Wir haben uns Mitte Februar – sechs Tage vor dem russischen Überfall auf die Ukraine – gefragt, ob die Bundesregierung angesichts der Bedrohung an der Ostflanke Europas mit Blick auf die Wehr und ihre Ausgaben aus ihrem Dornröschenschlaf aufwacht. Konkret haben wir in einem Beitrag geschrieben:
Das mediale Bild wird bestimmt von den russischen Kampffahrzeugen, die hufeisenförmig um den Osten der Ukraine aufmarschiert sind. […] Reicht die aktuelle Drohkulisse Moskaus aus, um Berlin aus seinem Dornröschenschlaf zu erwecken, oder fällt man nach Überstehen der Krise in alte Muster zurück? Wie finanziert man vor dem Hintergrund eines überlasteten Wehretats und eines angespannten Bundeshaushaltes diese Ansprüche an Sicherheit für Deutschland und Europa? Und sind diese Anstrengungen angesichts der dramatischen demografischen Entwicklung organisatorisch und fiskalisch zu schaffen?
Bei der kommenden Haushaltsaufstellung wird Berlin zeigen, wie ernst es das Säbelrasseln Moskaus im Osten der Ukraine und seine eigenen militärischen und sicherheitspolitischen Fähigkeiten nimmt. […]Wenn nun darüber gesprochen wird, was zu tun ist, offenbart sich nun auch, was in den vergangenen Jahren nicht getan wurde.
Sicherheit ist Vorsorge – Kommentar zur russisch-ukrainischen Krise. Blog #meerverstehen, 18.02.2022.
Weniger Sekt?
Mittlerweile wissen wir mehr – unter anderem, dass Kanzler Olaf Scholz ein Sondervermögen in Höhe von 100 Mrd € für die Bundeswehr plant. Wie sich das Sondervermögen haushalterisch-handwerklich letztendlich darstellen wird werden wir Mitte Mai erfahren, wenn das Haushaltsgesetz vom Bundestag verabschiedet werden soll. Wie die „Einkaufsliste“ der Dimensionen (früher Teilstreitkräfte) politisch geordnet am Ende des Tages aussehen, ist zur Zeit in Berlin ein laufender Prozess. Welche Wünsche und Ansprüche sich aus Sicht der Deutschen Marine ergeben könnten, hat Hans-Uwe Mergener dankenswerter Weise in einem aktuellen Beitrag erläutert.
Bis die Politik entscheidet und bis die Industrie die bestellten Schiffe und Boote liefert, fließt noch viel Wasser durch den Nord-Ostsee-Kanal. Wie steht es bis dahin um die im Bestand und im Zulauf befindlichen Einheiten der Deutschen Marine? Zu den beiden Projekten K 130 und F 125 lesen wir im 14. Rüstungsbericht des BMVg:
Korvette Klasse 130, 2. Los
Leistungsspektrum
Die Korvetten Klasse 130 stellen eine Schlüsselkomponente für Krisenreaktionseinsätze der Marine dar. Hauptaufgaben sind die Aufklärung der Überwasserlage und die Seezielbekämpfung. Das Einsatzspektrum reicht von der Friedenspräsenz über militärische Aufgaben der Krisenbewältigung bis zum Kampf in Randmeeren und der Waffenwirkung an Land. Mit dem Projekt werden weitere fünf Boote Korvette Klasse 130 beschafft.
Wesentliche Änderungen
Die Boote 6 bis 8 befinden sich in der Ausrüstung in Hamburg. Schiffbaulich befinden sich die Boote im Terminplan. Der durch die ARGE K 130 im September 2020 vom Auftraggeber geforderte zwölfmonatige „Design-Freeze“ für das Einsatzsystem wurde umgesetzt, um die Auslieferung der Boote und des Einsatz-/Betriebsunterstützungszentrums mit vollen Funktionalitäten des Einsatzsystems, verbunden mit einem Lieferverzug von zwei Monaten für die Boote 6 und 7, zu gewährleisten.
