In der Einsatzflottille 2 scheint die Zeit der Verkleinerung vorbei zu sein. Mit neuen Schiffen und modernen Systemen können die Herausforderungen der Zukunft gemeistert werden.
Die Einsatzflottille 2 in Wilhelmshaven ist der größte Einsatzverband der Deutschen Marine. Ihr sind mit den Fregatten die Plattformen mit den breitesten Spektren bezüglich Fähigkeiten, Einsatzgebieten und organisch zu integrierenden Komponenten zugeordnet. Gleiches gilt für die zugehörigen Unterstützungsplattformen.
Aus der resultierenden Bandbreite an operativen Anforderungen folgte bereits seit jeher, dass das Material einer permanenten Weiterentwicklung und Regeneration bedarf, um den jeweiligen Anforderungen an moderne Einsätze gerecht zu werden und Obsoleszenzen vorzubeugen. Umgekehrt führt das Alter des Bestands in allen Komponenten dazu, dass trotz erhöhtem Aufwand der Betrieb nur unter Inkaufnahme von Einschränkungen gewährleistet werden kann. Neben den direkten Auswirkungen auf den Verband, wie der immer wieder erforderlichen Umplanung von Abschnitten der Einsatzausbildung und der daraus resultierenden mangelnden Verfügbarkeit von Schiffen für kurzfristige Aufträge und Einsätze, führt es zur Bindung von Personal in den Bereichen Instandhaltung auf allen Ebenen, Projektarbeit und Industrie.
Deshalb ist es umso erfreulicher, dass eine Vielzahl von Projekten für alle Schiffsklassen und sogar neue Schiffsklassen in der Umsetzung sind. Manche davon, die im Rahmen der Trendwende Material in den Planungsprozess eingebracht wurden, kommen in Kürze. Sie werden das Portfolio der Flottille nachhaltig modernisieren. Darüber hinaus besteht die Hoffnung, dass durch Freiräume, die das 100 Milliarden Euro schwere Sonderpaket der Bundesregierung auf der Zeitachse schafft, noch weitere Projekte und Maßnahmen eingebracht werden können, die der Flottille direkt zu Gute kommen, darunter die Entwicklung der Fregatten Klasse 127.
Fregatten Klasse 123
Die vier Fregatten der Klasse 123 wurden Mitte der 1990er-Jahre in Dienst gestellt. Ihre Nutzungsdauer wurde auf 30 Jahre ausgelegt. Im Rahmen einer ersten Nutzungsdauerverlängerung wurde für die geplante Außerdienststellung der Zeitraum 2027 – 2030 festgelegt. Dies bedingte umfangreiche schiffbauliche Maßnahmen, beispielsweise zur Erhöhung der Stabilität und Rumpffestigkeit, sowie aufsetzend auf dem Ersatz des Führungs- und Waffeneinsatzsystems (FüWES) Satir durch Sabrina 21 diverse Obsoleszenzbeseitigungen im Bereich der Waffenfunktionsketten. Deshalb wurden Projekte wie der Ersatz der taktischen Radaranlagen, des Systems zur elektronischen Kampfführung, des Sonars und des Seeziel-Lenkflugkörpersystems Harpoon durch die Naval Strike Missile 1A sowie die Integration der Lenkflugkörper-Munition Rolling Airframe Missile (RAM) 2B und Evolved Sea Sparrow Missile (ESSM) eingeplant. Nach der Absage des FüWES-Herstellers an eine Mitarbeit bei der Integration der neuen Radaranlagen bedurfte es einer Neubewertung der Schiffsklasse. Aufgrund der finanzplanerischen Rahmenbedingungen wurde Ende 2020 ministeriell entschieden, unter dem Junktim einer zweiten Nutzungsdauerverlängerung bis 2032 beziehungsweise 2035, also bis zur operativen Verfügbarkeit der Einheiten der Klasse 126, die für eine Nutzbarkeit der Einheiten erforderlichen Maßnahmen in ein Gesamtpaket unter dem Titel Sicherstellen der Einsatzverfügbarkeit (SdEV) zusammenzufassen.
In der Konsequenz werden die vier Einheiten nunmehr umfassend modernisiert. Die Maßnahmen umfassen die Sensorik, die Waffenfunktionsketten und die meisten Waffensysteme. Lediglich das 76-Millimeter-Geschütz verbleibt im gegenwärtigen Rüststand an Bord. Parallel werden die erforderlichen Maßnahmen für eine Akkreditierung durchgeführt. Im Grunde entspricht diese Modernisierung einer vollständigen Neugestaltung der Schiffselektronik und Waffentechnik. Zudem sollen in der für die Umsetzung erforderlichen Depotinstandsetzung auch erkannte Schäden an der Plattform beseitigt werden. Nach Abschluss der Maßnahmen wird der Rüststand als Klasse 123B bezeichnet.
