Minenjagdboot Sulzbach-Rosenberg, Foto: Marcel Kröncke

Minenjagdboot Sulzbach-Rosenberg, Foto: Marcel Kröncke

Binnenmeer mit Bedeutung

In unruhigen Zeiten besitzt die Deutsche Marine alle notwendigen Fähigkeiten, eine Führungsrolle im Ostseebereich einzunehmen.

Ein „Meer des Friedens“ war die Ostsee eigentlich noch nie! Schon die Hanse kämpfte hier für die Freiheit der Meere und sichere Seewege. Während der Weltkriege war die Ostsee Schlachtfeld und Fluchtroute, während des Kalten Kriegs Aufmarschgebiet und Frontlinie der Machtblöcke zugleich. Bis heute ist sie ein unfreiwilliges Lager für Altlasten der Weltkriege und gleichzeitig wichtige Handelsroute für die Anrainer und die internationale Seefahrt. Kontinuierlich zugenommen haben Umfang und Qualität der kritischen Infrastruktur auf dem dortigen Meeresgrund. Im Hinblick auf Energieversorgung und Kommunikation ist die Ostsee daher mittlerweile von strategischer Bedeutung.

Nach der Auflösung des Warschauer Pakts hat sich durch den Beitritt neuer Mitglieder die die kumulierte Küstenlänge der lokalen NATO-Partner von 7100 auf 11 000 Kilometer vergrößert. Nach dem geplanten Beitritt von Schweden und Finnland zur Gemeinschaft wird diese nochmals signifikant aufwachsen. Es gäbe danach nur noch einen Anrainer, der kein NATO-Mitglied ist: Russland. Dessen Ostseezugänge beschränken sich auf zwei relativ kleine Seegebiete vor Sankt Petersburg und vor der Enklave Kaliningrad mit jeweils etwa 250 Kilometer Breite.

Wird die Ostsee nach dem Beitritt zum „Meer des Friedens“, weil sie nahezu in Gänze von NATO-Staaten eingerahmt ist und das Bündnis niemanden bedroht?

Kann die für Russland eigentlich ungünstige seestrategische Lage in der Ostsee die kolonialen Ansprüche auf die Nachbarländer – insbesondere auf die baltischen Staaten – verdrängen? Ganz sicher nicht!

Wenn NATO-Territorium von Russland angegriffen wird, ist die Ostsee für das Bündnis Verteidigungs- und Aufmarschraum, vielleicht auch die Basis zur Unterstützung von Landoperationen. Das beinhaltet den Schutz der Küsten und der kritischen Infrastruktur, die erforderliche Abriegelung der beiden russischen Marinehäfen und vor allem die Sicherung der Seeverkehrswege.

Verantwortung übernehmen

In allen vorstellbaren Szenarien kommt der Deutschen Marine aufgrund ihrer Kampf- und Führungsfähigkeit eine besondere Bedeutung zu. Als größte NATO-Marine in der Ostsee kann sie eine regionale Führungsrolle übernehmen und entsprechende Kräfte bereitstellen. Die NATO weiß, dass die Deutsche Marine nach Aufbau eines Regional Maritime Headquarters for the Baltic diese Verantwortung übernehmen kann.

Aber welcher Fähigkeiten bedarf es zum dauerhaften Schutz der NATO-Ostsee-Anrainer und des sicheren internationalen Seeverkehrs? Die Präsenz von Überwassereinheiten zum Schutz der Seeverbindungswege und zur Abwehr feindlicher Angriffe über See und aus der Luft ist eine zentrale Aufgabe der NATO-Marinen. Das beinhaltet auch die Unterstützung von Landeinheiten. Alleine die dauerhafte Präsenz verfehlt niemals ihre Wirkung beim potenziellen Gegner. Das Auslaufen aller verfügbaren Einheiten der Deutschen Marine in die Ostsee nach dem russischen Angriff auf die Ukraine wurde von Freund und Feind mit großem Respekt betrachtet.

Hinsichtlich einer effektiven Seeraumüberwachung bedarf es einer ausreichenden Anzahl geeigneter Plattformen. Die Seeraumüberwachung muss die kritische Unterwasserinfrastruktur berücksichtigen, für deren wirksamen Schutz zudem Spezialkräfte und geeignete Verfahren erforderlich sind.

Die Fähigkeit zur Abwehr eines großen Landungsverbands möglichst weit im Osten und möglichst zeitgleich auf, unter und über dem Wasser war Kern der Operationsplanung im Kalten Krieg und ist in dieser Form sicherlich nicht mehr zu planen. Gleichwohl muss natürlich die Seekriegführung aus der Luft und die Abwehr feindlicher Luftstreitkräfte in eine multinationale maritime Einsatzplanung einbezogen werden.

Zur Abriegelung feindlicher Häfen und zum Schutz der eigenen Küsten sollte der Mineneinsatz in Betracht gezogen werden. Dabei ist die Abriegelung der Ostseezugänge vor dem Hintergrund der neuen geostrategischen Lage – insbesondere mit Blick auf den NATO-Beitritt Schwedens und Finnlands – in den Hintergrund gerückt. Während der protektive Mineneinsatz an den eigenen Küsten zum Schutz vor Landungen jederzeit möglich ist, kann ein offensiver Mineneinsatz oder ein defensiver Mineneinsatz in internationalen Gewässern optional sein, bedarf jedoch der politischen Entscheidung, weil beide Varianten aktive kriegerische Handlungen darstellen.

Wesentlicher Eckpfeiler für die Entwicklung und Weiterentwicklung von Operationsplänen ist eine effektive, dauerhafte und flächendeckende Aufklärung schon zu Friedenszeiten.

Die angesprochenen Fähigkeiten müssen sicherlich noch ergänzt werden. gleichwohl gehören sie zum „Standardrepertoire“ der Deutschen Marine. Diese besitzt zudem mit Deu Marfor ein hochmodernes Führungszentrum. Wer also wäre besser geeignet, in führender Position das „Meer des Friedens“ und seine Anrainer zu schützen?

Fregattenkapitän a.D. Ottmar Becher ist Redakteur Gelbe Seiten und Marineforum Online.

Ottmar Becher

1 Kommentar

  1. Wie auch in dem Aufsatz Quo vadis, Marine? aus der Maiausgabe des Marineforums taucht eine Komponente bei Betrachtung Ostsee und Nordflankenraum nicht mehr auf: die fliegende Komponente. Mit Finnland und Schweden sind zwei Staaten mit an Bord, wenn es um künftige Überlegungen zum Seekrieg aus der Luft geht. Wer soll diese denn führen? Gleiche Frage gilt für den Nordflankenraum.

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