Eine Verschärfung der bestehenden Risiken zum Einsatzsystem ist möglich. Die vertragliche Umsetzung der Verzögerung durch die Integration des neuen Rahmenterminplans in einen Änderungsvertrag zum Bauvertrag steht noch aus. Im September 2021 wurden im Rahmen eines Projektreviews die weitere Vorgehensweise und die entsprechenden Vorschläge für die technischen Lösungen präsentiert. Diese werden nun detailliert analysiert, nachdem die im März 2021 vorgestellten Konzepte zur Integration des Einsatzsystems und Mitigation möglicher Lieferverzögerungen im Bereich der Hardware durch den öffentlichen Auftraggeber (öAG) aufgrund nicht akzeptabler Zeitlinien zurückgewiesen wurden.
Projektübersicht
- Entwicklung gemessen an der ersten parlamentarischen Befassung:
Abweichung zum nächsten Meilenstein „Beginn Auslieferung“: +9 Monate in 2023
Abweichung der aktuellen Veranschlagung: +311 Mio € (+13 Prozent) - Entwicklung gemessen an der aktuellen Vertragslage:
Abweichung zum nächsten Meilenstein „Beginn Auslieferung“: +2 Monate in 2023
Anteil der Leistungsverbesserung/-änderung an der o.a. Abweichung: +191 Mio € (+61 Prozent)
Stand & Entwicklung des Projektes
Das Projekt K 130 2. Los liegt gemäß der vertraglichen Grundlage derzeit im Zeit- und Kostenrahmen. Die engen Arbeitsbeziehungen zwischen öAG und der ARGE K 130 mit einer Projektleitung vor Ort am Sitz der ARGE K 130 wirken sich sehr positiv auf das Projektmanagement aus. Weiterhin zeichnet sich eine Verzögerung durch einen Leistungsverzug seitens des Konsortium FüWES (KoFü) im Rahmen der Integration des Einsatzsystems ab. Dieser wird frühestens zum Ende des vierten Quartals 2021 genau spezifiziert werden können. Die Mitwirkungspflichten des öAG, u. a. bei der Prüfung und Zulassung der technischen Dokumentation, erfordern erhebliche personelle Ressourcen, die nur unter Zuhilfenahme externer Unterstützung projektverträglich erbracht werden können. Der Schwerpunkt des Projekts hat sich inzwischen mit drei von fünf in der Ausrüstung befindlichen Booten von Lemwerder nach Hamburg verlagert.
Gesamtplanerische Einordnung
Die Korvetten Klasse 130 sind ein wichtiges Einsatzmittel im Rahmen der Randmeerkriegsführung. Sie dienen sowohl der Seezielbekämpfung als auch der gemeinsamen taktischen Feuerunterstützung für Kräfte an Land. Die zusätzliche Beschaffung von fünf Korvetten wird dazu beitragen, die individuellen Einsatzbelastungen aller Korvetten und folgend der Marine zu reduzieren. Darüber hinaus reduziert die möglichst große Baugleichheit die Aufwände in den Bereichen Ausbildung und Infrastruktur an Land in technischer, personeller und organisatorischer Hinsicht.
Die Richtungsentscheidung zur Ergänzungsbeschaffung von weiteren fünf Korvetten (Boote 11-15 zur Sicherstellung der Einsatzverfügbarkeit bei gleichzeitiger Verwertung des 1. Loses) stellt sich angesichts der gegenwärtigen Finanzlinien als vorerst nicht finanzierbar dar. Zur Erfüllung der nationalen Ambition von insgesamt zehn Korvetten werden im Rahmen einer gesamtplanerischen Betrachtung nun Optionen zur Erreichung untersucht, welche gleichzeitig einer bruchfreien Nutzung des Konstruktionsstandes der laufenden Produktionslinie des 2. Loses gerecht werden.