Die Einheiten werden ertüchtigt, ihre Kernfähigkeiten bedrohungsgerecht und zeitgemäß im Systemverbund zur Wirkung zu bringen. Herauszustellen ist dabei die moderne hydroakustische Sensorsuite, bei der erstmals ein Towed Array System und eine Sonarbojenauswertung fest integriert werden. Dies ist ein Quantensprung in Bezug auf die Erstellung eines Unter-, aber auch Überwasserlagebildes. Zudem wird sie über eine sehr starke Kommunalität mit der künftigen Klasse 126 verfügen. Eine Integration des NH 90 als Nachfolger des Bordhubschraubers Sea Lynx Mk 88A wird aufgrund der zu geringen Größe der Hangare nicht realisiert. Eine Teilkompensation der Fähigkeiten des Bordhubschraubers durch ein unbemanntes System ist in Prüfung.
Beginnend mit Fregatte SCHLESWIG-HOLSTEIN läuft der Umbau bereits und soll für alle vier Schiffe 2026 abgeschlossen sein: Danach stehen sie für den Rest ihrer Nutzungsdauer der Einsatzflottille 2 ohne weitere Großmaßnahmen zur Verfügung.
Fregatten Klasse 124
Die drei Einheiten der Klasse 124 befinden sich in einer ähnlichen Ausgangssituation wie die Einheiten der Klasse 123: Zwischen 2004 und 2006 in Dienst gestellt und mit einer geplanten Nutzungsdauer bis Mitte der Dreißigerjahre, sind sie zwar rund zehn Jahre jünger, der Ersatz mehrerer Sensoren und Effektoren ist dennoch notwendig. Dabei ist insbesondere für die Hauptaufgabe Verbandsflugabwehr der technologische Fortschritt bei den Bedrohungen, beispielsweise durch Hyperschallflugkörper, besonders relevant und spiegelt sich in der Komplexität und den zeitlichen Anforderungen an die Funktionsketten wider. Deshalb ist auch für diese Einheiten in den nächsten Instandhaltungsphasen die Integration neuer Lenkflugkörper äquivalent zur Klasse 123 vorgesehen. Auch die Regeneration fähigkeitsbestimmender Sensorik ist für die zweite Hälfte der aktuellen Dekade geplant: Das Weitbereichsradar wird durch ein rotierendes TRS-4D LR, das nahezu baugleich ist mit dem Ersatz der Hughes-Air-Defence-Radar-Anlagen (HADR) der Luftwaffe ersetzt. Darüber hinaus werden Maßnahmen am Active Phased Array Radar (APAR) durchgeführt. Als weitere Modernisierung wird das System zur Elektronischen Kampfführung erneuert.
Zudem sind auch die Integration des Bordhubschraubers Sea Tiger, der Ersatz des Seeziel-Lenkflugkörper-Systems sowie Obsoleszenzbeseitigungen und Regenerationen von diversen kleineren Anlagen und Geräten vorgesehen. Somit wird auch die Klasse 124 bis zum Ende der Dekade wesentlich kampfwertgesteigert, um anschließend für den Rest der Nutzungsdauer mit verbessertem Fähigkeitsportfolio zur Verfügung zu stehen.
Aufgrund der in der Deutschen Marine singulären Ausprägung der Fähigkeit zur Verbandsflugabwehr ist der bedrohungsgerechte Fähigkeitserhalt ohne zeitliche Unterbrechung von besonderer Bedeutung. Deshalb ist die zeitgerechte Einplanung und Umsetzung der bereits initiierten Nachfolgeplanung für die Klasse 127 essenziell. Eine weitere Nutzungsdauerverlängerung der Klasse 124 wäre ohne umfangreiche, bereits zeitnah zu definierende Maßnahmen nicht realisierbar.
Fregatten Klasse 125
Die vier Einheiten der Klasse 125 bilden das modernste Fregattensystem. Noch ausstehend für den bestimmungsgemäßen Betrieb des Gesamtsystems Klasse 125 ist die Realisierung der Infrastruktur-gebundenen Anteile des Einsatzausbildungszentrums Mehrdimensionale Seekriegsführung (EAZ MD SKF). Dennoch wird 2023 der Einsatzbetrieb aufgenommen, zunächst beim Einsatz Unifil der Vereinten Nationen,. Der Klasse 125 kommt während der Modernisierung der Klassen 123 und 124 in den nächsten Jahren eine besondere Bedeutung bei der Erfüllung der Einsatzverpflichtungen der Deutschen Marine zu.^
Fregatten Klasse 126
Mit der Klasse 126 werden neue Schiffe eingeführt, die zu Beginn der Dreißigerjahre für den Ausbildungs- und Einsatzbetrieb verfügbar sein sollen. Noch in diesem Jahr erfolgt der Brennstart, und die Übergabe an den öffentlichen Auftraggeber ist für 2028 geplant.
