P-8A Poseidon mit geoffnetem Waffenschacht, Foto: Boeing

P-8A Poseidon mit geoffnetem Waffenschacht, Foto: Boeing

Nordholz wartet auf Poseidon

Trotz eines mittlerweile abgebrochenen Upgrades der P-3C ist der Erhalt der Fähigkeit zur U-Boot-Jagd sichergestellt. Denn bereits im kommenden Jahr erwartet die Marine die ersten Exemplare der P-8A Poseidon.

Die Maritime Patrol Aircraft (MPA) leisten einen bedeutenden Beitrag zur Fähigkeit der Langstreckenaufklärung über See sowie zur weiträumigen U-Boot-Abwehr aus der Luft und bleiben somit für die Deutsche Marine unverzichtbar.

Wie bei vielen anderen Großprojekten der Abteilung Luft im Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) ist auch das Beschaffungsprogramm P-8A Poseidon in einen multinationalen Komplex eingebettet. Daher zeichnete die Bundeswehr im Anschluss an die parlamentarische Behandlung im Juni 2021 einen Vertrag über die Beschaffung von fünf Luftfahrzeugen des Typs P-8A Poseidon vom amerikanischen Flugzeughersteller Boeing. Der Bedarf an einer Erweiterung des Portfolios auf bis zu acht Luftfahrzeuge wurde im August 2023 ministeriell anerkannt.

Die daraus resultierende Beauftragung der US-Regierung erfolgte im Anschluss mit Zeichnung des vierten Letter of Acceptance im November 2023 durch die Präsidentin des BAAINBw.

Das Bundesamt beschafft die Flugzeuge über das Foreign-Military-Sales-Verfahren (FMS) der amerikanischen Regierung. Die P-8A wurde ab dem Jahr 2004 basierend auf einer umfassend modifizierten Boeing 737-800 entwickelt und ersetzt seit dem Jahr 2013 sukzessive die P-3C-Flotte der US Navy. Inzwischen werden mehr als 160 dieser Flugzeuge weltweit eingesetzt. Neben den USA zählen Australien, Indien, Südkorea, Neuseeland, Norwegen und Großbritannien zu den Nutzern.

Der im Juni 2021 unterzeichnete FMS-Vertrag beinhaltet die nachfolgenden Hauptkomponenten:
•          Radarsystem
•          Akustiksystem
•          Elektronisches Unterstützungssystem
•          Elektronisches Selbstschutzsystem
•          Elektrooptisches/Infrarot-HD-Kamerasystem
•          Identification Friend or Foe Transponder (IFF-Transponder)
•          IFF-Abfrager
•          Kommunikations- und Datenlinksysteme (u.a. Satcom, Link 16)
•          Search and Rescue Kit

Derzeit arbeitet das Projektteam des BAAINBw zusammen mit der US Navy an einer sechsten Ergänzung des bestehenden Vertrags, um neben der bestehenden vertraglichen Verpflichtung der vorhergehenden Ergänzungen weitere Projektanteile im Bereich der Kommunikationstechnik zu implementieren. Das Waffensystem wird außerdem in der modernsten Ausstattungsvariante beschafft, welche auch das System Large Aircraft Infrared Counter Measures beinhaltet. Bei diesem System handelt es sich um ein Selbstschutzsystem zur Abwehr anfliegender Lenkflugkörper mit einer Suchkopftechnik auf Infrarotbasis.

Endmontage der P-8A bei Boeing in Seattle, Foto: Boeing

Endmontage der P-8A bei Boeing in Seattle, Foto: Boeing

Aus technischer Perspektive unterscheiden sich die P-8A Poseidon und die P-3C Orion insbesondere durch ihre Größe. Die Kernfähigkeit des Waffensystems liegt in der Bekämpfung von U-Booten. Mittels modernster Ausstattung in Form von Sensorik, Sonarbojen und Torpedos des Typs Mk 54 können U-Boote aufgespürt und bekämpft werden. Der mittels Verbrennungsmotor angetriebene, 2,71 Meter lange Torpedo Mk 54 besitzt einen 44 Kilogramm schweren Gefechtskopf und stellt die Hauptbewaffnung der P-8A dar. Inwiefern weitere Bewaffnungen in das Flugzeug integriert werden, wird derzeit noch geklärt.

Das Sensorsystem besteht aus hochmodernen Rechenanlagen zur Akustikverarbeitung, Radar mit inverser synthetischer Apertur sowie Radar mit synthetischer Apertur und weiteren elektronischen Unterstützungsmaßnahmen. Darüber hinaus ist das Waffensystem in der Lage, Überwasserseeziele zu orten, zu klassifizieren, und mit Lenkflugkörpern zu bekämpfen. Die Fähigkeit zur optischen Aufklärung mittels hochauflösender Kamerasysteme, die auch den Infrarotbereich abdecken, leistet einen wichtigen Beitrag zur umfassenden Lagebilderstellung. Über eine direkte Datenkommunikation ist die P-8A in der Lage, diese Informationen nahezu in Echtzeit an die Lagezentren der Bundeswehr zu verteilen. Gleichzeitig kann die Poseidon in der Kampfführung auf moderne Kommunikations- und Datenlinksysteme zurückgreifen und entsprechende Informationen verwenden. Sie nimmt mit ihrer vollständig vernetzten Führungsfähigkeit im Kampf der verbundenen Kräfte eine besondere Rolle ein und ebnet so den Weg für eine neue Epoche des gemeinsamen Kampfs aller Teilstreitkräfte.

