Sicherheit zentral, ist Seemacht unverzichtbar. Schon heute verlieren EU-Mitgliedsstaaten wirtschaftliche Potenziale, weil aus Unsicherheit über hybride Bedrohungen, mangelnde Verteidigungsfähigkeit und Preissteigerungen in Lieferketten Offshore Wind Projekte aufgegeben werden. Auch wird der internationale Handel immer mehr machtbasiert – es wird also eine bedeutende Rolle spielen, wessen Flugzeugträgergruppen vor welcher Küste ungestört auftreten können, wenn es um strategische Rohstoffversorgung geht.
In Zeiten geopolitischer Logik macht sich Seemacht wieder selbst bezahlt: Die Flotte schützt den Handel hieß es früher, heute ermöglicht sie eine noch viel weiter reichende wirtschaftliche Nutzung des Meeres. Ohne wirksamen Schutz liegen Chancen zur nachhaltigen Nutzung des Ozeans, Energiesouveränität und wirtschaftlichem Erfolg brach.
So wie Schifffahrt und Geopolitik untrennbar verbunden sind, ist auch die Marine ein zentrales Instrument der Gesamtstrategie – immer mit globalem Horizont. Ohne dauerhaft gesicherten Zugang zur Welt über das Meer ist Europa nicht in der Lage im machtpolitischen Wettbewerb zu bestehen – und ist auf keinen Fall kriegstüchtig über die ersten Wochen eines großen Konfliktes hinaus.
Über Jahrzehnte hat sich Deutschland – zeitweilig sogar als drittgrößte Schifffahrtsnation der Welt – darauf verlassen, dass seine Verbündeten den Schutz seiner globalen maritimen Interessen übernahmen. Das aber steht zunehmend in Frage. Europa kann nur dann ein geopolitischer Akteur werden, wenn es Seemacht wird – und beides kann es nur, wenn Deutschland mit voller Kraft vorangeht.
Korvettenkapitän d.R. Dr. Moritz Brake ist Senior Fellow am Center for Advanced Security, Strategic and Integration Studies der Universität Bonn sowie Gründer der Firmen Nexmaris und Atalantica.
Moritz Brake




2 Antworten
Der Artikel unterstreicht die Notwendigkeit einer leistungsfähigen Marine für die wirtschaftliche und geopolitische Stabilität Deutschlands und Europas. Die Abhängigkeit vom Seehandel für das Überleben und die Verteidigungsfähigkeit in einem potenziellen Konflikt wird zu Recht betont.
In diesem Kontext sind die aktuellen und geplanten Rüstungsvorhaben der Deutschen Marine von entscheidender Bedeutung, werfen aber auch Fragen auf. Die Fregatte der Klasse F127 befindet sich in der Planungsphase und soll als zukünftiger Träger der Luftverteidigung eine zentrale Rolle einnehmen. Es ist jedoch zu beachten, dass die volle Kampfkraft dieser Plattformen voraussichtlich erst mit der Einführung der „Large Remote Missile Vessels“ (LRMV) erreicht wird. Diese weitgehend unbemannten Einheiten sollen nach meinem Wissensstand als „externe Waffenträger“ für die Fregatten fungieren und deren Fähigkeiten zur Luftverteidigung und weitere erheblich steigern.
Nach aktuellen Planungen im PDF „Kurs Marine 2025“ ist die Beschaffung von drei LRMV vorgesehen, die gemeinsam mit den neuen Fregatten F127 operieren sollen. Allerdings deuten neuere Meldungen darauf hin, dass die Anzahl der Fregatten der Klasse F127 von ursprünglich sechs auf acht erhöht werden könnte. Eine entsprechende Anpassung der Anzahl der LRMV scheint in diesen Überlegungen bisher nicht berücksichtigt worden zu sein. Dies könnte zu einer Fähigkeitslücke führen, da das ursprüngliche Verhältnis 1 zu 2 nicht mehr eingehalten wird.