Das Gesamtsystem Fregatte Klasse 126 wird nach aktuellem Stand aus vier Schiffen, den Kernbesatzungen, den Einschiffungskomponenten wie Bordhubschrauber- oder Bordeinsatzteams, den Missionsmodulen wie dem Towed Array oder MCM-Toolbox-Anteilen inklusive zugehörigem Personal, systemspezifischen Anteilen für das Einsatzausbildungszentrum mehrdimensionale Seekriegsführung und klassenspezifischen Unterstützungselementen im Stab bestehen. All diese Anteile bedürfen einer sehr engen Verzahnung, da sie nicht nur organisatorisch, sondern auch technisch sehr präzise aufeinander abgestimmt sind. Dazu wurden bereits im Projektaufsatz alle Anteile außer den Einschiffungskomponenten integriert mitbetrachtet und unter Vertrag genommen. Die Feinjustierung dieses Gesamtgefüges bezüglich der Organisation, Verfahren und internen Abläufe wird sicherlich noch eine Herausforderung, zumal der Fokus der Landes- und Bündnisverteidigung gegenüber dem Zeitpunkt des Projektaufsatzes noch stärker geworden ist. Allerdings bietet das System aber zum Beispiel mit dem synthetischen Teamtraining bis hin zum whole crew training auch die Möglichkeit, die Einsatzausbildung vollständig neu und weniger von der Instandhaltung der Schiffe beeinflusst zu organisieren, was diese planbarer und damit effizienter machen wird.
Einsatzgruppenversorger Klasse 702
Die Einsatzgruppenversorger Klasse 702 wurden 2001, 2002 und 2012 in Dienst gestellt. Ihre intensive Nutzung auch als Einzelfahrer in Einsätzen hat dazu geführt, dass eine umfangreiche materielle Modernisierung und Anpassung erforderlich ist. Im Rahmen der Modernisierung wird der Bordhubschrauber NH 90 Sea Lion integriert und auf den Einheiten des ersten Loses das integrierte Marine-Einsatz-Rettungszentrum (iMERZ) eingerüstet. Dieses iMERZ ist nun fest an Bord verbaut und erweitert das Portfolio der sanitätsdienstlichen Versorgung.
Außerdem ist zur Sicherstellung des operativen Betriebs derzeit in Prüfung, wie das Radar, das Führungssystem und die Rohrwaffen erneuert oder modifiziert werden können. Dies soll in der zweiten Hälfte dieser Dekade erfolgen.
Marinebetriebsstoffversorger Klasse 707
Das Projekt zur Beschaffung von zwei Einheiten der Klasse 707 als Ersatz für die fast 50 Jahre alten Betriebsstofftransporter SPESSART und RHÖN ist in der Umsetzung: Der Brennbeginn war im Juni dieses Jahres und der Zulauf der Einheiten ist für 2025 und 2026 geplant.
Beim Bau dieser neuen Schiffe werden moderne Sicherheits- und Umweltstandards realisiert, darunter das Doppelhüllenprinzip. Außerdem werden sie über einen dieselelektrischen Alternativantrieb und ein Plattformautomatisationssystem verfügen. In das daraus resultierende Powermanagement wird auch die nun elektrisch betriebene RAS-Anlage von vornherein mit eingebunden. Neu sind zudem die Berücksichtigung einer Einschiffungskapazität für 23 Personen, vier integrierte Waffenstationen schweres Maschinengewehr, Beschussschutz für essenzielle Räume und ein Sanitätsbereich.
Fazit
Auch wenn, wie zu Beginn erwähnt, keine Großprojekte im Sondervermögen der Bundesregierung direkt für die Einsatzflottille 2 vorgesehen sind, werden zahlreiche Modernisierungsvorhaben realisiert, die zum Erhalt und zur Erweiterung des Fähigkeitsportfolios führen werden. Sie werden Auswirkungen auf alle Planungskategorien und Projektelemente haben. So ist absehbar, dass nach Jahren der größer werdenden Schere zwischen operativem Tempo und abnehmender materieller Einsatzbereitschaft die Talsohle nahezu erreicht ist. Die Verfügbarkeit von materiell einsatzbereiten Einheiten der Einsatzflottille 2 wird sich in den nächsten Jahren deutlich verbessern. Perspektivisch ist zum Ende der Dekade die planerisch erreichbare Anzahl von Einheiten im Ausbildungs- und Einsatzbetrieb ausreichend, um die Zielmarge der Route 66 zu erreichen. Neben der quantitativen Verfügbarkeit wird sich auch das Fähigkeitsportfolio der Einheiten in den nächsten Jahren verbessern und erweitern. Bestehende Einheiten werden durch die Modernisierung von Sensoren und Effektoren optimiert, neue Einheiten erwartet und neue Fähigkeiten erlangt. Durch die zeitgemäße Ausstattung der Einheiten wird die Kampfkraft und damit der Einsatzwert der Einheiten gesteigert.
NN
Schade, dass dieser informative Beitrag in einer so geschwollenen Technokratensprache daher kommt. Ist das das neue ministerielle Beamtendeutsch, oder gar der Spezialjargon des Beschaffungswesens? Die erfreulichen Fakten und die ärgerlichen Defizite lassen sich doch auch viel einfacher ausdrücken. Wie wär´s mit einer Fortbildung: Deutsche Sprache
meint Uwe Jenisch