USX-1 Defiant kurz vor der Fertigstellung im Februar 2025, Foto: Darpa

USX-1 Defiant kurz vor der Fertigstellung im Februar 2025, Foto: Darpa

Alle Mann von Bord

Mit der Defiant durchläuft der Prototyp eines potenziell bewaffneten unbemannten Überwasserfahrzeugs mittlerer Größe in diesem Frühjahr eine mehrmonatige Erprobung auf See. Autonom sollen die Boote zukünftig eine Vielzahl unterschiedlicher Aufgaben übernehmen können.

Entwickelt wurde USX-1 im Auftrag der Technologiebehörde des Pentagons, der Defense Advanced Research Projects Agency (Darpa). Das Programm trägt die Bezeichnung Nomars, ein Akronym für No Manning Required Ship. Ziel ist die Entwicklung eines Schiffs, das über längere Zeiträume hinweg ohne menschliche Besatzung auf See operieren kann.

„Das Nomars-Programm weicht vom traditionellen Schiffsbaumodell ab“, erklärt die Darpa. Zwar verfügt das US-Militär bereits über eine größere Anzahl autonomer Schiffe und Boote, doch fallen diese in zwei übergeordnete Gruppen: einerseits kleine Boote und noch kleinere, floßähnliche Überwasserfahrzeuge, die für die längere Aufnahme einer Besatzung untauglich sind; andererseits mittlere bis größere Einheiten, die durch Umrüstung bemannter Tender nun für den „wahlweise unbemannten“ Einsatz tauglich sind, aber noch immer die Bordinfrastruktur für eine Crew bereithalten. Nomars wurde hingegen von Grund auf ohne Einrichtungen für eine menschliche Präsenz an Bord entworfen.

Dieser Ansatz soll verschiedene operative Vorteile bringen. Das Schiff kann kleiner ausfallen, ohne an Leistung einzubüßen. Sowohl die geringere Größe als auch der Wegfall der für eine Besatzung notwendigen Ausrüstung reduziert die Beschaffungs- und Betriebskosten. Der stromlinienförmige Rumpf und die optimale Gewichtsverteilung verringern den Widerstand im Wasser, was zu hoher Stabilität und effizientem Kraftstoffverbrauch führt. Die Einheit kann zudem mit besseren Stealth­eigenschaften versehen werden. Selbst die Schadensbegrenzung soll durch den Wegfall der Besatzung profitieren. Beispielsweise wird im Brandfall automatisch ein für Menschen tödliches Gas freigesetzt, das innerhalb des Schiffes sauerstoffverdrängend wirkt und die Flammen sofort erstickt.

Entwicklung und Erprobung

Das Nomars-Programm wurde 2020 eingeleitet. Die Darpa vergab 2022 den Entwicklungsauftrag im Wert von 68 Millionen Dollar an die Firma Serco als Hauptauftragnehmer und Systemintegrator. Mit dem Bau des Prototypen wurde die in der Nähe von Seattle gelegene Werft Nichols Brothers beauftragt.

Der als USX-1 DEFIANT bezeichnete Prototyp wurde im Februar 2025 fertiggestellt. Bislang machte das Pentagon keine offiziellen Angaben hinsichtlich des Verbleibs des Prototyps, doch Beobachtern zufolge Anfang März, dass das Schiff mithilfe eines Schleppers in Richtung des nahegelegenen Marinestützpunkts Whidbey Island verbracht worden sei.

Zunächst wird die Seetauglichkeit zwei Monate lang an der Pier sowie anschließend auf See in Küstennähe erprobt. Falls alles zufriedenstellend verläuft, dann im Frühjahr „eine sehr umfangreiche und intensive Demonstration des Schiffs und dessen Fähigkeiten durchgeführt“, erklärte der zuständige Serco-Programmmanager Ryan Maatta. Diese intensive Seeerprobung wird auf drei Monate veranschlagt. Sie ist ausschließlich auf die maritime Leistungsfähigkeit des Fahrzeugs ausgerichtet; es werden keinerlei Waffensysteme an Bord installiert oder getestet. Nach Abschluss dieser Versuchsphase wird der Prototyp von der Darpa zwecks weiterer einsatzspezifischer Erprobung an die US Navy überstellt.

Einsatzkonzept

Das potenzielle Aufgabenspektrum umfasst die weiträumige und langfristige Aufklärung und Überwachung sowie den Einsatz als Waffenträger. Auch Logistikaufgaben, etwa Versorgung von Truppen oder kleineren Schiffen in entlegenen Einsatzgebieten, werden erwogen. „Wir werden Entsendungs- und Wartungsmodelle entwickeln, um große Flottillen unbemannter Überwasserfahrzeuge einzusetzen, die, über den ganzen Erdball hinweg, als Partner der größeren bemannten Kriegsschiffe der US Navy fungieren“, erklärte der zuständige Darpa-Programmmanager Gregory Avicola.

Mit 55 Meter Länge und 240 Tonnen Verdrängung entspricht die DEFIANT der Kategorie der unbemannten Überwasserfahrzeuge mittlerer Größe (Medium Unmanned Surface Vessel, MUSV). Der Wegfall der für eine Besatzung erforderlichen Bordinfrastruktur resultiert in einer wesentlich größeren Nutzlastkapazität einschließlich der Bereitstellung einer großen Nutzfläche auf dem Oberdeck. Ein Mittschiffs gelegener Hauptmast und ein auf dem Vorderdeck gelegener kleiner Mast werden verschiedene Sensoren einschließlich Radaranlagen sowie Kommunikationsantennen aufnehmen.

