Bereits die mögliche Anwesenheit von Unterseebooten in einem Seegebiet bindet die gegnerischen Kräfte. Denn ihr Kernbeitrag zur modernen Seekriegführung ist eindeutig.
Uboote sind gleichermaßen faszinierend wie rätselhaft. Sie verschwinden in den Untiefen der Ozeane, wirken überraschend und ohne Vorwarnung aus dem Verborgenen, sind extrem schwierig zu finden und operieren meist allein und nur sporadisch erreichbar. Fakten, die sich auch auf absehbare Zeit nicht ändern werden . Dieses Bild fördert Debatten über deren Rolle in der modernen Seekriegsführung, welche - insbesondere nach einer sicherheitspolitischen Zäsur - immer wieder ausbrechen. Wie bereits in den 1950er und 1990er Jahre bildet sich derzeit erneut ein Spannungsverhältnis zwischen potentiellen Fähigkeiten und akutem Nutzen. Die Entsendung in mandatierte Einsätze (zuletzt Sea Guardian und IRINI) zeugt von einem Wunsch nach Relevanz außerhalb des „klassischen“ Seekrieges und immer wieder widmet sich auch das Marineforum der Allzweckwaffe Uboot: Die Leistungen des 1. Ubootgeschwaders zur Weiterentwicklung der ASW wurden plakativ dargestellt und Uboote als besonders geeignete Plattform für Deep Precision Strike (DPS) beworben. Ansätze um „altes“ Eisen neu zu schmieden. Aber bedarf es tatsächlich einer „neuen“ Rolle für deutsche Uboote?
Die Entwicklung läuft in die falsche Richtung. Die Tendenz das Uboot in eine „Eier legende Wollmilchsau“ zu verwandeln, resultiert schlussendlich in einem Schweizer Taschenmesser ohne wirklichen Nutzen. Sie basiert auf der falschen Annahme, die Rolle der Uboote im „Great-Power-Conflict“ müsste erst gefunden werden und ignoriert völlig deren existierenden Kernbeitrag im modernen Seekrieg: offensiver Seekrieg gegen Überwasserseestreitkräfte. Dieser muss nach der Repriorisierung auf LV/BV zwingend Bezugspunkt jeglicher Ableitungen sein.
Von den angesprochenen Beiträgen zur Weiterentwicklung der UJagd profitieren vor allem die Einsatzflottille 2 und die Marineflieger. Konventionelle Uboote dagegen sind und bleiben zur offensiven UJagd nicht das Mittel der Wahl. Sie sind langsam, haben vergleichsweise geringe Auffassreichweiten und sind räumlich extrem eingeschränkt. Sie können daher ohne Unterstützung Dritter nur begrenzt gegen andere Uboote eingesetzt werden. Die These „das beste Mittel gegen Uboote sind Uboote“ stammt aus dem Konzept zur strategischen ASW der NATO und den Einsatz atomangetriebene Jagd-Uboote gegen die sowjetische SSBN Bastion in der Barentssee (vgl. hierzu) und ist auf konventionelle Uboote nicht übertragbar. Die Argumente für Uboote als DPS Plattform sind rein strategischer Natur und vernachlässigen die taktische und operative Ebene. Selbstverständlich hat „distributed lethality“ in Kombination mit einem Überraschungsmoment -welches exklusiv durch Uboote erreicht werden kann- Vorteile ggü. anderen potentiellen Fähigkeitsträgern auf See, an Land oder in der Luft. Dies ist jedoch der einzige! Ein Uboot hat einen sehr begrenzten Waffenvorrat und kann nur wenige Flugkörper zeitgleich verschießen. Dies schränkt die Durchsetzungsfähigkeit stark ein, verhindert den Einsatz des Ubootes für andere Aufträge -mangels Wirkmitteln- und setzt das Uboot einer erheblichen Gefahr der Vernichtung aus. Der faktische Beitrag eines konventionellen Ubootes zu DPS auf der operativen Ebene ist gering, setzt diese Hochwerteinheit einem erheblichen Risiko aus und verhindert seine Wirkung auf der taktischen und operativen Ebene im Seekrieg.

