Bereits in der Antike entstanden erste Schiffe für den militärischen Einsatz. Heute entfällt im deutschen Schiffbau rund ein Drittel vom Umsatz auf den Marineschiffbau.
Die in der Antike im Mittelmeer weit verbreitete Triere gilt in der maritimen Geschichte als erster Schiffstyp, der gezielt für den Krieg konstruiert wurde. Zeugnis davon geben die drei markanten Ruderreihen und der bronzene Rammsporn am Bug. Ungefähr 170 Ruderer verliehen dem rund 35 Meter langen Schiff die notwendige Geschwindigkeit von bis zu zehn Knoten für die Rammattacke auf gegnerische Einheiten. Als Blaupause für das Kriegsschiff diente ein zweireihiger Vorgängertyp. Beiden gemein war, dass sie auf Konstruktions- und Bauplänen von Handelsschiffen basierten.
In den folgenden Jahrhunderten änderte sich das nicht grundlegend. Kampffähige und bewaffnete Schiffe wurden zu einem wirksamen Machtinstrument, um politische, wirtschaftliche und expansionistische Interessen von Staaten zu schützen und durchzusetzen. Sie dienten der seeseitigen Verteidigung von Territorien und kamen bei Eroberungsfeldzügen als Truppentransporter zum Einsatz. Die später die Meere dominierenden Segelschiffe waren bis in die Neuzeit hinein schiffbaulich kaum darin zu unterscheiden, ob sie zum Transport von Gütern eingesetzt wurden oder mit Kanonen bestückt waren.
Der Abgrenzung in der Bestimmung folgte im Verlauf des 19. Jahrhunderts eine deutliche konstruktive und bautechnische Splittung von zivilem und militärischem Schiffbau. Treiber waren neue Antriebstechnologien und Waffensysteme. So ermöglichte zunächst die Dampfmaschine den Verzicht auf Segel. Mitte des vorletzten Jahrhunderts wurden erste gepanzerte Kriegsschiffe gebaut und die Nachfolger dann komplett aus Stahl gefertigt. Bautechnisch passten die Ingenieure und Konstrukteure das System Schiff dem Einsatz neuentwickelter Waffen an, darunter Sprenggranaten, Torpedos, Minen und großkalibrige Geschütze. Das markante Design von Kriegsschiffen prägten bald hohe Turmaufbauten, gewaltige Schiffsartillerie und der graue Farbanstrich.
Die deutschen Schiffbauer wie auch ihre Kollegen anderswo in der Welt erweiterten ihr Know-how um die militärische Komponente. Zumal sich über die Zeit abzeichnete, dass zu einer Flotte grauer Schiffe nicht nur Kampfschiffe wie Kreuzer, Fregatten, Torpedoboote und U-Boote gehören, sondern auch Transportschiffe, Versorger und Arbeitsboote. Die speziellen Anforderungen an Bauweise und Ausrüstung von Marineschiffen qualifizieren diesen Sektor zu einem lukrativen Geschäftsfeld mit hoher Wertschöpfung. Da die Bauaufträge staatlich vergeben werden, impliziert dies gegenüber volatilen Markteinflüssen im zivilen Schiffbau ein gewisses Maß an Sicherheit. Jedoch ist es auch dieser Umstand, der die Auftragslage abhängig vom Etat eines Landes, von geopolitischen Zielen und von sicherheitsrelevanten Fragen macht und dadurch auch in diesem Bereich erhebliche Schwankungen über längere Zeitachsen bedingt.
Der Schutz deutscher Handelsschiffe und die Wehrhaftigkeit zur See gegenüber dem damaligen Kriegsgegner Dänemark bewog 1848 die Nationalversammlung in Frankfurt am Main, den Aufbau einer Reichsflotte zu beschließen. Doch der Mangel an erforderlichen Finanzmitteln und eine veränderte politische Situation durch das Ende des Deutsch-Dänischen Kriegs führten bereits fünf Jahre später zum Verkauf sämtlicher Schiffe der Reichsflotte.
Zum Ende des 19. Jahrhunderts indes frischte in punkto Marineschiffbau der Wind im Deutschen Reich unter Kaiser Wilhelm II. auf und sorgte für lautes Rascheln in den Auftragsbüchern der Werften an Nord- und Ostsee. Der Monarch verfügte einen rasanten Aufwuchs der Kaiserlichen Marine. In größerer Zahl wurden unter anderem Torpedoboote und U-Boote gebaut, hinzu kamen hochseefähige Großlinienschiffe, Schlacht- und Panzerkreuzer sowie weitere Kampfschiffe. Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs im Jahr 1914 avancierte die Kaiserliche Marine zur weltweit zweitstärksten Armada hinter der Royal Navy.
Im Sog dieser Aufrüstung beschleunigten sich Forschung und Entwicklung im Schiffsdesign, in der maritimen Antriebstechnologie sowie in der betriebs- und sicherheitstechnischen Ausstattung der Schiffe. Neue Innovationen aus der zivilen Schifffahrt überführten die Werften in den Marineschiffbau. Beispielweise kam zu Beginn des vorigen Jahrhunderts der Schiffsdieselmotor in Deutschland zuerst auf einem Handelsschiff zum Einsatz, bevor sich auch die Marineführung von der neuen Antriebstechnik überzeugen ließ.
