Sea Falcon V-200 von ESG

Sea Falcon V-200 von ESG

Knapper Zeitplan für den Sea Falcon

12. Apr 2021 | Magazin, Technologie | 0 Kommentare

Unbemannte Systeme werden künftig in der Deutschen Marine immer größere Bedeutung erlangen. Für die Korvetten steht derzeit das Projekt VorMUAS im Mittelpunkt.

Die Idee der unbemannten Fliegerei ist so alt wie die Fliegerei selbst. Der Treiber für die Entwicklung solcher unbemannten Systeme war aufgrund der vielfältigen Einsatzmöglichkeiten schon seit jeher das Militär. Mit den rasant fortschreitenden Technologien unseres hereingebrochenen Informationszeitalters bieten sich neue herausragende Möglichkeiten für unbemannte Luftfahrzeuge, welche die Anwendungen im militärischen Bereich aufleben lassen.

In der Deutschen Marine geschieht diese Entwicklung vor dem Hintergrund eines grundlegenden, zukunftsorientierten Wandels bei den Marinefliegern. Wir erleben gerade die Umstellung auf eine moderne Flotte von Luftfahrzeugen, wodurch die Aufgaben des fliegerischen und technischen Personals neu erdacht und definiert werden müssen. Die voranschreitende Digitalisierung und Automatisierung geschieht aber nicht nur im Cockpit. Fern geführte und damit unbemannte Luftfahrzeuge stellen hierbei den nächsten Entwicklungsschritt dar und werden in der Zukunft einen immer größeren Anteil an der Erfüllung des Auftrages der Marineflieger einnehmen.

Blick in das Innere des Sea Falcons

Blick in das Innere des Sea Falcons

Projekt VorMUAS

Mit der Einführung der Korvette 130 im Jahr 2008 stand bereits fest, dass Unmanned Aerial Vehicles (UAVs) als organischer Bestandteil der Korvetten das erweiterte Auge im Einsatzgebiet darstellen und damit Aufgaben der Aufklärung übernehmen sollen. Um die Fähigkeiten der Korvetten bei der Erstellung von Lagebildern möglichst zeitnah zu vervollständigen, wurde 2016 das Projekt Vordringliches Marine Unmanned Aircraft System (VorMUAS) für die Korvetten der Marine ins Leben gerufen.

Ein Jahr später fiel die Entscheidung zur Beschaffung eines Systems mit zwei UAVs des Typs Skeldar V-200 der Firma UMS Skeldar, einem Joint Venture von UMS Aero und Saab. Die Betreuung des in der Marine als Sea Falcon bezeichneten Systems übernimmt die deutsche Firma ESG Elektroniksystem- und Logistik-GmbH.

Die Skeldar V-200 ist ein VTOL-System (Vertical Take-off and Landing) mit einem 55 PS starken Zweizylindermotor, der mit standardisiertem NATO-Flugzeugkraftstoff arbeitet. Das UAV wiegt über 200 Kilo, hat einen zweiblättrigen Rotor mit einem Durchmesser von 4,6 Metern und ähnelt einem kleineren Hubschrauber. Mit einer Flugdauer von bis zu fünf Stunden, einer Reichweite von 100 Kilometern, der Dienstgipfelhöhe von 10 000 Fuß und einer Geschwindigkeit bis zu 150 Stundenkilometern ist der Sea Falcon mit seinen Sensoren ein leistungsfähiges Aufklärungssystem.

Zum Steuern der Skeldar V-200 wird eine Bodenkontrollstation (BKS) in der Operationszentrale der Korvette installiert. Von hier aus kann ein Luftfahrzeugführer für unbemannte Luftfahrzeuge (ULfzFhr) dem Sea Falcon manuell Befehle erteilen oder auch vorgeplante Wegpunkte abfliegen lassen. Ein zweiter Luftfahrzeugführer kann bei Bedarf die Bedienung und Auswertung der Sensoren des Sea Falcon übernehmen. Mit Hilfe eines sogenannten Deckfinders auf dem Landedeck der Korvette startet und landet das UAV selbstständig. Zum Bordeinsatzteam UAV (BET UAV), welches vom Marinefliegerstützpunkt Nordholz an Bord kommandiert wird, gehören auch zwei hoch qualifizierte Luftfahrzeugtechniker. Sie führen die Wartung und Instandsetzung der beiden an Bord befindlichen UAVs durch.

Das Prunkstück der Skeldar V-200 ist der Sensorkopf unter dem Rumpf des UAVs. Hiermit sendet das UAV hochauflösende Live-Bilder aus dem optischen und infraroten Spektralbereich an die BKS. Eine weitere Kamera im Rumpf bietet eine Voraussicht. Mit den Eigenschaften des Skeldar V-200 vervollständigt die K 130 ihre Fähigkeiten in den Beeichen Seeraumüberwachung, Aufklärung, Identifizierung und Sicherung im Einsatzgebiet. Als verlängerter Arm und somit als zusätzliches Aufklärungsmittel der Korvette ergänzt und verbessert der Sea Falcon die Erstellung des maritime pictures, des Lagebilds über Wasser und unterstützt bei Aufgaben aus dem Bereich imagery intelligence im Mittel- und Weitbereich.

