Die Neubewertung der russischen und chinesischen Marinebedrohung hat – nach drei Jahrzehnten Vernachlässigung – das Interesse der US Navy am offensiven Minenkampf wiedererweckt. Die Navy strebt jetzt neue, wirksamere Verfahren zur Dislozierung von Seeminen an. Dies schließt die Einführung neuer Minentechnologie zur Bekämpfung feindlicher Überwasserschiffe und U-Boote ein.
Offensive Minenkampffähigkeit
Das aktuelle Seemineninventar der USA besteht aus dem Quickstrike-System und dem SLMM-System (Submarine Launched Mobile Mine) Mk 67. Sämtliche Minen eignen sich ausschließlich für den Einsatz in seichten Gewässern. Es handelt sich bei allen Typen um ferngezündete Minen, die auf die akustische oder magnetische Signatur feindlicher Schiffe oder auf eine Veränderung des Wasserdrucks reagieren.
Die Quickstrike-Minenfamilie besteht aus den Minentypen Mk 62 (500 Pfund), Mk 63 (1.000 Pfund) und Mk 65 (2.000 Pfund). Bei den Typen Mk 62 und Mk 63 handelt es sich um Freifallbomben, die für die Verwendung als Seeminen umgerüstet wurden. Die größere Mk 65 wurde gezielt als Mine entwickelt. Alle drei Minentypen werden wie Freifallbomben durch Seefernaufklärer und trägergestützte Jagdbomber der Navy sowie durch Fernbomber der US Air Force ausgesetzt. Nach dem Auslösen der Waffe öffnet sich ein am Heck der Mine befindlicher Fallschirm, um ein sanftes eintauchen ins Wasser zu gewährleisten. Die beteiligten Flugzeuge müssen bei diesen Einsätzen in niedriger Höhe (150 Meter über der Meeresoberfläche) und mit maximal 320 Knoten vergleichsweise langsam fliegen, um einer Beschädigung der Mine vorzubeugen. Dieser Umstand setzt dem Einsatz der Minen allerdings enge Grenzen; Minen können nur in ausreichender Entfernung zu gegnerischen Kräften oder Stellungen ausgesetzt werden, um eine Gefährdung des Trägerflugzeugs zu minimieren.
Das Waffensystem Mk 67 wird verdeckt durch bemannte Jagdunterseeboote ausgesetzt. Das System besteht aus einer Torpedohülle, in die ein Minensprengkopf der 2.000-Pfund-Klasse, ein bordeigenes Führungssystem sowie eine Langzeitbatterie integriert sind. Die Waffe wird in einem hinreichendem Abstand ausgesetzt, um die Erfassung des U-Bootes sowie der Mine durch den Gegner zu verhindern. Dann fährt er in die vorgesehene Einsatzzone – etwa eine Hafenmündung oder Meerenge – und kommt auf dem Meeresgrund zur Ruhe. Sobald ein durchfahrendes Feindschiff geortet wird, erfolgt die Auslösung des Sprengkopfs. Die Unterbringung der Mine in ein Torpedogehäuse ermöglicht es, Minen dort zu platzieren wo normalerweise kein Zugang für offensive Minenkampfkräfte wäre. Die aus den 1980er-Jahren stammende Technologie gilt allerdings als veraltet. SLMM soll demnächst ausgemustert und ersetzt werden.
Quickstrike JDAM-ER
Die Quickstrike Minenfamilie soll weiterhin im Einsatz bleiben, aber durch neue Technologie wesentlich effizienter gestaltet werden. Hierzu gehört die Ausstattung der Minen mit einem leistungsgesteigerten Zielortungssystem sowie neuen Sensoren für die Erkennung und Einordnung feindlicher Schiffe.
Tiefgreifender ist allerdings die Ausstattung der Quickstrike-Minen mit Joint Direct Attack Munition (JDAM). Dieser Rüstsatz besteht aus einem Steuerleitwerk, das am Heck von Freifallmunition montiert wird, sowie einem GPS-Navigationssystem. Hierdurch wird Freifallmunition in Präzisionsmunition umgewandelt.
Die mit dem einfachen JDAM-Rüstsatz ausgestatteten Seeminen werden als Quickstrike-J bezeichnet. JDAM verleiht den Minen eine gesteigerte Flugreichweite sowie einen flachen Flugwinkel; dies erlaubt das Aussetzen der Minen aus großer Höhe und bei hoher Fluggeschwindigkeit.
Ein Teil der Minen wird mit dem leistungsgesteigerten Rüstsatz JDAM-ER versehen und als Quickstrike-ER (Extended Range) bezeichnet. Zusätzlich zum Heckaufsatz umfasst die JDAM- Konfiguration ein mittschiffs auf der Mine montiertes Leitwerk, das die Flugreichweite nochmals wesentlich erhöht. Die bisherige Erprobung der Quickstrike-J-Variante ergab, dass die nachgerüsteten Minen aus bis zu 12.000 Meter Höhe und aus 40 Seemeilen Entfernung zum Zielgebiet ausgelöst werden können. Dank des GPS-Navigationssystems des JDAM und des auf zirka 10 Meter reduzierten Streukreises der Munition kann ein Bomber oder Seefernaufklärer im Rahmen eines einzigen Überflugs ein vollständiges Minenfeld aussetzen. Durch die Reichweitensteigerung können Flugzeuge – je nach Ausstattung des Gegners – unter Umständen sogar feindliche Häfen oder Flussmündungen aus sicherem Abstand verminen.
