EUTM Foto: Bundeswehr-Enssle

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Was führt die Bundeswehr nach Afrika?

Wolfram Lacher hat dieser Tage eine SWP-Studie mit dem Titel „Unser schwieriger Partner - Deutschlands und Frankreichs erfolgloses Engagement in Libyen und Mali“ (https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/studien/2021S03_deutschland_frankreich_libyen_mali.pdf) veröffentlicht.

Was das Papier aus deutscher Sicht so lesenswert macht, ist weniger die kenntnisreiche Detailanalyse deutscher und französischer Afrikapolitik. Vielmehr ist es die Schonungslosigkeit, mit der der Autor die Unterschiede zwischen beiden Ländern und die grundsätzlichen deutschen Defizite in operativer Sicherheitspolitik offenlegt. Es lohnt sich, auf der Grundlage von Lachers Studie darüber nachzusinnen.

Frankreich hat in den letzten Jahrzehnten versucht, sich von kolonialen Konzepten zu trennen, fällt allerdings immer wieder in das Gedankengut der Françafrique zurück. Es träumt noch immer von seiner Weltmachtrolle, kann sie jedoch nur in Afrika ausfüllen. Es kennt keine Scheu, dafür die klassischen Mittel von Großmächten einzusetzen: Politik, Diplomatie, Militär, Geheimdienste und Wirtschaft.

In Frankreich setzt die Politik die strategischen Ziele, die unter Einsatz militärischer und anderer Mittel zu erreichen sind. Sie definiert das „Was“ und „Wie“, wobei die Studie deutlich darstellt, dass Frankreich mit Bezug auf Libyen und Mali weder beim „Was“, den politischen Zielen, noch beim „Wie“, der Wahl der Mittel, eine besonders glückliche Hand hatte. Zudem fehlt häufig das Korrektiv anderer Partner, weil Frankreich zu Alleingängen neigt.

Auch in Deutschland legt die Politik „Was“ und „Wie“ fest. Die deutsche Sicherheitspolitik folgt allerdings einem ganz anderen Muster. Berlin verfolgt mit militärischen Einsätzen in erster Linie bündnispolitische und vergleichbare Ziele. Es hat an den betroffenen Regionen häufig nur wenig eigenes Interesse.

Besonders plastisch ist das in der Studie aufgeführte Beispiel Niger. Das deutsche Engagement dort kam deshalb zustande, weil man für die Bewerbung um einen nicht-ständigen Sitz im Weltsicherheitsrat 2019/20 „etwas in Afrika“ machen wollte. Das Einsatzland spielte keine Rolle. Es ging also um Deutschlands Position in den VN, nicht um den Niger und nicht um irgendeinen strategischen Effekt in der Region.

Aus demselben Grunde wurde 2015 das deutsche Engagement in Mali kräftig verstärkt. Die Studie stellt dazu fest, dass wie im Fall Niger das Einsatzland nebensächlich war. Auch sei das strategische Interesse, dem der Einsatz angeblich diente, nämlich Fluchtursachen und Terrorismus zu bekämpfen, konstruiert gewesen. Stattdessen sei es oberste Priorität gewesen, die Kontingente sicher durchzuschleusen, d.h. mit geringer Raumpräsenz und Interaktion mit der Bevölkerung.

Das Ziel war ein Sitz im VNSR. Das Mittel dafür war ein militärisches Engagement, das groß genug war, um wahrgenommen zu werden und dadurch die beabsichtigte politische Wirkung zu erzielen. Die Auflage war, das Risiko für die Soldaten auf ein Minimum zu begrenzen. Vor diesem Hintergrund wird Lachers Feststellung mit Blick auf die französisch geführten Einsätze verständlich, dass „Berlin sie zwar mitträgt, aber nicht mitprägt.“ Insofern ist Deutschland kein Korrektiv für die durchaus beobachteten Fehlentwicklungen solcher Missionen.

Deutschland denkt nicht in denselben Kategorien wie Paris. Insofern drängt sich der Eindruck auf, dass in Berlin weder das Interesse noch die Fähigkeit weit verbreitet ist, sich überhaupt auf die Beschäftigung mit Details und konkreten Implikationen militärischen Engagements einzulassen. Das überlässt man gern den Franzosen. Die Studie attestiert den deutschen Offizieren und Diplomaten den weit verbreiteten Glauben, französische Militärs wüssten, was sie im Sahel tun. Diese Meinung sei allerdings deplatziert.

