Am Freitag, 17. Februar 2023, begann nach offiziellen Angaben das trilaterale Marinemanöver Mosi II. Bis zum 27. Februar geben sich chinesische, russische und südafrikanische Marineeinheiten an der Ostküste Südafrikas im Seegebiet zwischen Durban und der Grenze zu Mosambik ein Stelldichein. Beim ersten Aufschlag im November 2019 übten die drei Marinen im Seegebiet um das Kap der Guten Hoffnung.
Der Übungsname MOSI steht im Deutschen für Rauch, Dampf oder Nebel. Mosi-oa-tunya – donnernder Rauch – ist im dortigen Sprachraum die übliche Bezeichnung der Viktoriafälle.
Die chinesische und russische Marine als Partner
Der über den Details der Übung liegende Schleier wurde von zuständigen südafrikanischen Stellen noch nicht gänzlich gelüftet. Immerhin wurde die Teilnahme von drei chinesischen Schiffen bekannt. Namentlich angekündigt ist die russische Fregatte „Admiral Gorshkov“ (Typschiff, Hullnummer 454), die seit Ende vergangenen Jahres mit dem Tanker „Kama“ der Kaliningradneft-Klasse eine Langstreckenfahrt unternimmt. Die Fregatte soll nach russischen Angaben mit dem überschallschnellen Flugkörper Zirkon ausgerüstet sein. Nach einem Hafenaufenthalt in Kapstadt am Wochenende 12./13. Februar lief sie am Samstagmorgen, 19. Februar in Durban ein. Inwieweit „Kama“ in das Übungsgeschehen eingebunden ist, ist nicht bekannt. Sie lief am 17. Februar Kapstadt an und verließ die Stadt am Kap der Guten Hoffnung am 19. Februar.
Über den chinesischen Übungsteilnehmern lag lange Zeit Nebel. Der Lenkwaffenzerstörer "Huainan" der Luyang III-Klasse (Type 052D, Hullnummer 123), die Jiangkai II-Fregatte „Rizhao“ (Type 054A, Hullnumber 598) und der Einsatzgruppenversorger „Kekexili Hu“ (Type 903A, Hullnumber 968) bilden die Task Force 42 der chinesischen Marine. Die drei Einheiten verließen Quingdao am 21. September 2022. Nach Ablösung der Task Force 41 im Golf von Aden am 15. Oktober operierten sie unter anderem entlang der ostafrikanischen Küste. Insofern liegt es nahe, dass sie die chinesische Delegation für Mosi II darstellen werden. Ihre Teilnahme wurde mit dem Einlaufen der "Rizhao" am 19. Februar in Richards Bay letztendlich bestätigt. "Huainan" und "Kekexili Hu" verblieben laut der Nachrichtenplattform Defence-Web im Seegebiet.
Von der südafrikanischen Marine werden die Fregatte „Mendi“ der Valour-Klasse (MEKO A200 SAN, Hullnumber F148), das heute fünfzig Jahre alte Vermessungsschiff „Protea“ (Hecla-Klasse, A324), sowie „King Sekhukhune I“ (Stan-Patrol Project BIRO, Hullnumber P1571), ein kürzlich in Dienst gestelltes Küstenpatrouillenschiff (Multi Mission Inshore Patrol Vessel) abgestellt. Für den Hafenaufenthalt in Richards Bay wird auch auf das Katamaran-Patrouillenboot “Tekwane” (P1554) zurückgegriffen. Frühere Berichte sahen den Einsatz der Fregatte „Mendi“ nicht für die Seephase der Übung vor. Sollte sich dies bestätigen, wäre es ein Einblick in die schrumpfende Einsatzfähigkeit der südafrikanischen Flotte.
Übung mit Zirkon: scharfer Schuss oder Trockenübung?
Der Übungsablauf sieht eine Hafenphase in Richards Bay vor, bei der es neben der Versorgung der Gastlieger und den die Übung vorbereitenden Konferenzen auch zu einer Reihe bei derartigen Hafenaufenthalten üblichen Marineaktivitäten (wie Konzerte, Sportveranstaltungen, Vorführungen) kommen wird. An den Hafenaufenthalt schließen sich ab dem 25. Februar die Übungen zur See an. Zum Übungskatalog sollen Suche und Rettung, Formationsfahren und Schießübungen gehören.