Transport des Prototypen von der Werkshalle zum Wasser, Foto: Darpa
Transport des Prototypen von der Werkshalle zum Wasser, Foto: Darpa

Hinsichtlich einer möglichen Ausstattung mit Waffen schweigt das Pentagon bislang. Lediglich eine allgemein gehaltene Aussage der Darpa, dass Nomars „eine signifikante Nutzlast mit taktisch relevanter Reichweite“ führen soll, wurde veröffentlicht. Während der Ausstellung Navy League präsentierte die Firma Serco im April 2024 Schiffsmodelle, die die DEFIANT mit einem Raketencontainer auf dem Vorderdeck sowie einem Standardcontainer auf dem Achterdeck zeigen. Der Standardcontainer enthält stellvertretend für verschiedene Aufklärungsnutzlasten, etwa unbemannte Luftfahrzeuge, unbemannte Unterwasserfahrzeuge, ein Schleppsonar zur U-Jagd oder elektronische Kampffmittel.

Beim Waffenträger auf dem Vorderdeck handelt es sich um einen sogenannten Adaptable Deck Launcher (ADL) der Firma BAE Systems. ADLs sind darauf ausgerichtet, die gleichen Waffensysteme aufzunehmen, die auf größeren Schiffen in Vertikalstartzellen geführt werden, einschließlich Seezielflugkörper, Marschflugkörper zur Bekämpfung von Landzielen, U-Jagd­raketen und Flugabwehrraketen. Je nach Ausführung können ADL-Behälter mit zwei, vier oder acht Nutzlastzellen ausgestattet werden.

Die Firma Serco stellte während der Navy-League-Tagung auch das Modell einer größeren Variante vor. Dieses verfügt über vier ADL-Systeme mit jeweils vier Nutzlastzellen, also insgesamt 16 Flugkörper. Ryan Maatta erklärte, dass eine solche Einheit sich als Geleitschiff für Transportkonvois eignen würde.

Volle Autonomie

Bei längeren Einsatzfahrten müssten die unbemannten Überwasserfahrzeuge auf See nachtanken werden. Serco entwickelte für die DEFIANT eine eigene Betankungsausrüstung, die ohne direktes menschliches Eingreifen an Bord funktioniert. Das Verfahren wurde im September 2024 auf See erprobt. Hierzu wurden zwei ehemalige Tender, die bereits vor wenigen Jahren zu MUSVs umfunktioniert wurden, mit der für Nomars entwickelten Betankungsanlage ausgestattet. Obwohl Personal des Versorgungsschiffs auf die unbemannten Einheiten wechselte, um den Tankvorgang zu überwachen, verlief der eigentliche Treibstofftransfer völlig autonom.

Dies umfasste sämtliche Schritte einschließlich Überführung der Leitungen und Schläuche, Ankopplung der Schlauchkupplung an die Tankstutzen, Rückführung der Schläuche sowie Abdichtung der Tankanschlüsse nach vollbrachtem Treibstofftransfer. Als nächstes wird das Betankungsverfahren im Rahmen der Seeerprobung der DEFIANTgetestet. Beim künftigen operativen Einsatz von Nomars muss kein Personal vom Versorger zum unbemannten Schiff wechseln, betont die Darpa; dies soll den Betankungsvorgang beschleunigen, und – insbesondere bei schlechtem Wetter – das Risiko für die Besatzung des Tankers reduzieren.

Betanken des MUSVs Ranger im September 2024,
Betanken des MUSVs Ranger im September 2024, Foto: Darpa

Das unbemannte Schiff soll ein Jahr lang im Einsatz bleiben können und dabei dauerhaft eine Geschwindigkeit von 15 Knoten erreichen. Kritische Einsatzsysteme sollen mehrfach eingebaut werden, um einen Schiffsbetrieb auch bei Versagen einzelner Komponenten zu gewährleisten. Die Schiffssysteme sind modular ausgerichtet, sodass Wartung und Austausch im Einsatzgebiet selbst in einem Yachthafen vorgenommen werden können. Die zeitraubende Rückkehr zum Ausgangsstützpunkt oder zu einer Spezialwerft entfällt, sodass die Einheit möglichst viel Zeit auf Patrouille verbringen kann.

Ziel des Nomars-Programms ist die Einführung leistungsfähiger unbemannter Einheiten, die kostengünstig in größeren Stückzahlen hergestellt werden. Der dauerhafte Einsatz einer großen Anzahl verstreut fahrender MUSVs soll die amerikanische Flotte in die Lage versetzen, auch einen numerisch überlegenen und militärisch gleichwertigen Gegner zu neutralisieren.

Eine Beschaffungsentscheidung wird 2027 erwartet. Nach Aussage von Serco betragen die reinen Produktionskosten des Prototypen zirka 25 Millionen Dollar. Bei einer Serienproduktion dürften die Stückkosten wesentlich niedriger liegen. Ein Grund für den vergleichsweise geringen Preis ist die vereinfachte Bauweise. Anstatt auf Spezialwerften könnten Nomars-Einheiten auch bei kleinen Bootsbaufirmen, wie die mit dem Bau des Prototypen beauftragte Werft Nichols Brothers, in einem umgerüsteten Fabrikgebäude „oder sogar auf einem ausgedienten Rangierbahnhof“ gebaut werden, erklärte Ryan Maatta.

Sidney E. Dean

Anzeigen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert


Der Zeitraum für die reCAPTCHA-Überprüfung ist abgelaufen. Bitte laden Sie die Seite neu.

de_DEGerman