In seinen Schlussfolgerungen räumt Lacher mit vielen Paradigmen deutscher Außen- und Sicherheitspolitik auf. Er fordert eine offene Diskussion über die Schwächen des französischen Politikansatzes in Afrika. Deutschlands Blick auf die französische Außenpolitik in der Region schwanke zwischen »diffusem Misstrauen« und instinktiver Frankophilie, teilweise verbunden mit heimlicher Bewunderung für Frankreichs vermeintliche Realpolitik. Voraussetzung für eine realistische Bewertung der französischen Politik sei zunächst einmal eine intensivere Auseinandersetzung mit der eigenen.

Und schließlich bedürfe es einer nüchternen Betrachtung der Bundeswehreinsätze in solchen Krisenstaaten. Geht es darum, den Verbündeten Solidarität zu demonstrieren, die Position in Internationalen Institutionen zu festigen oder um Ergebnisse vor Ort?

Was leitet sich aus diesen Fragen und Feststellungen ab? Ein großes Problem ist, dass Deutschland seine Ziele weder politisch noch militärisch operationalisiert. Die von Lacher analysierte Motivation, sich an militärischen Einsätzen zu beteiligen, kann man nicht nur in Afrika beobachten. So dient z.B. der langanhaltende Einsatz in Afghanistan in erster Linie dem deutsch-amerikanischen Verhältnis dient und darüber hinaus der Stellung in der NATO.

Für die Bundeswehr hat die mangelnde Festlegung militärischer Ziele schwerwiegende Konsequenzen. Die Politik bestimmt im Detail, mit welchem Personal und Material die Bundeswehrkontingente in den Einsatz gehen. Dabei spielen innenpolitisch motivierte Beschränkungen eine große Rolle. Diese manifestieren sich neben einer nicht militärisch abgeleiteten Mandatsobergrenze in Schlagworten wie „keine Bodentruppen“, „keine Angriffswaffen“ oder schlicht „keine Haubitzen“.

Da es keine definierten militärischen Ziele gibt, hat die militärische Führung nur eine begrenzte Anspruchsgrundlage für ihre Forderungen. Sie kann nur schwer einen Bezug zwischen Zielen und dafür erforderlichen Mitteln herstellen, um politischen Auflagen entgegenzutreten, die militärisch nicht sinnvoll sind.

Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass sich Deutschland mit einer echten Einsatzauswertung so schwertut. Die ehrliche Frage müsste lauten, „haben wir politisch das erreicht, worauf es uns ankam?“ Wenn jedoch die wahren Ziele von den proklamierten entscheidend abweichen, kann die Regierung diese Frage nicht öffentlich stellen. Das wäre weder gegenüber den Verbündeten noch gegenüber der eigenen Truppe zu vermitteln, wie die Beispiele Niger und Mali zeigen.

Diese Ablage ist dann besonders groß, wenn sich die politischen Adressaten des deutschen Bemühens, also die VN, Frankreich, die USA oder die NATO, mit symbolischen Beiträgen ohne großen militärischen Wert zufriedengeben. Anders ist es, wenn nur ein solcher deutscher Beitrag akzeptiert wird, der zum deklarierten Ziel der Mission substantiell beiträgt.

Besonders bitter ist dieses Defizit für die Soldaten im Einsatz. Sie können nur das im jeweiligen Mandat deklarierte Ziel ins Verhältnis zu den ihnen zugestandenen Möglichkeiten setzen. Wenn sie über lange Jahre regelmäßig wieder an den Ort des Geschehens zurückkehren und sehen, dass es trotz all ihrer persönlichen Opfer nicht vorangeht und womöglich sogar Rückschritte gibt, kann das zu einer traumatischen Erfahrung werden.

Und schließlich bleibt als großer Verlierer die EU zu nennen. Wenn ihre beiden mächtigsten Staaten Sicherheitspolitik so betreiben, wie in der Studie dargestellt, wird sie niemals ein ernstzunehmender politischer Akteur außerhalb ihrer wirtschaftlichen Domäne.

Lachers dankenswerte Untersuchung bietet allen Interessierten - und hoffentlich vielen Weiteren, die sich interessieren sollten - reichlich Anregungen über die deutsche Sicherheitspolitik, das deutsch-französische Verhältnis oder die Rolle der EU als außenpolitischer Akteur nachzudenken.

2 Kommentare

    • Die Studie ist mehr Meinung als wissenschaftliche Untersuchung. Lacher hätte für eine seriöse Bewertung Beteiligte in der Bundesregierung ansprechen können. Hat er nicht getan.

      Ratio für die Erhöhung des Engagements in Mali 2015 war primär Solidarität mit Frankreich im Moment des EU-Beistandsfalls, Art. 42.7 EUV.

      Die EU hat am 16.05. ihre Sahel-Strategie aktualisiert.

      Die Bundesregierung hat den Kabinettsbeschluss über die Mali-Mandate MINUSMA und EUTM Mali mit einer strategischen Konzeption unterlegt.

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