Zusätzlich zu den konzeptionellen Fragen bei der F127 gibt es auch bei einem anderen wichtigen Projekt, der Fregatte der Klasse F126, erhebliche Schwierigkeiten. Berichten zufolge führen IT-Probleme bei der niederländischen Generalunternehmer-Werft zu massiven Verzögerungen. Es wird von einer möglichen Verspätung von bis zu 48 Monaten (hoffentlich weniger) gesprochen, was die Indienststellung des ersten Schiffes auf 2032 oder später verschieben könnte.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Marine zwar auf dem richtigen Kurs ist, indem sie die Bedeutung der maritimen Sicherheit erkennt, die Umsetzung der notwendigen Modernisierungsschritte jedoch mit erheblichen Hürden verbunden ist. Die Verzögerungen bei der F126 und die Unstimmigkeiten in der Planung der F127 und der dazugehörigen LRMV zeigen, dass der Weg zu einer „kriegstüchtigen“ Flotte, wie sie im Artikel gefordert wird, noch weit und sehr Seeminen lastig ist.
Der Artikel unterstreicht die Notwendigkeit einer leistungsfähigen Marine für die wirtschaftliche und geopolitische Stabilität Deutschlands und Europas. Die Abhängigkeit vom Seehandel für das Überleben und die Verteidigungsfähigkeit in einem potenziellen Konflikt wird zu Recht betont.
In diesem Kontext sind die aktuellen und geplanten Rüstungsvorhaben der Deutschen Marine von entscheidender Bedeutung, werfen aber auch Fragen auf. Die Fregatte der Klasse F127 befindet sich in der Planungsphase und soll als zukünftiger Träger der Luftverteidigung eine zentrale Rolle einnehmen. Es ist jedoch zu beachten, dass die volle Kampfkraft dieser Plattformen voraussichtlich erst mit der Einführung der „Large Remote Missile Vessels“ (LRMV) erreicht wird. Diese weitgehend unbemannten Einheiten sollen nach meinem Wissensstand als „externe Waffenträger“ für die Fregatten fungieren und deren Fähigkeiten zur Luftverteidigung und weitere erheblich steigern.
Nach aktuellen Planungen im PDF „Kurs Marine 2025“ ist die Beschaffung von drei LRMV vorgesehen, die gemeinsam mit den neuen Fregatten F127 operieren sollen. Allerdings deuten neuere Meldungen darauf hin, dass die Anzahl der Fregatten der Klasse F127 von ursprünglich sechs auf acht erhöht werden könnte. Eine entsprechende Anpassung der Anzahl der LRMV scheint in diesen Überlegungen bisher nicht berücksichtigt worden zu sein. Dies könnte zu einer Fähigkeitslücke führen, da das ursprüngliche Verhältnis 1 zu 2 nicht mehr eingehalten wird.
Zusätzlich zu den konzeptionellen Fragen bei der F127 gibt es auch bei einem anderen wichtigen Projekt, der Fregatte der Klasse F126, erhebliche Schwierigkeiten. Berichten zufolge führen IT-Probleme bei der niederländischen Generalunternehmer-Werft zu massiven Verzögerungen. Es wird von einer möglichen Verspätung von bis zu 48 Monaten (hoffentlich weniger) gesprochen, was die Indienststellung des ersten Schiffes auf 2032 oder später verschieben könnte.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Marine zwar auf dem richtigen Kurs ist, indem sie die Bedeutung der maritimen Sicherheit erkennt, die Umsetzung der notwendigen Modernisierungsschritte jedoch mit erheblichen Hürden verbunden ist. Die Verzögerungen bei der F126 und die Unstimmigkeiten in der Planung der F127 und der dazugehörigen LRMV zeigen, dass der Weg zu einer „kriegstüchtigen“ Flotte, wie sie im Artikel gefordert wird, noch weit und sehr Seeminen lastig ist.