Die P-3C sollen nur noch bis 2025 fliegen, ein Nachfolgemodell steht noch nicht fest

Die P-3C sollen nur noch bis 2025 fliegen, ein Nachfolgemodell steht noch nicht fest

Marineflieger auf Zukunftskurs

Fähigkeitslücken müssen bald geschlossen werden

Die Marineflieger befinden sich derzeit in einer umfassenden Erneuerungs- und Modernisierungsphase ihrer fliegenden Seekriegsmittel. Damit erhalten und verstärken sie die unverzichtbare Fähigkeit der Marine zur Seekriegsführung aus der Luft. Das gilt insbesondere für die Erneuerung der Hubschrauberflotte. Aber mit der vorgesehenen Außerdienststellung ihrer acht Seefernaufklärer vom Typ P-3C Orion bis 2025 droht den Marinefliegern und damit der Marine ein gravierender Fähigkeitsverlust in den Bereichen Seefernaufklärung, Seeraumüberwachung und U-Jagd aus der Luft. Für die Marine gilt es daher, diesen Verlust zu vermeiden und für die P-3C Orion möglichst schnell über einen Nachfolger zu entscheiden.

Hubschrauberflotte

Die Marineflieger erhalten derzeit neue Mehrzweck- und Transporthubschrauber des Typs NH 90 NTH. Der erste Sea Lion wurde bereits im Juni 2020 ausgeliefert. 2022 soll die Auslieferung aller 18 Maschinen abgeschlossen sein, und 2023 wird die volle Einsatzbereitschaft erwartet. Der Sea Lion ersetzt den Mitte der 1970er-Jahre beschafften und nunmehr veralteten Transporthubschrauber Sea King Mk 41. Zum Einsatzspektrum des Sea Lion zählen taktische Transportaufgaben von bis zu 20 Personen und Material, Seeraumüberwachung, Search and Rescue (SAR), medizinische und andere Evakuierungen sowie Boarding-Einsätze. Der Sea Lion verfügt über ein umfangreiches Sensorsystem mit einem 360-Grad-Seeraumüberwachungsradar, Infrarot- und Video-Kameras, Laser-Entfernungsmesser, ein Eloka-System zur Elektronischen Aufklärung und eine Konsole zur Verarbeitung der Sensordaten und zum Austausch der Daten mit anderen Schiffen und Flugzeugen der Flotte. Zudem kann der Hubschrauber bei Operationen in Kampfgebieten mit zwei schweren Maschinengewehren und Täuschkörpersystemen ausgerüstet werden.
Neben dem Sea Lion bekommen die Marineflieger 31 neue mehrrollenfähige Bordhubschrauber vom Typ Sea Tiger. Diese sollen Ende 2025 die Bordhubschrauber Sea Lynx Mk 88A ersetzen, die seit den 1980er-Jahren als integraler Bestandteil der Fregatten im Einsatz sind. Der Sea Tiger ist wie sein Vorgänger ein Kampfhubschrauber zur U-Jagd und zur Bekämpfung von Überwasserzielen. Daher kann er mit einem tieffrequentem Tauchsonar, Sonarbojen sowie entsprechenden Waffen wie Torpedos und Lenkflugkörpern ausgerüstet werden. Zudem steht er als Transport- und Rettungshubschrauber innerhalb eines Schiffsverbandes zur Verfügung.

Ölaufklärer Do 228 LM

Auch die beiden Ölaufklärungsflugzeuge vom Typ Dornier 228 LM werden bis 2023 modernisiert. Die Flugzeuge besitzen zur Daten-Dokumentation das Missionssystem Medusa und eine umfangreiche Sensorausstattung mit Seitensicht-Radar, Linescanner für den IR- und UV-Bereich, Mikrowellenradiometer, Fluoreszenz-Laser und verschiedene Kameras. Das Missionssystem, die Sensorausstattung und das Kommunikationssystem werden grundlegend überholt und auf den neuesten Stand der Technik und Vorschriften gebracht. Mit seiner umfangreichen Sensor-ausstattung eignet sich das Flugzeug auch für operative Aufklärungs- und Überwachungseinsätze in kleinen Seeräumen oder Küstengewässern, etwa in Zusammerabeit mit der Küstenwache oder bei maritimen Frontex-Operationen. Die Marineflieger betreiben den Ölaufklärer im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums und des Havariekommandos. Somit müssen operative Einsätze mit diesen beiden Behörden vereinbart werden.