Die russische Agentur TASS berichtete Anfang Februar von einem Testschuss eines Zirkon-Flugkörpers von der „Admiral Gorshkov“ im Rahmen der Übung vor der südafrikanischen Küste. Dies wurde allgemein als eine ‚live fire‘-Demonstration angenommen, wofür es jedoch bisher keinerlei Bestätigung gibt. Der russische Wortlaut ‚Kampftrainingsstarts der Hyperschall-Anti-Schiffs-Rakete „Zirkon“ zum ersten Mal im Rahmen internationaler Übungen‘ ist wohl eher als ein ‚normales‘ Waffeneinsatztraining zu interpretieren. Die Befehls- und Meldekette einschließlich der Funktionalitäten wie Öffnen der Flugkörpersilos wird beübt, ohne dass es zum scharfen Schuss kommt. Über derartiges Training wurde auf den Webseiten des russischen Verteidigungsministeriums während der Reise der „Admiral Gorshkov“ schon mehrfach berichtet. Womit sich ein vermuteter Zirkonschuss auch in Luft auflösen könnte. Tatsache ist, dass die „Admiral Gorshkov“ zum ersten Mal an einer internationalen Übung teilnimmt.
Mosi II: die südafrikanische Ambivalenz
In den Manöverzeitraum fällt der Jahrestag der russischen Invasion in die Ukraine. Dies führt nicht nur international, sondern auch innenpolitisch zu Irritationen. Die Opposition befürchtet Beeinträchtigungen in den Beziehungen zu wichtigen westlichen Partnern wie den USA, Großbritannien und der Europäischen Union. Nationale wie internationale Kritiker sehen in der Übung, insbesondere der Teilnahme der „Admiral Gorshkov“, eine Unterstützung der südafrikanischen Regierung für Russland und seiner völkerrechtswidrigen Invasion in der Ukraine.
Mit der Akzeptanz des russischen Übungsteilnehmers, der noch dazu mit einem derart heiklen Waffensystem wie Zirkon ausgestattet ist, wird die Bevorzugung Moskaus faktisch. Umso mehr, da auf den Jahrestag des Moskauer Übergriffes auf die Ukraine keine Rücksicht genommen wird. Greifbar wurde sie bereits bei der Abstimmung in der UN-Generalversammlung zur Resolution A/RES/ES-11/1 „Aggression gegen die Ukraine“ („Aggression against Ukraine“) am 2. März 2022, als sich Pretoria (neben 34 anderen Hauptstädten) der Stimme enthielt. Die von der Regierung vorgegebene Neutralität löst sich in Rauch auf.
Für die Ambivalenz sprechen auch andere Ereignisse. Pretoria gestattete einer Megayacht, die mit dem sanktionierten russischen Oligarchen Alexey Mordashov in Verbindung steht, das Einlaufen in Kapstadt. Das sanktionierte russische Frachtschiff „Lady R“ durfte Simons Town, den größten südafrikanischen Marinestützpunkt und Sitz des Flottenkommandos, anlaufen.
Pretoria laviert zwischen der Orientierung an Europa und seinen während des Anti-Apartheidkampfes gewachsenen Bindungen an sozialistisch-kommunistische Systeme. Sie entstanden durch die den ANC-Kadern in Moskau, Peking, Hanoi und Havanna gewährte ideelle, finanzielle und militärische Unterstützung. Nach außen gegenüber Washington aufgeschlossen, herrscht im Innern der Regierungskreise Misstrauen gegenüber dem sogenannten Westen. Südafrika hat die Vereinigten Staaten wiederholt für ihr kolonialistisches Verhalten gegenüber afrikanischen Ländern sowie für den Versuch, ihre politische Agenda der ganzen Welt durchzusetzen, kritisiert. Neben den Sympathien der politisch Handelnden in Pretoria für Russland und China könnte die Rolle beider als Spielverderber gegenüber den USA ein weiteres Erklärungsmuster für die Haltung Pretorias sein.
