Verladung eines IDAS-Startbehälters auf U33 (Typ 212A). Foto: tkMS

Verladung eines IDAS-Startbehälters auf U33 (Typ 212A). Foto: tkMS

Lenkflugkörpersystem für U-Boote (IDAS) braucht langen Atem

Infolge bundeswehrrelevanter Haushaltsentscheidungen vom 18. Dezember letzten Jahres scheint das Vorhaben IDAS nun wieder Fahrt aufzunehmen. "Entwicklung Lenkflugkörper See/Luft (IDAS)" gehörte zu den 38 Vorlagen mit jeweils einem Volumen von mehr als 25 Millionen Euro, die der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages in der letzten Sitzung des Jahres billigte. Woraufhin das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) zu Ende des Jahres einen Vertrag mit thyssenkrupp Marine Systems (tkMS) und Diehl Defence zur Entwicklung und Qualifizierung eines Lenkflugkörper-Systems zur aktiven Selbstverteidigung von U-Booten schloss – wie aus einer Pressemitteilung von tkMS vom 22. Januar 2025 hervorgeht.

IDAS (Interactive Defence and Attack System for Submarines) ermöglicht es U-Booten, Bedrohungen aus der Luft aktiv zu bekämpfen, ohne die eigene Position preiszugeben. Der 2,80 Meter lange, etwa hundert Kilo schwere Lenkflugkörper mit Durchmesser 18 Zentimeter, wird in einem Ausstoßbehälter gelagert, der vier Flugkörper aufnehmen kann. Jede Rakete wird einzeln mit Hilfe eines voll integrierten, separaten Schubkolbensystems aus einem Torpedorohr ausgestoßen. Unter Wasser bewegt sich der Flugkörper ohne zusätzliche Schutzhülle. Sobald er die Wasseroberfläche durchbricht, beschleunigt er auf Marschgeschwindigkeit von ca. 200m/sec und fliegt auf das Ziel zu. Durch die permanente Datenverbindung behält das U-Boot während des gesamten Einsatzes die Kontrolle über den Flugkörper. So sind taktische Finessen, Zielwechsel oder Einsatzabbruch machbar. Autopilot und Infrarotsuchkopf ermöglichen eine autonome Bekämpfung. Der mehrrollenfähige Flugkörper kann nicht nur zur Selbstverteidigung gegen Bedrohungen aus der Luft dienen, sondern auch zur Bekämpfung von Schiffen und zur Wirkung gegen küstennahe Landziele eingesetzt werden kann.

Der Ausstoßbehälter hat die Abmessungen eines typischen Schwergewichtstorpedos. Dies ermöglicht eine einfache Integration in neue U-Boot-Bauprojekte sowie in Nachrüstungslösungen für bestehende U-Boote.

Prinzipskizze Flugabwehr IDAS. Grafik: tkMS

Ein langer Weg

Die Entwicklung geht auf die Mitte der 2000er Jahre und auf eine Arbeitsgemeinschaft aus Diehl BGT Defence, Howaldtswerke Deutsche Werft (HDW) und Kongsberg, Norwegen, zurück. Ein Prototyp absolvierte 2006 einen erfolgreichen Testflug. Wegen seines innovativen technologischen Konzepts – zuverlässiger Einsatz eines Lichtwellenleiters in und über Wasser, Fortbewegung im Wasser ohne Schutzhülle – wurde das System im November 2007 mit einem Technologiepreis der wehrtechnischen Industrie ausgezeichnet. Nach vorherigen landgestützten Versuchen wurde IDAS bereits am 29. Mai 2008 zum ersten Mal von einem U-Boot gestartet. Der Versuch mit U33, einer Einheit der Klasse 212A, verlief erfolgreich.

In der Nachfolge der HDW setzten thyssenkrupp Marine Systems und Diehl Defence als Konsortium die Arbeit an IDAS fort, 2012 als ein Initial Development Program (IDP). Im Mai 2013 schlossen sie eine Kooperationsvereinbarung mit der türkischen Roketsan, verantwortlich für Entwicklung und Qualifikation des IDAS-Gefechtskopfes. Die norwegische Nammo wurde als Partner für den Antrieb gewonnen.

Im Jahr 2016 wurden Be- und Entladetests des Systems und später auch Auswurftests auf HNoMS "Uredd" erfolgreich durchgeführt, einem Boot der norwegischen Ula-Klasse. Das Konsortium schloss die IDP mit technischen Entwicklungstests im Mai 2017 in Zusammenarbeit mit der Königlich Norwegischen Marine ab.

IDAS-Lenkflugkörper – über Wasser. Grafik: Diehl Defence

23 Jahre nach dem Prototyp

In Deutschland stiegen 2019 durch eine Auswahlentscheidung des Generalinspekteurs der Bundeswehr die Hoffnungen auf eine baldige Realisierung des Projekts. Doch dann wurde es still – bis im Juni 2022 durch die Aufnahme von IDAS in den Wirtschaftsplan des Sondervermögens Bundeswehr neue Hoffnungen keimten. Was sich als Strohfeuer entpuppte, da das Projekt bereits im Oktober 2022 wieder aus der Haushaltsplanung herausgenommen wurde. Umso überraschender der jetzige Impuls. Nunmehr wurden Finanzmittel aus dem regulären Verteidigungshaushalt (Einzelplan 14) für „die Entwicklung und Qualifizierung einer Lenkflugkörper-Einheit bestehend aus Lenkflugkörper und Ausstoßgerät zur aktiven Selbstverteidigung von Ubooten gegen Angriffe aus der Luft“ bewilligt. Dazu wurde auch eine überplanmäßige Verpflichtungsermächtigung für Kapitel 1404 Titel 551 11 in Höhe von fast 283 Millionen Euro erteilt. Aus der Differenz zum ursprünglichen Ansatz für Wehrtechnische Entwicklung und Erprobung lassen sich Kosten in Höhe von 67 Millionen Euro für das Projekt IDAS ableiten. Der Titel ist bis ins Haushaltsjahr 2029 ausgewiesen.

Damit geht einher, dass früheren Informationen zufolge Entwicklung und Qualifizierung des Flugkörpers bis 2029 abgeschlossen sein könnten. 23 Jahre nach dem Erstflug des Prototyps könnte das System dann gerade noch rechtzeitig zum erklärten Termin der Kriegstüchtigkeit IDAS für die U-Boote der Deutschen Marine zur Verfügung stehen.

Da bleiben doch noch ein paar Fragen offen: Wie viele kleine Füße können überhaupt auf einer Bremse stehen? Warum jetzt noch so lange E und Q – weil  die Technologie schon wieder veraltet ist? Hat das Aufwachen gerade erst angefangen – oder klingelt der Wecker noch?

hum, ajs

28. Jan. 2025 | 0 Kommentare

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