Renk unterstützt durch seine Spitzentechnologie die NATO-Länder und deren bedeutendste Verbündete. CEO Alexander Sagel setzt vier Schwerpunkte für die Zukunft des Unternehmens. Ein Interview von Burghard Lindhorst.
Herr Sagel, seit Februar stehen Sie an der Spitze der Renk Group. Kaum im Amt, hat sich die sicherheitspolitische Lage weiter verschärft. War Renk darauf vorbereitet?
Wir erleben eine Zeitenwende, die wir alle lieber nicht erleben würden. In diesen Zeiten sollten wir froh sein, dass es in Deutschland und Europa Unternehmen wie RENK gibt, die Verantwortung für diese Umwälzungen übernehmen können und wollen. Die politische und finanzielle Feststellbremse ist gelöst – endlich. Jetzt müssen wir Fahrt aufnehmen und das starke Momentum nutzen. Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, können Industrie und Politik gemeinsam Großes bewirken. Dazu wollen wir unseren Beitrag leisten. RENK ist vorbereitet. Wir stehen in der Summe als Unternehmen hervorragend da, sei es bezüglich unserer Technologien, der finanziellen Mittel, des hohen Auftragsbestandes als auch unserer Kapazitäten und Standorte.
Was sind Ihre Schwerpunkte?
An der Spitze der RENK Group arbeiten zu dürfen, ist eine wunderbare Aufgabe und eine tolle Verantwortung. Das Unternehmen mit mittlerweile über 4.100 Mitarbeitern an 21 Standorten weltweit ist in seinem Produktportfolio und seiner strategischen Position am Markt wirklich einzigartig.
Insgesamt gesehen muss jetzt deutlich die Geschwindigkeit zunehmen, um das Verteidigungsbudget in konkrete Projekte und dann eben auch in Verträge überzuleiten. Deshalb habe ich vier Schwerpunkte gesetzt.
Ein wesentlicher Fokus ist das Thema operative Exzellenz. Das ist der Schwerpunkt Nummer eins. Die Rüstungsindustrie kann sich nicht hinter der Aussage verstecken, es gäbe kein Geld. Jetzt müssen die vorhandenen Kapazitäten ausgelastet werden. Insofern fokussieren wir uns auf Ausbringung und Performance – eben operative Exzellenz.
Der zweite wichtige Punkt ist Technologie. RENK liefert mittlerweile 152 Jahre Spitzentechnologie im Bereich Mechanik und Hydraulik. Bei dem für uns relevanten Markt beträgt unser Anteil 75 Prozent. Wir sind auch technologisch führend. Diese Position müssen und wollen wir in den nächsten Jahren verteidigen. Wir schauen sowohl im Bereich Landsysteme als auch bei Marine auf Elektrifizierung, auf Hybridisierung und auf Digitalisierung.
Zur Digitalisierung: Heute bestehen unsere Getriebe zu 99,9 Prozent aus feiner Mechanik, wie ein Uhrwerk. Die zukünftigen Anforderungen durch die Digitalisierung der Kriegsführung werden von den Plattformen ein höheres Maß an Autonomie, an Fähigkeiten über externe Steuerung verlangen. Da wollen und werden wir uns auch als RENK positionieren, als Key Enabler, gerade für Kettenfahrzeuge, egal ob wir von 60 Tonnen oder von einer Tonne reden. Überall werden wir über unsere Getriebe und mit entsprechender Software zur Digitalisierung und Autonomisierung beitragen.
Der dritte Punkt ist die Internationalisierung. Wir sind schon lange ein internationaler Konzern, haben einen starken Footprint in den USA. In den letzten fünf bis sechs Jahren haben wir uns regelmäßig durch Akquisitionen hier vergrößert. Jetzt sind wir dabei, Indien zu erschließen. Wir haben kürzlich dort ein ganz neues Werk für den lokalen Defence-Markt eröffnet. Als Beispiel für die Programme, in denen wir vertreten sind, nenne ich den Light Battle Tank. Und auch in den USA haben wir durch eine Akquisition von RENK America Marine & Industry in den letzten Monaten unseren Footprint für die U.S. Navy ausgebaut.
Der letzte Punkt: Wir werden ein starkes organisches Wachstum haben. Das Auftragsbuch ist voll, wir haben Aufträge für 5,5 Milliarden Euro. Das ist für eine kleine bescheidene Firma wie RENK ziemlich viel. Aber wir werden auch wie in der Vergangenheit konsequent schauen, dass wir, wenn sich die Gelegenheit ergibt, auch über weitere Akquisitionen mögliche Lücken, zum Beispiel beim Thema Digitalisierung, schließen.
Die USA sind der größte westliche Verteidigungsmarkt.
