Foto zeigt den Flugkörper P-360 nach dem Verlassen des Abschussbehälters

Foto zeigt den Flugkörper P-360 nach dem Verlassen des Abschussbehälters

Zum Untergang der "Moskwa"

„Slawa“ in der Straße von Messina, 1984  Copyright: Prof. Dr. med. habil. Hans Anton Adams

Der russische Lenkwaffenkreuzer „Москва“, „Moskwa“, zu Deutsch Moskau, Hullnummer 121, sank am 14. April 2022. Am Nachmittag zuvor verbreitete sich die Information über den Beschuss des Führungsschiffes der russischen Schwarzmeerflotte mit Küste-Schiff-Flugkörpern. Das Verteidigungsministerium in Moskau bestätigte den Untergang, ohne den Beschuss mit Flugkörpern anzuführen. Tass berichtet, infolge eines Brandes sei Munition explodiert, was zu schweren Beschädigungen führte. Die Besatzung sei evakuiert worden, hieß es weiter.

Versuch einer Analyse

Der Hype um den Untergang des von einigen Medien schon zum Schlachtschiff stilisierten Kreuzers verebbt. Ein Bergungsschiff, die 110 Jahre alte „Kommuna“, wurde in Marsch gesetzt (MFO berichtete). Das russische Verteidigungsministerium hat den Verlust, auch die Opfer in der Besatzung, bestätigt. Die Ursachen liegen trotz der Moskauer Anerkenntnis nach wie vor weitgehend im Nebel. Ein Grund für uns, sich näher mit den russischen Operationen im Schwarzen Meer um den Totalverlust der „Moskwa“ auseinanderzusetzen. Vorausgeschickt wird, dass die auf Basis der spärlichen Tatsachen und mittels Offener Aufklärung (OSINT) gewonnenen Informationen im Zusammenspiel mit dem eigenen Erfahrungshintergrund und dem konsultierter Marinekameraden zu den hier gemachten Einschätzungen und Folgerungen führen. Berichte der russischen und der ukrainischen Behörden können nicht unabhängig überprüft werden.

Ereignisse um die „Moskwa“ vor ihrem Untergang

Mögliche Landungsoperationen

Die russische Schwarzmeerflotte hat den Krieg von See aus mit dem Einsatz von Marschflugkörpern unterstützt. Soweit bekannt waren ihre Operationen eine wichtige Stütze bei den Versuchen, Mariupol einzunehmen.

Der „Moskwa“ kam die Rolle eines Führungsschiffes zu. Zu ihren weiteren Aufgaben gehörten (artilleristische) Feuerunterstützung bei Einsätzen auf Landstellungen sowie im weiträumigen Luftschutz für die anderen im Einsatz befindlichen Überwassereinheiten, insbesondere der Landungsverbände (die, soweit wir wissen, bisher nicht zur Geltung kamen). Soweit sich aus ihrer Bewaffnung folgern lässt, war sie selbst nicht zwingend beim Raketenbeschuss von Landzielen beteiligt. Ihre Flugkörperbewaffnung gibt dies nicht her. Der SS-N-12 ist kein Marschflugkörper und Sachkundige bestätigen, dass ein Landzielbeschuss lediglich in einem Notverfahren möglich ist. Denkbar ist der Einsatz ihrer Schiffsartillerie gegen Landziele. Der doppelläufigen 130 mm wird gegenüber Oberflächenzielen eine Reichweite von ca. 25 Kilometern nachgesagt. Was, im Falle einer Unterstützung der Landoperationen im Donezker Oblast, Navigieren im Asowschen Meer hieße.

Drei Einsätze der „Moskwa“ lassen sich nachvollziehen. Bereits am ersten Tag des russischen Überfalls auf die Ukraine, am 24. Februar, schrieb die „Moskwa“ mit der Episode um die Schlangeninsel erneut Geschichte. Eskortiert von dem Patrouillenschiff, Baureihe Projekt 22160, „Wassili Bykow“ forderte sie die dort stationierte ukrainische Kompagnie zur Kapitulation auf. Die auf Funk übermittelte vulgäre Weigerung der Verteidiger hat mittlerweile philatelistische Bedeutung. Am 15. sowie am 30. März wurde sie bei den beiden wichtigsten Beispielen dokumentiert, die im Zusammenhang mit versuchten amphibischen Operationen in der Region Odessa stehen, die dort jedoch bisher noch nicht zu Ende gebracht wurden.