Ferner leisten die Flugzeuge durch ihre große Reichweite, die mittels Luftbetankung noch erhöht werden kann, und moderne Sensorik einen wichtigen Beitrag im Rahmen von Search-and-Rescue-Operationen. So sind sie in der Lage, weiträumige See- aber auch Überlandgebiete in großer sowie geringer Höhe nach hilfsbedürftigen Personen abzusuchen und die Rettung aus der Luft zu koordinieren. Dies schließt das Abwerfen eines Überlebenspakets für Such- und Rettungseinsätze ein.

Unterstützung durch die Industrie

Nach Auslieferung der Luftfahrzeuge ab 2025 ist der Betrieb beim Marinefliegergeschwader 3 „Graf Zeppelin“ am Standort Nordholz vorgesehen, wo aktuell die P-3C stationiert ist. Dort sollen auch Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten für die Sicherstellung des täglichen Flugbetriebes durch die Bundeswehr erbracht werden. Die hierzu notwendigen, technisch-logistischen Unterstützungsleistungen, darunter die Materialbewirtschaftung, sollen durch die Industrie erfolgen. Demnach wird die Marine lediglich für den Betrieb der Luftfahrzeuge und einfache Wartungs- und Instandsetzungsleistungen verantwortlich sein. Der öffentliche Auftraggeber befindet sich diesbezüglich in Angebotsverhandlungen mit industriellen Partnern und strebt eine leistungsbasierte Zusammenarbeit an. Der zeitliche Horizont sieht hierbei einen frühestmöglichen Beginn der Unterstützungsleistung am Standort Nordholz vor. Die ersten infrastrukturellen Baumaßnahmen durch die industriellen Partner des Projekts sind bereits heute am und um den Marinefliegerstützpunkt erkennbar.

Analog zu den Bestrebungen weiterer großer Waffensysteme in der Dimension Luft wird auch die P-8A im Demar-Regelungsraum betrieben werden. Hierbei handelt es sich um die europäisch harmonisierten Lufttüchtigkeitsanforderungen im Militärbereich (European Military Airworthiness Requirements, Emar). Für die hierzu notwendigen Abstimmungsprozesse sind das Projektreferat der Marineflugzeuge und das Luftfahrtamt der Bundeswehr in engem Austausch mit dem Hersteller Boeing sowie der US Navy als zuständiger Halterin der Musterzulassung.

Die Einführung des neuen Waffensystems bedarf Änderungen in der Betriebsorganisation und einer umfassenden Ausbildung des technischen und fliegerischen Personals. Diese können zu einem Teil über die vertraglichen Verpflichtungen im multinationalen Kontext, insbesondere durch die US Navy gedeckt werden; für die langfristige Weiterbildung und das Training der Besatzungsmitglieder ist dies allerdings nicht vollständig abbildbar. Vor dem Hintergrund des langen Nutzungszeitraums wurden daher zusätzlich umfangreiche Ausbildungsmittel bei der amerikanischen Regierung über den bestehenden FMS-Vertrag beauftragt. Diese umfassen neben dem Operational Flight Trainer und dem Weapons Tactics Trainer zusätzliche Möglichkeiten der Vor- und Nachbereitung einzelner Trainingsmissionen sowie die Ausstattung elektronischer Klassenräume am Standort Nordholz, die es in die bestehende Infrastruktur zu integrieren gilt. Die beabsichtigte Auslieferung der Ausbildungsmittel ist ab 2027 vorgesehen und bildet somit einen Kernaspekt in der Aus- und Weiterbildung der Besatzungsmitglieder, ohne den notwendigen Restflugbetrieb für das vorangegangene Waffensystem zu behindern.

Nahtloser Übergang

Hintergrund der Beschaffung ist das festgelegte Nutzungsdauerende der P-3C Orion im kommenden Jahr. Ursprünglich war der Betrieb dieses Waffensystems bis zum Jahr 2035 vorgesehen – nach Abschluss eines Modernisierungsprogramms zur Verbesserung der Fähigkeiten und zur Verlängerung der Nutzungsdauer. Neben der Erneuerung der Tragflächen und des Leitwerks wurden weitere Maßnahmen im Bereich Avionik zum Erhalt der Einsatzreife und der Beseitigung zunehmender Obsoleszenzen eingeleitet. Aufgrund fortwährender Komplikationen ab Herbst 2018 und der daraus resultierenden merklichen Einschränkung im Flugbetrieb durch mangelnde Verfügbarkeit des Waffensystems entschied das Verteidigungsministerium im Juni 2020, das Programm zur Modernisierung der Orion abzubrechen. Vertraglich vereinbarte Leistungen der Projekte sowie die damit verbundene Industrieinstandsetzung wurden unzureichend, mit Kostensteigerungen und mehrjähriger Verspätung erbracht. Die Erneuerung der Tragflächen wurde im Anschluss an die Kündigung für zwei Flugzeuge durchgeführt und beendet. Im Februar 2021 konnte die erste runderneuerte Orion ausgeliefert werden, im April 2022 folgte das zweite Exemplar.
Der Betrieb des Waffensystems P-8A ist mit nunmehr acht Stück zukunftsorientiert und bedarfsgerecht aufgestellt. Die Poseidon wird für einen bruchfreien Fähigkeitsübergang nach Ausphasung der P-3C am Marinefliegerstandort Nordholz sorgen.

Technischer Regierungdirektor Matthias Müller arbeitet in der Abteilung Luft des Bundesamts für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr.

Matthias Müller

25. Nov. 2024 | 0 Kommentare

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