Artist Impression der European Patrol Corvette. Foto: hum

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EuroNaval: Konsortialvereinbarung für europäische Mehrzweck-Korvette gezeichnet

Die Geschäftsführer der vier an der Entwicklung der European Patrol Corvette beteiligten Unternehmen unterzeichneten am Eröffnungstag der EuroNaval, 18. Oktober 2022, eine vorläufige Konsortialvereinbarung. Mit ihr soll, so die Verlautbarung von Naviris, die Durchführung der Ausschreibung geregelt werden. Mit dem Übereinkommen kann das aus Fincantieri, Naval Group und Navantia unter der Leitung von Naviris bestehende Konsortium die weitere Arbeit bei der Entwicklung des ersten Entwurfs eines ‚europäischen‘ Schiffes fortsetzen.

An der European Patrol Corvette sind beteiligt:

- 4 Länder im Rahmen des Projekts PESCO (Permanent Structured Cooperation) (Italien, Frankreich, Spanien und Griechenland)
- 6 Länder beteiligen sich an der Kofinanzierung (Italien, Frankreich, Spanien, Griechenland, Dänemark und Norwegen)
- 3 große europäische Schiffbauunternehmen (Fincantieri, Naval Group und Navantia)
- 40 Unternehmen für maritime Systeme und Ausrüstung aus 12 EU-Ländern.

Der heutigen Unterzeichnung ging eine Behandlung innerhalb der EU Kommission voraus. Berlaymont entschied im Juli 2022 über die nun eingeschlagene Vorgehensweise.

Bei der European Patrol Corvette handelt es sich um eine etwa 110 Meter lange und 3.000 Tonnen verdrängende Einheit. Das Programm ist gleichbedeutend mit der ‚Modularen Mehrzweck-Patrouillen-Korvette (MMPC)‘, einem 2021 in Brüssel eingereichten Industrievorschlag von Fincantieri, Naval Group und Navantia. Das Projekt, das rund 60 Millionen Euro aus dem Europäischen Verteidigungsfonds (EDF) erhalten wird, ist ein Entwicklungsprogramm vom Konzept bis zum ersten Entwurf. Die MMPC soll als Referenzschiff einer Korvettenklasse dienen, mit der eine Vielzahl von Missionen in zukünftigen Operationen erfüllt werden soll.

NAVIRIS ist ein 50:50 Joint Venture der französischen Naval Group und der italienischen Fincantieri. Die beiden Schiffbauer gingen im Sommer 2019 eine Kooperation ein, die „in einer soliden Partnerschaft qualitativ hochwertiges Know-how für internationale Projekte bereitstellen will“, so die Pressemitteilung.

Unterzeichnung des Übereinkommens durch die vier Geschäftsführer. Foto: Naviris

Naviris: Hintergrund

Am 14. Juni 2019 kam es zur Unterzeichnung eines Kooperationsabkommens, dem man sicherlich mit Hintergedanken den Namen „Poseidon“ (der mächtige und streitbare Meeresgott, der sich auch nicht vor Auseinandersetzungen mit Zeus, dem Göttervater, scheute) gab. Fincantieri und Naval Group machen sich auf den Weg zu einem 50/50-Joint Venture, das bis zum Jahresende unter Dach und Fach sein soll.  Vielleicht sind es die schwierigen Eigentumsverhältnisse, die hinter beiden Unternehmen bzw. ihren Töchtern stehen, und den Zusammenschluss in die Länge ziehen. Naval Group gehört zu 35 Prozent zu Thales, zu 62,5 Prozent dem französischen Staat. Fincantieri, an sich bereits der größte Schiffbauer in Europa, ist an einem 50-Prozent-Anteil an Chantiers de l’Atlantique (ex STX France) bemüht, was Paris allerdings quer im Magen liegt und daher eine EU-Kartellrechtsprüfung anstrengte – sehr zum Missfallen Roms. Vielleicht ist es aber auch nur der trotz gemeinsamer Entwicklungen anhaltende Wettbewerb zwischen beiden, der bei aller Annäherung nichts an Schärfe einbüßte.

Auf der Grundlage der damaligen Vereinbarung hat das Unternehmen seinen Hauptsitz in Genua mit einem Engineering-Zentrum in Ollioules als Tochtergesellschaft in der südfranzösischen Region Var. Die in einer Aktionärsvereinbarung geregelte Führung des gemeinsamen Unternehmens sieht einen Verwaltungsrat aus sechs Mitgliedern vor, von denen jeweils die Hälfte aus beiden Gesellschaften ernannt wird.

Naval Group ließ verlautbaren, dass das Joint Venture darauf abziele, 10-15 Kriegsschiffe im nächsten Jahrzehnt zu bauen, wobei die Synergien auf 10-15 Prozent geschätzt werden. In den nächsten zehn Jahren sollen Aufträge im Wert von bis zu fünf Milliarden Euro abgewickelt werden. Der damalige CEO von Naval Group, Hervé Guillou, äußerte sich gegenüber Medienvertretern, dass der Markt für mittelgroße bis große Fregatten jährlich um fünf bis sieben Prozent wachse. „Hier greift uns die aufkommende Konkurrenz am härtesten an“, fügte er hinzu. Marktbeobachter sagen demgegenüber ein Wachstum von 3,5 Prozent voraus mit den stärksten Wachstumsraten in der Region Asien-Pazifik.

Tatsache ist, der Markt im militärischen Schiffbau ist stark fragmentiert. Kooperationen und Partnerschaften werden als Lösung zur Marktsicherung und -beherrschung gesehen. Hinzu kommt als ein Kernproblem die begrenzte geografische Präsenz der Unternehmen. Sowohl Fincantieri als auch Naval Group haben dem bereits mit Filialen in den USA bzw. Australien Rechnung getragen. Insofern ist der über „Poseidon“, nun Naviris, eingeschlagene Weg sicherlich richtungsweisend. Insbesondere im europäischen Kontext. Ein Versuch, über die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit der EU im Bereich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik (PESCO – Permanent Structured Cooperation) auch maritime Rüstungsprogramme zu fördern, wurde auf den Weg gebracht: die Europäische Mehrzweck-Patrouilleneinheit in Fregattengröße.

Trotz des damals unterkühlten politischen Verhältnisses zwischen Rom und Paris und nach dem (vorläufigen) Scheitern des Deals um Renault-Fiat-Chrysler hat sich hier eine Konsolidierung manifestiert. Das Schmieden der Allianz hat Zeit gebraucht – und sie ist noch nicht endgültig über die Ziellinie. Das heutige Übereinkommen ist ein weiterer, eventuell kleiner Schritt. Kritiker mögen eingestehen, dass auch Airbus einmal klein angefangen hat und bis zu seiner heutigen Marktstellung einige Krisen bestehen musste. Vielleicht ist diese Heirat doch der Nukleus zu einem „Airbus Naval“, einem „Airbus der Meere“. Aus deutscher Sicht betrachtet, scheinen die Aussichten für eine vor Jahren einmal angestrebte Lösung unter Berliner Ägide geringer. Paris und Rom haben Fakten geschaffen und arbeiten weiter an der Ausgestaltung ihrer Idee. Daran kommt Deutschland nicht einfach vorbei. Trotz des Aachener Vertrages und der darin angelegten französisch-deutschen Rüstungszusammenarbeitsbeschwörungen. Doch die scheinen ohnehin nur einen begrenzten Horizont gehabt zu haben...

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