Russland in Afrika
Die regierenden Eliten Südafrikas vernachlässigen dabei das Eingeständnis, dass Afrika nicht mehr als ein Spielfeld um Einfluss inmitten sich verschärfender globaler Spannungen ist. Russland versucht seinen Einfluss in Afrika zu erweitern. Während Moskau in der Sahelzone ohne große Skrupel agiert, kann der Kreml in Südafrika subtiler vorgehen. Der Besuch von Außenminister Sergej Lawrow in Südafrika im Januar 2023 verlief ohne Aufsehen und im gegenseitigen Einvernehmen. Moskau sucht in Afrika weitere Partner und Stützpunkte – für seine Söldnergruppen, als auch für die Streitkräfte. Es konnte seine Präsenz in instabilen afrikanischen Regionen und Konfliktgebieten, neben Mali in Libyen und in der Zentralafrikanischen Republik, ausbauen. Sein Engagement für einen Stützpunkt in Bur Sudan am Roten Meer scheint ungebrochen. Diese Woche (13.-18. Februar 2023) wurde bekannt, dass der Militärrat in Khartum dem Bau eines russischen Marinestützpunktes zugestimmt habe.
Andererseits wird beobachtet, dass afrikanische Gewässer im Atlantik zunehmend für "dunkle" Aktivitäten im russischen Erdölhandel genutzt werden – gerade bei widrigen Wetterlagen. War der mittlere Nordatlantik als ein Hub für sogenannte STS-Operationen (Ship-to-Ship) bekannt, so verlagern diese sich in südlichere Gebiete. Bei STS-Einsätzen verladen Schiffe russisches Öl auf andere, weniger auffällige Tanker. Womit die Herkunft der Ladung verschleiert wird. Moskau kann so Sanktionen, wie auch die von der EU auferlegten Preisobergrenzen, umschiffen.
Die intensive diplomatische Arbeit des Kreml - immerhin führten die Reisen des Außenministers im Jahr 2023 schon zwei Mal nach Afrika - wird durch den zweiten Russland-Afrika-Gipfel Ende Juli in Sankt Petersburg getoppt. Afrika wird für den Kreml somit zum ‚lebenden‘ Beispiel, dass Russland von einer mondialen Isolierung, wie von den Europäern und den USA erwünscht, weit entfernt ist. Dies wird unterstrichen durch die militärische Kooperation während der Übung Mosi II. Hinzu kommt die Bedeutung des schwarzen Kontinents als Rohstofflieferant.
Letztendlich ist die Reise der „Admiral Gorshkov“ nichts anderes als eine Propagandaaktion. Der Kreml demonstriert, dass er zu weltumspannenden Operationen in der Lage ist. Und versteht es, mit Bewaffnung zu beeindrucken und gleichzeitig zu beunruhigen.
Und China?
China begann schon früher für sich das Feld in Afrika zu bestellten. Afrika ist für Peking wichtig zur Deckung seiner für den industriellen und wirtschaftlichen Fortschritt wichtigen Ressourcen. Dabei spielt auch das Militär eine Rolle. Das Vorgehensmuster ist bekannt: Eingehen semi-militärischer Allianzen, Bauen oder Nutzen von Hafenanlagen zu zivil-militärischen Zwecken, Stationieren von Truppenkontingenten, Teilnehmen an Missionen für friedensschaffende militärische Maßnahmen oder im Rahmen des Katastrophenschutzes (‚military operations other than war‘) und Waffenlieferungen in die Region. 2017 eröffnete China seinen ersten afrikanischen Stützpunkt in Dschibuti. Ende 2022 wurden seine diesbezüglichen Anbahnungsversuche in Äquatorialguinea und Mauritius bekannt.
Unter diesen Vorzeichen ist Südafrika für China eine Geschäftschance. Dass die an Mosi II mutmaßlich teilnehmenden chinesischen Einheiten als Task Force eine Dauerpräsenz im Indischen Ozean darstellen, bestätigt die oben dargestellte Vorgehensweise.
Moskau-Peking
Letztendlich ist im Zusammenhang mit der Marineübung an Südafrikas Küste auch die russisch-chinesische Kooperation zu berücksichtigen. MOSI reiht sich ein in die Beobachtung einer stärker werdenden Entente zwischen Moskau und Peking. Dabei geht das kollektive Auftreten über die gemeinsame Einflusszone im Westpazifik hinaus. In den vergangenen Jahren traten Seestreitkräfte der Russischen Föderation und der Volksbefreiungsarmee im Indischen Ozean gemeinsam auf. Im Dezember 2019, also gleich nach MOSI I, kam es zu einer trilateralen Marineübung mit iranischen Seestreitkräften.
