Pjöngjang bezeichnet die „Choe Hyon“ als einen Zerstörer, obwohl man sie mit 5.000 Tonnen Verdrängung und einer moderaten Bewaffnung eher als Mehrzweck-Fregatte klassifizieren könnte. Das erkennbare Senkrechtstart-Silo mit 32 kleinen, 12 mittleren und 20 großen Schächten lässt eine breitbandige FK-Bewaffnung einschließlich Marschflugkörpern vermuten, allerdings erweitern die zusätzlichen 10 noch größer dimensionierten Silo-Klappen das Waffenspektrum möglicherweise auch auf mitgeführte ballistische Flugkörper. Und dann könnte das mit dem Zerstörer wieder klappen. Kim Jong Un, der „Oberste Führer“ der Demokratischen Volksrepublik Korea, ließ es sich jedenfalls nicht nehmen, Ende April den ersten national entwickelten und gebauten Lenkwaffen-Zerstörer bei der Taufe auf der Nampho-Werft vor Pjöngjang selbst der Öffentlichkeit vorzustellen.
Erster Streich – Top
Nun müssen allerdings die Fahrerprobungen und die Funktionsnachweise der Waffensysteme zeigen, was in dem Rumpf steckt – und ob es ein „one-off“ bleibt oder als das Typschiff einer Serie zu betrachten ist. Interessant wäre auch zu erfahren, welche russischen Konstruktionsbüros bei dem Programm eventuell Schützenhilfe geleistet haben. Widersprüchliche Informationen gibt es zur Genüge. Experten äußern sogar Zweifel, dass überhaupt eine Antriebsanlage eingebaut sei, weil dazu keine Hinweise vorliegen. Andererseits vermeldet Nordkorea, dass man bereits wenige Wochen nach dem Stapellauf im Beisein Kim Jong Uns ein Artillerie- und Flugkörper-Testschießen durchgeführt habe. Da in diesem Land nur wenige Dinge verifizierbar sind, weil kaum etwas an die Öffentlichkeit dringt, sollte man bei diesen Informationen Vorsicht walten lassen.
Zweiter Streich – Flop
Unterstrichen wird diese Informationspolitik durch den ziemlich unerwarteten Stapellauf eines Schwesterschiffes am 22. Mai in Chongjin im Nordosten Nordkoreas. Was eigentlich eine spektakuläre Dublette für die bisher finanziell recht stiefmütterlich bedachte nordkoreanische Marine werden sollte – der Stapellauf und die Taufe des zweiten 5.000-Tonnen-Zerstörers –, das fiel buchstäblich unter den Augen des großen Staatslenkers Kim Jong Un ins Wasser. Für ihn eine maximale Blamage und ein gravierender Einbruch in seinem höchst ambitionierten Marine-Rüstungsprogramm.

Nordkoreanischer Zerstörer „Choe Hyon“. Foto: Staatl. Medien
Für Stapelläufe dieser Dimension stehen entlang der Ostküste keine adäquaten Slipanlagen zur Verfügung. Dafür gibt es aber das Verfahren des seitlichen Abkippens (side slip), was bei Handelsschiffen mit ziemlich gleichförmiger Massenverteilung entlang der Längsachse gut funktioniert, wie zahlreiche Videos niederländischer Werften zeigen. Bei einem Kriegsschiff sieht das jedoch wegen der ungleichen Massenverteilung etwas anders aus: Fincantieri Marinette hat gute Erfahrungen damit bei den kleinen Littoral Combat Ships der Freedom-Klasse gemacht. Nordkorea aber noch nicht – schon gar nicht in dieser Größenordnung.
Bei dem Staatsakt jedenfalls passierte der größte nicht angenommene Zwischenfall: Vorzeitig kippte das Heck von der Pierkante, nicht aber der Bug – der blieb auf dem Querslip fest verankert. Halb zu Wasser gekommen, blieb das Schiff auf der Seite liegen. Die strukturellen Schäden dürften erheblich sein, ein auf Grund der Verwindungen des Rumpfs „gebrochener Kiel“ ist nicht auszuschließen. Was den Blicken von der Seite (Anwesende) und von oben (Satelliten) entzogen werden konnte, das wurde schnell mit blauen Planen wie mit einem Leichentuch abgedeckt. Außer Satellitenfotos ist auch sonst kein Bildmaterial verfügbar. Auch ein für die Baunummer zwei vorgesehener Name ist nicht in Erfahrung zu bringen.
Konsequenzen
Höchst unüblich ist jedoch die Bekanntmachung dieses Missgeschicks in den nordkoreanischen Medien. Und das will nichts Gutes heißen, denn neben dem eindringlichen Aufruf des Staatspräsidenten zur umgehenden Wiederherstellung des Schiffes innerhalb weniger Wochen – bis zum kommenden Parteitagsplenum Ende Juni – geht es im Hintergrund meist auch um eine Bestrafung der Schuldigen. Verantwortung für diese „Schande und Entehrung der Nation zu übernehmen“ gehe in Nordkorea nach Einschätzung von Experten meist einher mit dem Anklagen und Verschwinden von Personen – hier der führenden Konstruktions-, Werft- und Schiffbau-Ingenieure des Landes.
Eine Reparatur wird Monate dauern, im ungünstigsten Fall sogar einen Neubau erfordern. Die Frage nach einer Serienfertigung dieser Schiffe ist damit vorerst auch beantwortet. Von diesem Schock wird man sich in Nordkorea erst einmal erholen müssen. Nun richten sich alle Blicke auf die „Choe Hyon“ im Westen des Landes.
Ballistische Waffen von See aus starten?
Der Einsatz ballistischer Waffen von seegehenden Plattformen ist übrigens auch eine Option, die sich bei der südkoreanischen Marine in der Entwicklung befindet.
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