Die deutschen Reedereien besorgt die geo- und handelspolitische Lage in der Welt. Die Präsidentin des Verbandes der Deutschen Reeder (VDR), Gabi Bornheim, sagte zu Jahresbeginn, dass rund 62 Prozent der deutschen Exporte und 60 Prozent der Importe über See abgewickelt würden und betonte, dass es ohne eine starke, eigenständige Handelsschifffahrt weder wirtschaftliche Stabilität noch nationale Sicherheit gäbe.
VDR-Hauptgeschäftsführer Martin Kröger ergänzte, dass neben gesicherten und freien Seehandelswegen auch eine maritime Sicherheitsstrategie und eine intensivere Kooperation zwischen Sicherheitsbehörden und Handelsflotte notwendig sei. „Sicherheit kostet – zögern kostet mehr“, so Kröger. Damit die Schiffe der deutschen Reeder wieder sicherer unterwegs sein können, drängt der VDR auf mehr Präsenz durch die Deutsche Marine.
Deutschland ist eine der weltweit bedeutendsten Handelsnationen, ein Großteil dieses Handels läuft über See. Somit hat die Bundesrepublik maritime Interessen, die es zu schützen gilt, denn die derzeitigen Konflikte entlang der Seehandelswege bergen erhebliche Risiken. Der VDR benennt vier Hochrisikogebiete: Neben dem Roten Meer mit der Bedrohung durch die Huthi-Rebellen sind dies das Schwarze Meer, wo Russland seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine führt, sowie das Südchinesische Meer und die Taiwanstraße, die durch Seegebietsstreitigkeiten zwischen China und den übrigen Anrainern gekennzeichnet sind. Jeder kennt inzwischen die diplomatischen Noten und das teilweise aggressive Vorgehen chinesischer Schiffe beim Befahren der beiden letztgenannten Seegebiete.
Weitere Punkte sind die Zerstörung von Unterwasserinfrastrukturen (Sabotage) und die zahlreichen Erkundungen von Drohnen über militärischen Anlagen (Spionage). Diese bedenklichen Ereignisse sind eine Aufforderung, die Zusammenarbeit mit anderen betroffenen Staaten zu verbessern. Da kommt die Forderung des VDR nach mehr Präsenz der Deutschen Marine zum Schutz der Handelsschifffahrt als Verstärker doch gerade richtig, oder?
Die NATO-Staaten haben auf ihrem Gipfel im Juni neue Ziele vereinbart, die sich einfach zusammenfassen lassen: von allem mehr. Mehr Geld, mehr Material, mehr Personal. Es ist allerdings eine Binse, dass der weltweite Schutz der Seehandelswege nicht von einem einzelnen Staat sichergestellt werden kann. Dazu müssten sich alle Seehandel treibenden Nationen, wenigstens aber die europäischen, ernsthaft zusammenraufen. Das ist und bleibt ein dickes Brett, dass zu bohren eine lohnenswerte und wichtige Aufgabe für Christoph Ploß (CDU) wäre, seit Mai 2025 neuer Koordinator der Bundesregierung für die maritime Wirtschaft und Tourismus im Bundeswirtschaftsministerium.
Dem Reederverband darf unterstellt werden, dass es ihm nicht nur um den Schutz von deutschen Handelsschiffen geht. Allerdings, eine Eins-zu-eins-Bewachung von zu schützenden Schiffen scheidet aus Kapazitätsgründen ebenso aus wie ein Schutz von Geleitzügen (Konvois). Um jedoch die Präsenz auf den wichtigsten Schifffahrtsrouten zu erhöhen, werden in Europa und in Deutschland Flaggenstöcke benötigt; und zwar deutlich mehr als derzeit verfügbar sind und in absehbarer Zeit zulaufen. Der verspätete Zulauf der Fregatte 126 wird gerade in der Presse thematisiert und kann den Inspekteur der Marine nicht erfreuen.
Womit auch die Frage im Raum steht, was der VDR mit seinen rund 200 Mitgliedsunternehmen selbst beitragen kann. Wie wäre es beispielsweise mit einer europäischen Initiative auf Verbandsebene zur Verbesserung der Sicherheit von Handelsschiffen vor Terrorangriffen und Piraterie? Und könnten neben staatlichen Aufträgen nicht auch die Reeder dem europäischen Schiffbau durch Neubauaufträge Leben einhauchen und europäischen Seeleuten Arbeitsplätze erhalten?
Auf der Internetseite des VDR ist unter Daten und Fakten nachzulesen, dass die deutsche Reedereibranche trotz des Branchenriesens Hapag-Lloyd mittelständisch geprägt ist: Mehr als 80 Prozent der Unternehmen besitzen weniger als zehn Schiffe. So gibt es in Deutschland fast 290 Reedereien mit 1764 Schiffen, das ist weltweit gesehen Platz sieben. Aber nur 49,5 % der Schiffe in deutschem Besitz fahren unter einer europäischen Flagge; und von diesen 874 Schiffen werden nur 258 unter deutscher Flagge geführt. Das heißt, mehr als die Hälfte der deutschen Schiffe - es sind 890 - wurden aus der EU ausgeflaggt, im Wesentlichen nach Liberia (383) und Antigua und Barbuda (424). Dabei ist das Einflaggen ins nationale Schiffsregister der Deutschen Flagge immer noch der beste Schutz.
Was also ist zu tun? Die Politik ist aufgefordert, die Rahmenbedingungen für die maritime Wirtschaft grundlegend zu verbessern. Die sieben zuständigen Bundesressorts und die fünf Küstenländer müssen weiter vernetzt und zu einem einheitlichen Lagebild befähigt werden, um auch Energiesicherheit, den Schutz kritischer Infrastrukturen sowie maritime Cybersicherheit politisch zusammenzubringen. Ein Nukleus als Einsatzorganisation wäre vorhanden: das Havariekommando in Cuxhaven, Deutschlands Kompetenzzentrum für maritime Schadenslagen.
Und der Ruf des Reederverbands nach intensiverer Kooperation und mehr Präsenz durch die Deutsche Marine darf nicht überhört werden, gleichzeitig sollten die Mitgliedsunternehmen des VDR das ihnen Mögliche aber auch unternehmen. Denn nur gemeinsam entstehen Resilienz und Stärke.
Klaus Klages