Verteidigungs- & bündnispolitische Aspekte & Entwicklungen
Deutsche Seestreitkräfte schützen die territoriale Integrität Deutschlands und Verbündeter. Dabei ist die Handlungsfähigkeit auf See Voraussetzung für das Engagement im Krisenmanagement durch seegehende Kräfte sowie für die Gewährleistung gesicherter Versorgungswege. Darüber hinaus stellt die Korvette der Klasse 130 eine Schlüsselkomponente für das internationale Krisenmanagement der Bundeswehr dar.
Rüstungswirtschaftliche Aspekte & Entwicklungen
Die Folgebeschaffung K 130 2. Los erweitert quantitativ, sowie im Rahmen der Obsoleszenzbeseitigung in eingeschränktem Maße auch qualitativ, das Fähigkeitsportfolio der Marine. Durch die Beauftragung K 130 2. Los haben die rüstungswirtschaftlichen Kapazitäten im nationalen Überwasserkriegsschiffbau eine Fundierung im Rahmen der notwendigen Erneuerung der Flotte erfahren.
Auswirkungen auf die Einsatzbereitschaft
Der Schlüssel zur materiellen Einsatzbereitschaft liegt in der zeitgerechten Herstellung der Versorgungsreife und der Umsetzung aller erforderlichen Maßnahmen zur Akkreditierung der IT-Systeme der gesamten Klasse K 130. Eine nicht hergestellte Versorgungsreife, d.h. dauerhaft eingeschränkte logistische Betreibbarkeit, führt absehbar zu negativen Auswirkungen auf die materielle Einsatzbereitschaft und schränkt, ebenso wie eine fehlende oder eingeschränkte Akkreditierung der IT-Systeme, die operative Nutzbarkeit der Korvetten erheblich ein.
Fregatte Klasse 125
Leistungsspektrum
Die Fregatte Klasse 125 (F 125) ist in ihrer Konzeption auf die geänderten Einsatzbedingungen der Gegenwart und der Zukunft ausgelegt. Die F 125 sollen unter anderem in der Lage sein, weltweite und langandauernde Einsätze zu fahren. Die Hauptaufgaben bestehen in der Durchführung maritimer Stabilisierungsoperationen (niedriger und mittlerer Intensität), in der taktischen Feuerunterstützung von See an Land, im Wirken gegen asymmetrische Bedrohung auf See, in der Bereitstellung von Führungsfähigkeit auf Verbandsführerebene (Commander Task Group [CTG]) und in der Unterstützung von Einsätzen der Spezialkräfte bzw. von spezialisierten Kräften.
Aufgrund der geforderten Intensivnutzung (d.h. zwei Jahre Stehzeit im Einsatz; 5.000 Betriebsstunden pro Jahr; weltweiter Einsatz; Betriebserhaltungsperiodennorm [BEPN] 68 Monate; Umsetzung eines Zweibesatzungskonzepts) kommt der Instandhaltung des Schiffes und der Geräte, verbunden mit der Forderung nach einer geringen Besatzungsgröße, große Bedeutung zu und es bedarf daher auch im Bereich der Plattformauslegung neuer technischer Konzepte.
Wesentliche Änderungen
Das erste Schiff, Fregatte Baden-Württemberg (BWG), hat nach seiner ersten Nutzungsphase die Bedarfsinstandsetzung am 06.04.2021 begonnen. Diese endet am 26.08.2022.
Das zweite Schiff, Fregatte Nordrhein-Westfalen (NRW), wurde am 10.06.2020 in Dienst gestellt und Schiff drei, Fregatte Sachsen-Anhalt (SAH), am 17.05.2021.
Der von der Industrie avisierte Ablieferungstermin für das vierte und letzte Schiff, Fregatte Rheinland-Pfalz (RHL), Mitte Oktober 2021 musste aufgrund mehrfach nicht erreichter Reife für die Durchführung der Funktionsnachweise verschoben werden. Eine Ablieferung noch im Dezember 2021 ist primär abhängig von der Erfüllung der Funktionsnachweise, insbesondere des Einsatzsystems, sowie einer vertraglichen Einigung über noch geschuldete Leistungen bzw. weiter bestehende Leistungsdefizite.