Dabei ergibt sich die Rolle konventioneller Uboote im Kontext von NATO Operationen in der deutschen Schwerpunktregion Ostsee nahezu von selbst. „[Seestreitkräfte müssen] die linke Flanke der Landstreitkräfte der NATO in Polen und im Baltikum […] decken […] [und] durchgehend unter hoher Bedrohung [in der Ostsee] operieren.“ Uboote sind für diese Aufgabe wie gemacht. Sie sind der einzige Fähigkeitsträger der hier nahezu ungehindert operieren und gegnerische Plattformen, ohne effektive Abwehrmöglichkeiten, vernichten kann. Im Sinne Hughes sind sie einzig in der Lage die Maxime „Attack effectively first“ im A2/AD Gefechtsfeld der Ostsee umzusetzen. Dies ist unabhängig von den technologischen Mitteln.
Uboote wirken hierbei prinzipiell auf zwei Ebenen. Erstens kinetisch, zweitens durch ihren psychologischen Effekt auf die gegnerische Führungsfähigkeit. Die erste Wirkweise ist evident. Ein versenktes Schiff verringert die gegnerischen Fähigkeiten unmittelbar. Die zweite ist vertrackter aber grundsätzlich mächtiger. Die vermutete oder nachgewiesene Präsenz eines Ubootes im Operationsgebiet hat unmittelbaren Einfluss auf die gegnerischen Handlungsmöglichkeiten. Hierdurch wird seine Fähigkeit taktische und operative Ziele zu erreichen beschränkt und die Allokation von Kräften in Raum und Zeit beeinflusst. Im Indisch-Pakistanischen Krieg von 1971 hat PNS Hangor durch einen kühnen Streich die offensiven Schläge der Indischen Marine gegen die pakistanische Flottenbasis in Karachi beendet. Im Falklandkrieg 1982 hat das argentinische Uboot ARA San Luis im gesamten Konflikt den Einsatz der britischen Seestreitkräfte nachhaltig beeinflusst. Die britische Marine hat durch Versenkung des schweren Kreuzers ARA General Belgrano und den hierdurch bewirkten Schock, die argentinische Marine auf einen Schlag als Akteur ausgeschaltet. Das Uboot wirkt quasi als „Fleet in Beeing“, unterläuft die Wirkung des A2/AD Ansatzes, verwehrt dem Gegner effektiv selbst die Nutzung der See (Sea Denial) und entscheidet den Seekrieg – ein „capital ship“.

Uboote haben in der Vergangenheit eine Vielzahl zusätzlicher Aufgaben übernommen: Aufklärung, Minenkrieg, Unterstützung von Spezialkräften, Strike, etc. Ein Uboot kann jedoch aufgrund seiner beschränkten Waffenkapazität, personellen Ressourcen und Mobilität effektiv nur eine Aufgabe zur gleichen Zeit erfüllen. Es ist wie ein Säbel, von Pferd und Reiter gut platziert und richtig eingesetzt - tödlich. Nutzt man jedoch die Klingenrückseite oder steht weit weg vom Gegner ist die Waffe nutzlos. Ein Rückblick in die Geschichte unterstreicht diese These. Uboote erzielten operative Effekte stets dann, wenn sie gegen den gegnerischen Schwerpunkt wirken konnten. Die Priorisierung anderer Aufgaben war nie wirkungsvoll und stand in keinem Verhältnis zu den Einbußen an andere Stelle.
Was ist nun die Rolle konventioneller deutscher Uboote? Die Neutralisierung der gegnerischen Flotte, durch Vernichtung oder Androhung dieser. Es wäre fatal, wenn ein deutsches Uboot bei Kriegsausbruch, mit nur wenigen Torpedos als DPS Plattform in See steht oder in der Hoffnung ein gegnerisches Uboot zu detektieren räumlich gebunden ist und nicht im Schwerpunkt wirken kann. Deutsche Uboote sind im Sinne Keegans die „capital ships“ der Ostsee!
Zurück zur Eingangsfrage: Brauchen deutsche Uboote eine „neue“ Rolle? Nein, denn sie haben eine und diese ist nach wie vor hoch relevant. Es ist zwingend erforderlich die Ubootwaffe für diese Rolle zu rüsten, ihr die Mittel an die Hand zu geben, um sie in einem veränderten technologischen Umfeld auszufüllen und keine Ressourcen auf nachgeordnete Fähigkeiten zu verschwenden.
Wie viele Uboote braucht man um die gegnerische Operationsführung zu beeinflussen? - Eins! Und zwar in See und mit dem Willen und der Fähigkeit seinen Auftrag zu erfüllen.
Lars Bahnemann