Nach anfänglichen Täuschungsoperationen, die sich ab dem 2. März ereigneten, folgte die Inszenierung amphibischer Demonstrationen der russischen Marine. Sowohl am 15. als auch am 30. März manövrierten sechs Landungsschiffe südlich Odessas in Richtung Küste. Ein amphibischer Angriff auf Odessa kam jedoch nicht zustande. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass der Vormarsch auf dem Landweg von der Krim aus aufgehalten wurde. Die mittlerweile zu konstatierende Minengefährdung in dem Seegebiet könnte ein anderer Grund für die Zurückhaltung der russischen Marine gewesen sein. Ferner ist denkbar, dass das Vorgehen beabsichtigte Täuschungsmanöver waren, um ukrainische Streitkräfte zu binden. Sie gehörten auch zur allgemeinen Drohkulisse, die die russischen Streitkräfte für ihre Zwecke nutzten.

Wie dem auch sei, seit Beginn des Krieges wurden Einheiten der russischen Seestreitkräfte von Land aus beobachtet, die in einem vorhersehbaren Muster vor der Küste von Odessa und in der Nähe der Schlangeninsel operierten (Quelle: ‚internationale‘ Offene Aufklärung).

Odessa ist der wichtigste Schwarzmeerhafen der Ukraine und war vermutlich ein frühes Ziel des russischen Vormarsches. Die Stadt ist strategisch und wirtschaftlich wichtig. Die Einnahme von Odessa würde die Ukraine fast zum Binnenstaat machen und könnte zur Realisierung eines weiteren strategischen Zieles verhelfen, nämlich zur Schaffung einer Landbrücke nach Transnistrien, ein von Russland unterstützter, nicht anerkannter abtrünniger Staat in Moldawien. Diese Theorie erhielt nach den Angriffen auf Odessa am Wochenende 23./24. April neue Nahrung.

Wie insgesamt der Eindruck herrscht, dass es dem Kreml von vorneherein um die Besetzung der gesamten Ukraine ging. Dieser Schluss ist zulässig angesichts der anfangs von Russland gezeigten Vorstoßlinien bei gleichzeitiger Berücksichtigung der gewählten Ziele für die Marschflugkörper. Insofern hatte die Drohkulisse amphibischer Versuche im Raum Odessa einen tatsächlichen strategischen Hintergrund.

Andere Operationen

Möglicherweise war die „Moskwa“ auch an der Durchsetzung der Seeblockade beteiligt, Angriffe ihrerseits auf Handelsschiffe sind nicht dokumentiert. Amerikanischen Informationen zufolge verblieb sie weiter in Reichweite der Küste. Wie alle russischen Kriegsschiffe kehrte auch die „Moskwa“ regelmäßig in ihren Heimathafen Sewastopol zurück. Interessanterweise legte sie an ihrer üblichen Position an. Dieses vorhersehbare Bewegungsmuster gereichte ihr jedoch nicht zum Nachteil. Das Verhalten der russischen Marine könnte ein Indikator dafür sein, für wie sicher Sewastopol gilt.

Die Schwesterschiffe „Marschall Ustinow“ der Nordflotte und „Warjag“ von der Pazifikflotte wurden in der Vorbereitungsphase des Moskauer Einmarsches ins Mittelmeer beordert (ESuT berichtete), wo sie sich zurzeit noch immer befinden.

Ein Blick auf die maritimen ukrainischen Fähigkeiten

26. Mai 2022

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  1. Noch eine Ergänzung: Experten weisen darauf hin, dass auf den Bildern des beschädigten Schiffes die großen Radarantennen allesamt in Nullstellung gezurrt sind. In diese Position dürften sie kaum mehr nach den Treffern gebracht worden sein. Das deutet darauf hin, dass der Bereitschaftszustand des Schiffes niedrig war und nicht einmal der Stufe Kriegsmarsch entsprach. Dahinter darf man eine Kombination von falscher Lageeinschätzung und Bequemlichkeit vermuten. Es ist jedenfalls alles andere als professionelles Verhalten in einem Kriegsgebiet.

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