Ja, genau. Bei den Landsystemen sind wir in den Legacy-Platforms, zum Beispiel im Bradley, vertreten. Die Programme laufen bis Mitte der 2030er-Jahre.
Wir gelten jedenfalls als amerikanisches Unternehmen. Wenn ich mit Behörden spreche oder z.B. den Governeur von Michigan treffe, dann kennt man RENK America in Muskegon. Aber man kennt nicht wirklich RENK in Augsburg, Deutschland.
Für uns ist Amerika ein großer, ein wichtiger Markt. Wir haben zwischen 30 und 35 Prozent vom Umsatz in unserem Defence-Geschäft in der U.S. Army gemacht. Traditionell haben wir aus Augsburg auch über die letzten Dekaden Schiffsgetriebe entwickelt und dann in die USA transportiert. Aber auch hier müssen wir umdenken. Wir müssen lokalisieren. Aus diesem Grund haben wir vor wenigen Monaten ein kleines Unternehmen gekauft haben, die Cincinnati Gearing System. Das ist ein etablierter Lieferant, im Besonderen für die Navy. Mit diesem strategischen Hintergrund haben wir unseren lokalen Footprint. Wir können bei zukünftigen Programmen, wie etwa verschiedenen Zerstörern, die alle Ende des Jahrzehntes kommen sollen, mitspielen. Ohne diese Lokalisierung in den USA würde das nicht gehen.
In welche Richtung geht es bei der Marine?
Bei den Marinesystemen sind wir als RENK sowohl in der zivilen Schifffahrt als auch im Verteidigungsbereich seit mittlerweile mehr als 70 Jahren renommierter Partner für die erfolgreichsten Werften weltweit. Explizit geht es für uns darum, im Verteidigungsbereich die steigenden Bedarfe aus den NATO-Ländern und der Major-Non-NATO-Allies zu bedienen und sie durch unsere Spitzentechnologie zu unterstützen. Die meisten dieser Navies sind bereits Kunden von RENK und damit eine von mehr als 40 Navies, die weltweit auf RENK vertrauen. Hier wollen wir unseren Marktanteil weiter steigern. Im Grunde verfolgen wir ähnliche Ansätze wie im Landbereich, um über Elektrifizierung und Digitalisierung die zukünftige Performance und die Fähigkeiten von unbemannten Einheiten Über- und Unterwasser darzustellen.
Wie sieht es beim Thema F127 aus? Wie steht es um die F126?
Die Programme der heimischen Navy – der Deutschen Marine – sind für uns natürlich immer etwas Besonderes. In der Rüstungsindustrie geht es immer darum, unsere Soldaten zu unterstützen in der Verteidigung dessen, was uns wichtig ist – nicht zuletzt Demokratie, Rechtstaatlichkeit und freie Seewege. Programme wie die F126 und F127 Fregatten sind als Eckpfeiler unserer Landesverteidigung zur See natürlich von herausragender Bedeutung. Darüber hinaus handelt es sich bei den deutschen Fregatten auch um technologisch sehr herausfordernde Projekte. Hier werden wirklich auf Basis einer ganzheitlichen Betrachtung die Grenzen des technologisch Machbaren ausgelotet und im Rahmen von neuen Innovationen Schritt für Schritt weiter nach vorne verschoben. Das macht Spaß und erfüllt uns mit Stolz, mit einem kritischen Bauteil mittendrin dabei zu sein und mit unserer Expertise zum Erfolg des Projekts beizutragen. Ich kann sagen: Wir haben die fünf Fregatten F127 für uns kapazitätsseitig eingeplant. Und wir gehen davon aus, dass die sechste auch noch freigegeben wird. Zur F126: Ich gehe davon aus, dass auch dieses Projekt erfolgreich absolviert wird. Von unserer Seite läuft das.
Und wie steht es um internationale Marine-Aktivitäten?
Wir als RENK sind auch über Europas Grenzen hinaus gut aufgestellt. Wir haben mit der Übernahme von Cincinnati Gearing Sytems und der Integration in unseren Konzern als RENK America Marine & Industry (RAMI) in Cincinnati einen weiteren Fertigungsstandort in den USA hinzugewonnen, der in der Marine bereits heute hervorragend aufgestellt ist und die US Navy aus dem eigenen Land heraus als Zulieferer erfolgreich bedient. Das werden wir mit unserer Expertise in großen Antriebsanlagen für Kriegsschiffe in Zukunft weiter ausbauen.
Eine interessante Entwicklung gibt es in Japan. Dort waren wir bislang nicht vertreten. Aber jetzt haben wir einen ersten strategisch wichtigen Auftrag erhalten und dabei einen lokalen Mitbewerber für Marine-Aufträge ausstechen können. Dies ist strategisch sehr wichtig! Wenn Sie einmal drin sind, ist die Tür geöffnet. Und so ist es nun!