 

Erprobungsstand

Nach umfangreichen Vorbereitungen konnte im November 2020 die Einsatzprüfung auf der Korvette Braunschweig beginnen. Vorausgegangen waren bereits Tests und Flugdemonstrationen des UAS in Schweden bei der Firma UMS unter der Leitung der Wehrtechnischen Dienststelle (WTD) 61 und die Umrüstung der Korvette für einen angepassten Flugbetrieb des Sea Falcon von Bord aus. Das fliegerische und technische Personal wurde seit Januar 2020 hierfür fachspezifisch ausgebildet. Für diese intensive Ausbildung der Luftfahrzeugführer mussten Flugstunden zuerst im Simulator und in der Folge im Realflug über Land absolviert werden. Für die Techniker stand eine sehr detaillierte Systemschulung an. Das gesamte Personal wurde durch die Firma UMS auf dem System Skeldar V-200 geschult.

Um die Einsatzreife zu erlangen, welche die Voraussetzung für eine Übernahme in die Deutsche Marine darstellt, gilt es nun, die neue Technologie unter den harten Bedingungen an Bord der Korvette zu prüfen. Neben den vielen Funktionstests muss gleichzeitig auch die praktische Ausbildung des VorMUAS-Personals in See abgeschlossen werden. Eine Mammutaufgabe angesichts des knappen Zeitplans: Im Juni soll die Korvette Braunschweig in den Unifil-Einsatz fahren – und zwar mit dem Sea Falcon an Bord.

Alle am Projekt VorMUAS Beteiligten betreten Neuland, das seine eigenen Herausforderungen mit sich bringt. Die Einsatzprüfung, die sich aufgrund des engen Fahrplans der Korvette, der schwierigen Wetterbedingungen und des nötigen technischen Feinschliffs zuletzt verzögerte, muss bis Juni abgeschlossen werden. Somit können in der zweiten Jahreshälfte wichtige Erfahrungen bei Unifil mit dem neuen Aufklärungssystem gesammelt werden.

Ausblick

Das Projekt AImEG (Aufklärung und Identifizierung im maritimen Einsatzgebiet) ist die ursprüngliche, zeitintensivere Maßnahme zur Befähigung der K 130 mit UAV-gestützter Aufklärung. Hierfür ist ebenfalls der Sea Falcon eingeplant. Zwar wird in VorMUAS und AImEG das gleiche unbemannte System operieren, trotzdem müssen beide Projekte unabhängig voneinander gesehen werden. Das Projekt VorMUAS stellt gegenüber AImEG einen Vorläufer mit deutlich kleinerem Umfang dar. Das Projekt AImEG umfasst die Beschaffung von drei weiteren Systemen wovon eines für den Betrieb am Standort Nordholz zu Trainings- und Ausbildungszwecken vorgesehen ist. Ein System besteht hierbei aus zwei UAVs, einer BKS sowie Werkzeug und Ersatzteilen. Zudem sind mit AImEG personell, logistisch und infrastrukturell umfangreichere Maßnahmen geplant, die für einen umfassenden, langfristigen Betrieb ausgelegt sind. Der Zulauf der Systeme ist ab Mitte 2023 vorgesehen.

Die Herausforderung für die Marine und insbesondere für die Marineflieger besteht nun darin, die mit VorMUAS gesammelten Erfahrungen nach Möglichkeit in die weitere Ausgestaltung des Aufklärungssystems Sea Falcon im Projekt AImEG einfließen zu lassen. Lässt man den Blick weiter in die Zukunft schweifen, dann ist es auch denkbar, dass UAVs in der Marine u.a. Sonobojen verbringen, um auch unter Wasser aufzuklären oder mit ESM-Equipment und Radar ausgestattet sind, um die Aufklärungsleistung im elektromagnetischen Spektrum noch weiter zu steigern.

Fazit

Die Nutzung von unbemannten Systemen an Bord von Korvetten stellt unsere Marine zwar vor neue Herausforderungen, beinhaltet jedoch auch erhebliches Potenzial in der Weiterentwicklung. Das automatische Starten und Landen an Bord ist in dieser Form eine Neuheit auf unseren seegehenden Einheiten. Es erfordert in weiten Teilen ein Umdenken von bisherigen Verfahren, wie wir sie aus der organischen, bemannten Fliegerei an Bord kennen. In absehbarer Zeit wird der wesentliche Vorteil von UAVs in Bezug auf Ausdauer und Betriebskosten gegenüber bemannten Luftfahrzeugen dazu führen, dass die unbemannte Fliegerei einen größeren Teil an der zwei- vielleicht auch dreidimensionalen Aufklärungsleistung in der Marine ausmacht. Diese tiefgreifenden Veränderungen werden in allen Bereichen der Bundeswehr eine Trennung von traditionellen Sichtweisen verlangen und uns vor neue, spannende Herausforderungen stellen sowie die zukünftige Herangehensweise an die Auftragserfüllung nachhaltig verändern.

Klarmachen für den Einsatz auf der Korvette Braunschweig

Klarmachen für den Einsatz auf der Korvette Braunschweig

Kapitänleutnant Fabian Henning ist Dezernent in der Abteilung Planung, Grundsatz, Konzeption und Weiterentwicklung im Marinefliegerkommando.
Fotos: Bundeswehr

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