Eric Grove † (1948 - 2021)

Am 15. April 2021 verstarb der renommierte britische Marinehistoriker Eric Grove. Grove (*1948) galt neben Colin Gray († 2020) und dem mittlerweile am US Naval War College tätigen Geoffrey Till als einer der wichtigsten britischen Seewissenschaftler des 20. Jahrhunderts. Groves Karriere führte ihn vom King's College London über das Royal Naval College Dartmouth bis an die US-Marineakademie Annapolis, später u.a. nach Hull, Salford und Liverpool. Seine wichtigsten Bücher sind bis heute lesenswert. „From Vanguard to Trident“ (1987) erzählt die Nachkriegsgeschichte der Royal Navy, „The Future of Sea Power“ (1990) stellt Überlegungen zu den diplomatischen, polizeilichen und militärischen Rollen von Seestreitkräften im modernen Umfeld an. „Battle for the Fjords“ (1991) dokumentiert die praktische Umsetzung der amerikanischen Maritime Strategy. Mit einer Neuedition des Sir Julian Corbett (1988) wandte er sich auch der Theorie von Seemacht zu. Sein Wirken hat eine ganze Generation von Wissenschaftlern, Politikern und Militärs dazu gebracht, Marinegeschichte und Marinepolitik miteinander verknüpft und praxisorientiert zu betrachten. Als Gelehrter, Lehrer und Doktorvater hat er jungen Kolleginnen und Kollegen an vielen Institutionen Wege eröffnet, sich maritimer Sicherheit und Strategie zuzuwenden. Darüber hinaus begründete Eric Grove die trilateralen Gespräche zwischen den britischen, sowjetischen/russischen und amerikanischen Seestreitkräften. Er war einer der Verfasser der einschlägigen „Fundamentals of British Maritime Doctrine“ (1995). Mit diesem vom britischen Verteidigungsministerium beauftragten Grundlagenwerk demonstrierte Grove, dass praxisorientierte Forschungsergebnisse konkrete Probleme der Sicherheits- und Marinepolitik lösen können. Darüber hinaus trat Grove zunehmend als gerngesehener Experte für TV-Dokumentationen über Marine- und Militärgeschichte des 20. Jahrhunderts in Erscheinung, zweifellos erheblich von seinem einnehmenden Wesen und seinem schier unendlichen Anekdotenschatz gespeist. Eric besaß die besondere Gabe, seine Gesprächspartner in Unterhaltungen und bei Konferenzbeiträgen in seinen Bann zu ziehen, ohne je belehrend oder oberflächlich zu wirken. Ohne Manuskript, aber mit altmodisch gebundener Fliege hielt er auf Tagungen im In- und Ausland oft im Stehen meist völlig druckreife Referate. In Seitengesprächen sprudelte sein anekdotisches Wissen förmlich aus ihm heraus, sodass er sich gelegentlich verhaspelte vor Enthusiasmus. Man hätte ihn wohl auch nachts um 3 Uhr wecken können und er hätte mit jovialer Energie Details über die Versenkung des Schlachtschiffs Bismarck referiert, die Bedeutung britischer Lebensmittelpolitik seit der vorherigen Jahrhundertwende skizziert oder seine Kritik an der Entwicklung der Royal Navy seit 1990 ausgemalt. Seine unnachahmliche Art machte ihn auch im geselligen Teil von Fachtagungen zum Mittelpunkt jeder Party. Verbürgt ist z.B., dass Eric Grove zu später Stunde manch internationales Kollegium anleitete, „Rule Britannia“ anzustimmen, er natürlich am lautesten und mit Hilfe seiner Leibesfülle mit großer Resonanz vorneweg. Nicht nur deswegen ist sein Tod ein erheblicher Verlust. Mit ihm verliert die europäische, ja atlantische Marinewissenschaft einen ihrer prominentesten Vertreter.

Text & Foto: Dr. Sebastian Bruns

4 Kommentare

  1. Danke für diesen Beitrag. Neben vielen Tagesveranstaltungen hatte ich das Glück und Vergnügen, ihn in Singapur auf einem Hochwertseminar über sechs Tage zu erleben. Seine Geschichten waren herrlich, sein Humor typisch Britisch.

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    • Danke & gern geschehen!

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    • Ich hatte an der Univertiy of Hull einen Kurs bei ihm. Niemals hatte ich einen besseren Lehrer.

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    • Die Annekdote mit dem Anstimmen des „Rule Britannia“ kann ich bestätigen. Ich habe es selbst erlebt. Seine Ansichten waren manchmal speziell und leicht überzogen, eben typisch britisch aber er war ein interessanter Gesprächspartner.

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