Russisches Kilo-3 U-Boot "Krasnodar". Foto: Michael Nitz

Russisches Kilo-3 U-Boot "Krasnodar". Foto: Michael Nitz

Zur "Novorossiysk"

Das russische dieselelektrische U-Boot "Novorossiysk" (Projekt 636.3, Improved Kilo) sorgt seit dem vergangenen Wochenende für widersprüchliche Schlagzeilen. Während oppositionelle Telegram-Kanäle aus Russland von einem schweren technischen Defekt an Bord berichten, unter anderem von einem Treibstoffleck mit Explosionsgefahr und fehlenden Ersatzteilen, zeichnen Beobachtungen der NATO an der europäischen Atlantikküste bislang ein anderes Bild.

Die "Novorossiysk" operiert bereits seit Sommer 2022 regelmäßig im Mittelmeer, wo sie im Rahmen der russischen Einsätze gegen die Ukraine und zur Präsenzsicherung stationiert war. Nach Passage der Straße von Gibraltar und ihrem derzeitigen Transit durch den Atlantik wird erwartet, dass sie Kurs auf die Nordflotte nimmt, vermutlich in Richtung der Basis Gadschijewo auf der Kola-Halbinsel.

Die "Novorossiysk" hatte ihren Heimatstützpunkt Sewastopol im Schwarzen Meer noch vor Moskaus Kriegsbeginn in der Ukraine verlassen und gehörte bis zum Ende des russischen Stützpunkts Tartus/Syrien zur Mittelmeer-Eskadra. Sie kehrte nach einer längeren Instandsetzung in Kronstadt, beginnend im Herbst 2022, im Spätsommer 2024 zurück ins Mittelmeer. Gemäß jüngster OSINT-Beobachtungen und offiziellen maritimen Quellen ist mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass sich die "Novorossiysk" aktuell auf dem Weg zu ihrer neuen Einsatzbasis bei der Nordflotte auf der Kola-Halbinsel befindet.

Nach Informationen westlicher Streitkräfte setzte das Boot seinen Transit nach dem Passieren von Gibraltar am 26. September eigenständig fort, wenn auch mit vergleichsweise geringer Geschwindigkeit. Am Sonntag tauchte die "Novorossiysk" zudem kontrolliert ab – ein entscheidender Hinweis, dass von einer akuten Havarie nicht die Rede sein kann, da beschädigte Boote das Risiko einer Tauchfahrt in der Regel vermeiden.

Faktencheck

In russischen Staatsmedien finden sich zu diesen Vorgängen keine Hinweise. RIA Novosti, TASS oder das Armeeblatt Krasnaya Zvezda erwähnen den Transit nicht und halten die Linie, Operationen der Marine im Ausland grundsätzlich als Routineeinsatz zu präsentieren. Nur in oppositionellen Kanälen kursieren die Spekulationen über eine technische Notlage. Russische Militärkommentatoren in Medien wie Gazeta.ru verweisen eher allgemein auf die strukturelle Schwäche der Marine: Nach dem Wegfall der syrischen Basis Tartus fehlen den dort eingesetzten Einheiten logistische und technische Anlaufpunkte, was den Verschleiß gerade bei längeren Transitfahrten erhöht.

In Spanien und Portugal griffen große Tageszeitungen die Telegram-Gerüchte schnell auf, wobei militärische Stellen zurückhaltender reagierten. Zwar bestätigten Angehörige der spanischen Armada, dass das Boot von NATO-Einheiten lückenlos überwacht werde, ein Notruf sei jedoch nie eingegangen. Portugiesische Beobachter stellten ebenfalls klar, dass keine russischen Hilfsschiffe oder Schlepper in Richtung Atlantik unterwegs seien. Die auffällig langsame Transitgeschwindigkeit könne zwar ein Indikator technischer Einschränkungen sein, entspreche jedoch auch dem normalen Operationsprofil dieses U-Boot-Typs.

In der britischen Presse wurde das Thema besonders pointiert aufgegriffen. Zeitungen wie The Telegraph oder The Times berichteten von einem „U-Boot in Not“ vor Portugal und übernahmen nahezu wortgleich die Formulierungen aus den oppositionellen Telegram-Meldungen. Deutlich nüchterner fielen hingegen die Einschätzungen der BBC und des UK Defence Journal aus: Hier wird insbesondere auf den dokumentierten Tauchvorgang vom Sonntag verwiesen, der darauf schließen lässt, dass die Besatzung volle Kontrolle über ihr Schiff behält. Fachleute wie Michael Setzer, Präsident des VDU, betonen, dass ein ernsthafter technischer Defekt in der Regel jede geplante Ab- und Auftauchfahrt ausschließen würde.

Schlagzeilen heischend

Der norwegische Barents Observer fasste die Kontroverse schließlich als Beispiel für die Dynamik von Desinformationsketten zusammen: Ein nicht verifiziertes Gerücht aus einem oppositionellen Telegram-Kanal wurde in südeuropäischen und britischen Medien zu einer großen Schlagzeile, während es an Bestätigungen fehlt. Zugleich verweist die Plattform darauf, dass die U-Boote der 636.3er Klasse nach über einem Jahrzehnt intensiven Einsatzes durchaus Anfälligkeiten aufweisen könnten. Strategisch sei der Transit des Bootes in Richtung Nordflotte ohnehin von Bedeutung, da die Schwarzmeerflotte infolge des Krieges gegen die Ukraine und westlicher Blockaden stark geschwächt ist und jede Verlegung symbolisches Gewicht erhält.

Damit steht fest: Ein schwerwiegender Notfall der "Novorossiysk" ist bislang nicht nachweisbar. Das Boot bleibt unter Beobachtung der NATO-Kräfte, zeigt aber keinerlei äußere Anzeichen für eine akute Krise.

Gleichwohl weist der Vorfall exemplarisch auf die angespannte Lage der russischen Marine hin, deren Einheiten ohne feste Stützpunkte im Mittelmeer zunehmend lange, risikobehaftete Rückführungsfahrten bewältigen müssen.

Wir wünschen der Besatzung der "Novorossiysk" weiterhin eine gute Fahrt und eine 'ereignislose' Heimkehr.

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