Projektübersicht
- Entwicklung gemessen an der ersten parlamentarischen Befassung:
Abweichung zum nächsten Meilenstein „IOC“: +70 Monate in 2021
Abweichung der aktuellen Veranschlagung: + 1,117 Mrd € (+51 Prozent) - Entwicklung gemessen an der aktuellen Vertragslage:
Abweichung zum nächsten Meilenstein „IOC“: +15 Monate in 2021
Anteil der Leistungsverbesserung/-änderung an der o.a. Abweichung: + 355 Mio € (+32 Prozent)
Stand & Entwicklung des Projektes
Die für Dezember 2021 erwartete Ablieferung von Schiff 4 ist aufgrund ausstehender Nachweise im Einsatzsystem, des Nachhaltens und Abstellens aller ausstehenden technischen, kaufmännischen und vertraglichen Leistungsdefizite sowie weiterhin ausstehender Vertragsschlüsse zur Herstellung der Einsatzreife hoch risikobehaftet.
Die durch Blockbildung von Maßnahmen beherrschte Terminplanung reduziert absehbar die Möglichkeiten, Besatzungen für Einsatzzwecke zu qualifizieren.
Gesamtplanerische Einordnung
Mit der Abnahme des vierten und letzten Schiffes, geplant noch in diesem Jahr, geht der Fähigkeitsaufbau des Waffensystems kontinuierlich voran. Aufgrund der noch bestehenden Einschränkungen im Einsatzsystem und bei der Informationssicherheit sowie durch fehlende Anteile der Einsatzprüfung (127mm Artillerie und Flugkörperschießen) wird eine operative Nutzung erst 2023 möglich sein. Die zeitnahe Abstellung dieser Defizite hat aus planerischer Sicht höchste Priorität, um die vier Einheiten schnellstmöglich operativ verfügbar zu machen.
Verteidigungs- & bündnispolitische Aspekte & Entwicklungen
Seestreitkräfte leisten einen ständigen Beitrag zur maritimen Sicherheit im nationalen und multinationalen Verbund. Mit der Fregatte Klasse 125 werden größere verteidigungspolitische Handlungsspielräume zur weltweiten Begegnung von Krisen und Konflikten an ihrem Entstehungsort ermöglicht, um frühzeitig einer weiteren Eskalation zuvorzukommen. Darüber hinaus leistet Deutschland durch die F 125 einen essenziellen und wahrnehmbaren Beitrag zu den ständigen NATO-Marineverbänden.
Rüstungswirtschaftliche Aspekte & Entwicklungen
Die F 125 bietet neben der Erweiterung des Fähigkeitsspektrums der Marine die Möglichkeit zum Nachweis der technologischen Fähigkeiten der deutschen Schiffbauindustrie. Herausforderungen bestehen für schiffsgestützte IT-Systeme und ihre Akkreditierung. Mit der fortschreitenden Digitalisierung im Marineschiffbau entsteht für die beteiligten Unternehmen ein neuer Entwicklungsschwerpunkt für die Vermarktung ihrer Produkte und ihres kommerziellen Erfolgs.
Auswirkungen auf die Einsatzbereitschaft
Der Schlüssel zur materiellen Einsatzbereitschaft liegt in der Herstellung der Versorgungsreife und der Umsetzung aller erforderlichen Maßnahmen zur Akkreditierung der IT-Systeme der Fregatten der Klasse 125. Eine nicht hergestellte Versorgungsreife, d.h. dauerhaft eingeschränkte logistische Betreibbarkeit, führt absehbar zu negativen Auswirkungen auf die materielle Einsatzbereitschaft und schränkt, ebenso wie eine fehlende oder eingeschränkte Akkreditierung der IT-Systeme, die operative Nutzbarkeit der Fregatten ein.
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