Führungswechsel bei der US Navy

Die bisherige stellvertretende Stabschefin soll Chief of Naval Operations werden. Erstmals steht damit eine Frau an der Spitze der US Navy.

Der amerikanische Präsident Joe Biden nominierte am 21. Juli Admiral Lisa Franchetti für die Nachfolge von Admiral Michael Gilday als Chief of Naval Operations (CNO). Grundsätzlich wurde diese Entscheidung erwartet. Bereits zum Zeitpunkt ihrer Ernennung zum Vice CNO im September 2022 galt die 1964 geborene Franchetti als Favoritin für den höchsten Posten der US Navy. Allerdings empfahl Verteidigungsminister Lloyd Austin Anfang Juni die Ernennung des amtierenden Befehlshabers der US-Pazifikflotte, Admiral Samuel Paparo, für den CNO-Posten. Für Paparo sprach dessen engagierter Führungsstil angesichts der chinesischen Bedrohung im Westpazifikraum; der Admiral gilt als innovativer Vordenker hinsichtlich der Entwicklung neuer Strategien zur Eindämmung Chinas. Austins Personalvorschlag signalisierte eine – lange in Aussicht gestellte – Intensivierung der Ausrichtung der US Navy auf den indopazifischen Raum.

Franchetti diente 2018-2020 als Befehlshaber der 6. US Flotte. Hier im Februar 2020 beim Besuch der italienischen Fregatte Alpino, Foto: US Navy

Die Tatsache, dass Präsident Biden letztendlich doch auf Franchetti setzte, deutet auf eine ukünftig breiter gefächerte Ausrichtung hin. Im Gegensatz zu Paparo, der nun zum Befehlshaber des Teilstreitkraft-gemeinsamen Indopazifischen Oberkommandos der US-Streitkräfte aufsteigen soll, absolvierte Franchetti sowohl im Pazifik wie auch im europäischen Raum verantwortungsvolle Verwendungen. Hierzu gehören ihre Dienstzeiten als Befehlshaberin der 6. US-Flotte in Neapel, als Stellvertretende Befehlshaberin der US-Seestreitkräfte in Europa und Afrika in Neapel sowie als Befehlshaberin des multinationalen Führungskommandos Naval Striking and Support Forces NATO im portugiesischen Oeiras. Ihre Verwendung bei der 6. Flotte war durch sicherheitspolitische Spannungen sowohl mit Russland als auch mit Syrien geprägt. Diese Erfahrungen sowie die persönlichen Kontakte zu ihren Pendants bei den verbündeten Seestreitkräften gelten angesichts der aktuellen Sicherheitslage als besonders wertvoll.
Im Pazifikraum führte Franchetti ein Zerstörergeschwader sowie zwei Flugzeugträgergruppen, und befehligte zwischen 2013 und 2015 die amerikanischen Seestreitkräfte in Korea. Neben ihren operativen Kommandos absolvierte Franchetti leitende Verwendungen im Führungsstab  der Navy sowie in Teilstreitkraft-gemeinsamen Stäben, vor allem in den Bereichen Strategie, Planung und Konzeptentwicklung.

Als Vice CNO ist Franchetti seit einem Jahr für wesentliche Aspekte der Modernisierung, Beschaffung, Verwaltung, Personalplanung und Ausbildung der US Navy verantwortlich. Der Umgang mit den verteidigungspolitischen Ausschüssen im Kongress – vor allem mit Bezug auf Rechtfertigung der Etatanträge – sowie die Zusammenarbeit mit den obersten Führungsstäben der übrigen Teilstreitkräfte gehört zu den wichtigsten Aufgaben der Stabschefs und deren Stellvertreter. Auch in dieser Hinsicht gilt die Ernennung Franchettis als Zeichen dafür, dass die Regierung Biden auf Kontinuität bei der Marinepolitik setzt.

Per Gesetz müssen die Stabschefs der amerikanischen Teilstreitkräfte nach vier Jahren ausscheiden. Mike Gilday trat am 21. August 2019 seinen Dienst an; folglich muss er spätestens zum 21. August dieses Jahres (und damit nach Redaktionsschluss) seinen Abschied nehmen. Idealerweise würde Admiral Franchetti zum gleichen Zeitpunkt das Amt offiziell übernehmen. Allerdings blockiert gegenwärtig ein einziger Senator, der Republikaner Tommy Tuberville aus Alabama, sämtliche Beförderungen und Versetzungen im Generals- und Admiralsrang. Der Politiker will hierdurch erzwingen, dass das US-Militär die finanzielle Unterstützung für Abtreibungen durch Militärangehörige einstellt. Falls die Blockade bis zum 22. August fortbesteht, wird Admiral Franchetti kommissarisch die Aufgaben des CNO übernehmen bis sie die Stelle offiziell antreten kann.

Sidney E. Dean