Mit der zunehmenden Komplexität und Einsatzfülle von Schiffsbetriebssystemen stieg auch der Anteil der maritimen Zulieferindustrie an der Wertschöpfung. Ihre Angebotspalette reicht von Antriebsmotoren über Navigations- und Kommunikationstechnik bis zu Rettungssystemen. Zudem positioniert sich nicht nur in Deutschland seit jeher das Militär selbst als Spiritus Rector der Entwicklung neuer Technologien. Mit staatlichem Geld werden entsprechende Programme aufgelegt und Forschungsprojekte finanziert.
Bahnbrechende Ergebnisse wie das Ortungssystem GPS sind auch aus der zivilen Schifffahrt nicht mehr wegzudenken. Aktuell fokussiert sich der Wissens- und Technologietransfer insbesondere auf den Bereich Cybersecurity. Autonome Schifffahrt, digitales Flottenmanagement oder computergestützte Lenkwaffen erfordern ein hohes Maß an Datensicherheit und Zuverlässigkeit.
Der Schiffbauindustrie stellte sich zu allen Zeiten die Frage, welche und wie viele Kapazitäten es für militärische Zwecke vorzuhalten gilt. Dekaden mit umfangreichen Investitionen folgten nicht selten magere Zeitabschnitte, in denen entweder die Haushaltsmittel knapp waren oder aus der sicherheitspolitischen Lage kaum Erfordernisse abgeleitet wurde. Zahlreiche Werften schlossen ein Engagement im grauen Sektor aus. In der DDR war vornehmlich die Peene-Werft in Wolgast mit dem Neubau von Marineschiffen befasst. Dort entstanden leichte Torpedoschnellboote, Minensuch- und Minenräumboote, U-Boot-Jäger und Landungsboote für die Volksmarine, aber auch für die sowjetische Seekriegsflotte.
In Westdeutschland waren nach dem Zweiten Weltkrieg nahezu alle namhaften Schiffbauunternehmen zwischen Kiel, Hamburg und Bremen im Marineschiffbau involviert. Durch Insolvenzen und einen fortschreitenden Konzentrationsprozess in der Branche beschränken sich die Kapazitäten mittlerweile auf einige wenige Werftgruppen wie Thyssenkrupp Marine Systems, die Lürssen-Gruppe und German Naval Yards. Deren Produktportfolio umfasst unter anderem U-Boote, Fregatten, Korvetten, Patrouillenboote, Kampfboote, Minenabwehreinheiten sowie Versorgungs- und Unterstützungsfahrzeuge.
Der deutsche Schiffbau ist in den zurückliegenden drei Jahrzehnten erheblich unter Druck geraten. Ein gigantischer, staatlich unterstützter Zuwachs an Werftkapazitäten vor allem in Südkorea, China und Vietnam hatte zur Folge, dass in fast allen Segmenten die Aufträge europäischer Reeder nach Asien abwanderten. Nach Angaben des Verbands für Schiffbau und Meerestechnik (VSM) erreichte im Jahr 2021 die Werftindustrie in der Europäischen Union, in Norwegen und im Vereinigten Königreich nur noch ein Prozent des weltweiten Auftragsvolumens. Im Spezialschiffbau bietet sich den deutschen Werften die Chance, im Wettbewerb zu bestehen. Aus strategischen Erwägungen soll das Know-how für den Bau von Kreuzfahrt-, Forschungs- und Mehrzweckschiffen bis hin zu Megayachten und eben Neubauten für die Deutsche Marine erhalten bleiben. Der VSM beziffert im Jahresbericht 2021/22 den Anteil des hiesigen Marineschiffbaus am Gesamtumsatz der Werften auf rund ein Drittel und betont zudem, dass diese Sparte „Know-how auch für zivile Anwendungen sichert und entwickelt“.
Die drastisch veränderte weltpolitische Lage, verursacht durch den russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022, hat in Deutschland zu einer abrupten Abkehr vom seit Jahren bedenkenlos gefahrenen Sparkurs in den Streitkräften geführt. Von dem im vorigen Jahr beschlossenen Sondervermögen für die Bundeswehr im Volumen von 100 Milliarden Euro entfällt gut ein Fünftel auf die Deutsche Marine und fließt zum Teil in bereits beschlossene Beschaffungsprogramme mit ein. Beispielsweise wurde der Neubau von vier Fregatten 126, fünf Korvetten 130, zwei U-Booten der Klasse 212CD sowie von zwei Betriebsstoffversorgern und drei Flottendienstbooten in den nächsten Jahren auf den Weg gebracht. Da der deutsche Marineschiffbau zu bis zu 70 Prozent durch Exportaufträge auslastet wird, hat sich kurzfristig ein zusätzlicher Bedarf an Kapazitäten für Neubau und Reparatur aufgetan. Mit Übernahme der während der Covidpandemie in die Insolvenz geratenen Werften in Wismar und Warnemünde durch TKMS und den Bund gerät der militärische Schiffbau unvermittelt zum Bewahrer industrieller Strukturen des zivilen Schiffbaus und seiner Zulieferer. Ein Rollentausch im historischen Rückblick auf die Branche in der Antike.
Thomas Schwandt ist freiberuflicher Wirtschaftsjournalist und Buchautor mit dem Schwerpunkt maritime Wirtschaft.
Thomas Schwandt
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