Zuletzt, im Dezember 2022, übten Einheiten der Seestreitkräfte Chinas und Russlands im Ostchinesischen Meer.
Mitten in Mosi II: Südafrikanischer Streitkräftetag
Ebenfalls in den Übungszeitraum fallen die Feierlichkeiten des südafrikanischen Streitkräftetages. Jährlich erinnert sich die Nation am 21. Februar als dem Tag der Streitkräfte (Armed Forces Day) an den Untergang des Truppentransporters „SS Mendi“ im Ärmelkanal am 21. Februar 1917. Über 600 Soldaten kamen ums Leben. Der Gedenktag hat sich zu einer einwöchigen PR-Veranstaltung der südafrikanischen Streitkräfte entwickelt. Mit über 8.000 eingesetzten Soldaten soll 2023 der bisher größte Streitkräftetag begangen werden, so die Bekanntgabe des südafrikanischen Generalstabs. Staatspräsident Cyril Ramaphosa wird den Feierlichkeiten in Richards Bay beiwohnen. Allerdings wirft eine Schlechtwetterperiode mit starken Regenfällen einen Schatten auf den Streitkräftetag. Sieben der neun südafrikanischen Provinzen, darunter auch das gastgebende KwaZulu-Natal, haben den Katastrophenfall ausgerufen.
Schon zuvor wurde aufgrund ständiger landesweiter Stromausfälle der nationale Notstand ausgerufen. Beide Notstände überschatten auch die Aktivitäten um Mosi II.
Fazit
Aus westlicher Sicht erweist sich Südafrika mit Mosi II einen Bärendienst. Einerseits beschert die Übung den regierenden Eliten Südafrikas eine Gelegenheit, ihre Verbindung zu ehemaligen Waffenbrüdern unter Beweis zu stellen. Andererseits ist der operative Wert des Manövers in Frage zu stellen. Der südafrikanische Journalist Helmoed Heitman bezeichnete MOSI I als ein ‚oberflächliches Passex’. Damit werden Übungen zwischen Seestreitkräften auf unterschwelligem Niveau bezeichnet, die vornehmlich der Verbindungsaufnahme und dem Aufrechterhalten der Kommunikation dienen. Schon die Übungsanlage eines gegenüber der Seephase deutlich übergewichtigen Hafenprogramms erweckt Skepsis. Hinzu kommt die örtliche Trennung der Einheiten. Andererseits ist der südafrikanischen Marine das Üben mit anderen Marinen zuzugestehen. Nicht viele Marinen verirren sich an das Kap der Guten Hoffnung.
Angesichts der nationalen Notlagen in Südafrikas sieht die Öffentlichkeit die Sinnhaftigkeit des Manövers kritisch. Die finanziellen Aufwendungen seien in der Unterstützung der Bevölkerung besser angelegt.
Gespannt sein darf man auf den möglichen Einsatz von Zirkon.
Video: Einlaufen "Admiral Gorshkov" in Kapstadt:
Moin,
inzwischen wurde gemeldet, dass es im Rahmen der Drei-Seitenübung „Mosi-2023“ keinen FK-Schuß mit dem Hyperschallflugkörper „Tsirkon“ durch die russische Fregatte „Admiral flota Sovetskogo Soyuza Gorshkov“ („Адмирал флота Советского Союза Горшков“) geben wird. Während der aktiven Übungsphase vom 25. – 27.Februar werden unter anderem gemeinsame Artillerieschießen durchgeführt.
Dies erklärte der Vorgesetzte an Bord, der Kommandeur der 43.Raketenschiffsdivision der Nordflotte, Kapitän 1.Ranges Oleg Gladkij (Олег Гладкий) während eines Briefings am heutigen Mittwoch.
Hier ist dieses nachzulesen: https://tass.ru/armiya-i-opk/17121311
Klasse. Danke, Herr Engel. Sorry für die späte Rückmeldung.
PS. Womit ich nicht ganz daneben lag mit meiner Einschätzung, dass viel Rauch um nichts gemacht wird.
Nun werden wir gespannt sein dürfen, was während der Mittelmeerpassage der „Admiral Gorshkov“ passieren wird!