UAV Sea Falcon

Schon mit der Einführung der Korvetten 130 im Jahr 2008 hatte die Marine vorgesehen, Unmanned Aerial Vehicles (UAVs) als organischen Bestandteil der Korvetten zu beschaffen. 2016 wurde das Projekt Vordringliches Marine Unmanned Aircraft System (VorMUAS) zur erweiterten Aufklärungsfähigkeit der Korvetten aktiviert. 2017 hat sich die Marine für die Beschaffung des UAVs vom Typ Skeldar V-200 entschieden. Der Sea Falcon hat eine Reichweite von 100 Kilometern, eine Flugdauer von fünf Stunden und eine Geschwindigkeit von 150 Stundenkilomtern. Mit einem sogenannten Deckfinder auf dem Landedeck der Korvette startet und landet das UAV selbständig. Während der Seeraumüberwachung sendet der Sea Falcon hochauflösende Bilder in Echtzeit an die Korvette. Ende 2020 begann die Erprobung und Einsatzprüfung des UAVs auf der Korvette Braunschweig und die Ausbildung des fliegerischen und technischen Personals. Die Korvette wird im Juni 2021 am Unifil-Einsatz im östlichen Mittelmeer teilnehmen. Dabei soll der Sea Falcon unter Einsatzbedingungen getestet werden. Mit dem Projekt Aufklärung und Identifizierung im maritimen Einsatzgebiet (AImEG) plant die Marine, mittelfristig alle Korvetten und Fregatten mit einem UAV-System auszurüsten.

P-3C Orion

Im Jahr 2004 hat die Marine acht gebrauchte Seefernaufklärer (Maritime Patrol Aircraft, MPA) des Typs P-3C Orion von der Königlich Niederländischen Marine übernommen. Das Waffensystem P-3C ist für die Marine als Seefernaufklärer, vor allem aber als U-Jagd-Flugzeug unverzichtbar. Die Maschinen sollten eigentlich bis 2023 grundlegend modernisiert und instandgesetzt werden, um bis 2035 operieren zu können. Ab dann soll das geplante deutsch-französische Maritime Airborne Weapon System (MAWS) als Seefernaufklärer und U-Jäger eingeführt werden. Aber 2020 wurden die Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen der acht Maschinen aufgrund einer Rüge des Bundesrechnungshofs wegen signifikanter Kostenüberschreitung und technischer Risiken abgebrochen und ihre Außerdienststellung um zehn Jahre von 2035 auf 2025 vorgezogen. Zurzeit operieren die Marineflieger nur noch mit zwei einsatzfähigen Maschinen. Ungewiss ist, wie lange diese Maschinen noch durchhalten.

Damit ist bei den Marinefliegern für den Zeitraum 2025 bis 2035 eine gravierende Fähigkeitslücke entstanden, die es unbedingt zu schließen gilt. Angestrebt wird nunmehr, dass das Bundesministerium der Verteidigung bis 2025 eine Zwischenlösung für ein marktverfügbares Waffensystem realisiert, das eine kontinuierliche Verfügbarkeit von Seefernaufklärungs- und vor allem U-Jagdfähigkeiten in der Marine sicherstellt. Marktverfügbare MPAs der Typen C-295 und RAS 72 wurden als Zwischenlösung bereits ausgeschlossen. Frankreich hat vier gebrauchte MPAs vom Typ Bregruet Atlantic 2 angeboten, die aber wegen Überalterung nicht zum Zuge kommen. Außerdem sollen die französischen Flugzeuge ohnehin ausgenmustert und durch das MAWS ersetzt werden.

Derzeit richtet sich die Aufmerksamkeit auf die mögliche Beschaffung von P-8A Poseidon MPAs. Die US-Defence Security Cooperation Agency (DSCA) hat im März 2021 bekannt gegeben, dass das US-Außenministerium einen möglichen Verkauf von fünf Poseidons im Wert von 1,5 Milliarden Euro an Deutschland genehmigt hat. Für die Beschaffung der Poseidon-Maschinen hat sich auch der ehemalige Inspekteur der Marine, Vizeadmiral Andreas Krause, ausgesprochen. Denn mit der Poeidon erhielten die Marineflieger ein neues und operativ ausgereiftes Waffensystem für den Seekrieg aus der Luft, das bereits bei der U.S. Navy, der Royal Navy sowie bei den Marinen von Norwegen, Australien, Indien, Südkorea und Neuseeland im Einsatz ist. Das BMVg steht der Poseidon-Beschaffung als Zwischenlösung durchaus aufgeschlossen gegenüber. Aber die Finanzierung (1,5 Milliarden Euro) ist noch nicht abgesichert bzw. geklärt. Für das Haushaltsjahr 2021 stehen dem BMVg im Titel 554 130 32 Haushaltsmittel in Höhe von ca. 1,155 Milliarden Euro aber nur zur Beschaffung von Flugzeugen, Flugkörpern und zahlreiches flugtechnisches Gerät zur Verfügung. Hinzu kommt, dass die Poseidon-Beschaffung als Großprojekt mit anderen Großpro-jekten von Heer und Luftwaffe kokurriert. Daher wird wohl über die Beschaffung der Poseidon nicht mehr in diesem Jahr entschieden werden.

Text: Dieter Stockfisch; Foto: Bundeswehr/PIZM

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