Die mehrjährige Quickstrike-J-/Quickstrike-ER-Testreihe wurde im Mai 2019 erfolgreich abgeschlossen. Die Feinabstimmung der Integration des Systems wird derzeit durchgeführt. Da der JDAM-Rüstsatz bereits im Inventar des US-Militärs steht, dürfte die serienmäßige Einführung des aufgerüsteten Quickstrike-Systems spätestens nächstes Jahr erfolgen. Die Technologie lässt sich grundsätzlich auch durch Verbündete einsetzen, die über JDAM-kompatible Flugzeuge verfügen.
Hammerhead
Trotz der Flexibilität von Quickstrike wird die Zukunft des Minenkampfs allerdings durch das verdeckte Aussetzen von Minen durch unbemannte Unterseeboote (Unmanned Underwater Vehicle, UUV) geprägt, erklärt Captain Christopher Merwin, Leiter der in San Diego angesiedelten Mine Warfare Division der US Navy. UUVs können Einsätze in Gewässern durchführen, die für bemannte Einheiten zu gefährlich wären; zudem hätten UUVs aufgrund des Größenunterschiedes bessere Aussichten, ihre Nutzlast unentdeckt auszusetzen.
Das in der Entwicklung befindliche Waffensystem Hammerhead wird gezielt auf den Einsatz durch UUVs ausgerichtet. Hammerhead wird offiziell als Minensystem bezeichnet, da es am Meeresboden ausgesetzt wird und langfristig auf die Passage feindlicher Einheiten wartet. Die eigentliche Gefechtsnutzlast besteht allerdings aus einem leichten Torpedo Mk 54. Das restliche System wird wortwörtlich um den Torpedo herum entwickelt und gebaut. Ein seitens der Navy freigegebenes Konzeptbild zeigt, dass das System in einem Rohrbehälter untergebracht ist und aus sechs Modulen besteht. Unten befindet sich das Ankermodul zur vertikalen Befestigung der Waffe am Meeresboden. Es folgt das Energiemodul – grundsätzlich eine Batterie für die langfristige Versorgung mit Elektrizität. Auf diesem ist das das elektronische Führungssystem angebracht. Als nächstes kommt das eigentliche Nutzlastmodul mit dem Torpedo, das ungefähr zwei Drittel der Gesamtlänge des Systems ausmacht. Daraus ragen schließlich zwei als Kommunikations- und Sensormodul bezeichnete Antennen hervor. Die modulare Zusammensetzung des Systems bewirkt, dass im Arsenal befindliche Hammerheads jederzeit mit der neuesten Technologie nachgerüstet werden können.
Aufgrund der erforderlichen Einsatzreichweite und Nutzlastkapazität kommen als unbemannte Trägerfahrzeuge nur die besonders großen XLUUVs (eXtra Large Unmanned Underwater Vehicle) in Frage. Die Navy könnte bis zu 50 dieser 16 Meter langen U-Boote erwerben. Die ausgesetzte Mine verankert sich autonom am Meeresboden und verbleibt – gegebenenfalls monatelang – im passiven Zustand. Das Waffensystem kann jederzeit aus der Ferne aktiviert werden.
Die Auswertung der Sensordaten und die Einstufung eines erfassten Schiffs erfolgen autonom durch das an Bord befindliche Führungssystem. Bei positiver Identifizierung eines feindlichen Schiffes wird der Torpedo zum optimalen Zeitpunkt ausgelöst. Hammerhead kann so programmiert werden, dass es nur auf eine bestimmte Schiffsklasse reagiert. Nach Angaben der Navy sollen – zumindest vorerst – primär feindliche U-Boote bekämpft werden. Eine denkbare Einsatztaktik wäre das Anlocken feindlicher U-Boote durch das gleiche XLUUV, dass die Minen zuvor ausgesetzt hat. Die Navy diskutiert seit Jahren die potenzielle Anwendung der Unterwasserdrohnen als Lockvogel, die die akustische und elektronische Signatur bemannter Einheiten ausstrahlen, um gegnerische Jagd-Unterseeboote aus der Deckung hervorzulocken.
Im Vergleich zu den aktuellen Minen soll Hammerhead bevorzugt in mittleren bis tieferen Gewässern eingesetzt werden. Durch die Verwendung eines Torpedos anstatt einer herkömmlichen Mine als Wirkmunition kann Hammerhead Ziele angreifen, die sich nicht in die unmittelbare Nähe der Mine begeben oder Ausweichmanöver durchführen.
Die 2018 eingeleitete Entwicklung des neuen Minensystems ist eine Priorität der Navy und wird seit 2019 gemäß eines
beschleunigten Zeitplans vorangetrieben. Die formelle Ausschreibung wird in diesem Herbst erwartet. Verträge für Entwurf und Erprobung von Prototypen sollen im Verlauf des Fiskaljahrs 2021, das am 1. Oktober 2020 beginnt, vergeben werden. Bis zu 30 Einheiten sollen zunächst bis Ende 2023 zu Testzwecken ausgeliefert werden.
CDM
Ebenfalls in der Entwicklung befindet sich eine Waffe mit der Bezeichnung Clandestine Delivered Mine (CDM). Im Unterschied zu den Quickstrike- und Hammerhead-Entwicklungsprogrammen werden keine technischen oder operativen Details hinsichtlich dieses Systems veröffentlicht. Lediglich die unmittelbare Programmbezeichnung verrät, dass die Mine verdeckt ausgesetzt wird. Allerdings geht aus einem öffentlich freigegebenen Budgetdokument des Pentagons aus dem Jahr 2016 hervor, dass CDM aus Bestandteilen des Mk 67 zusammengesetzt ist. Die resultierende Mine ist wesentlich kleiner als SLMM und kann folglich – im Unterschied zum Mk 67– auch durch mittelgroße unbemannte Unterwasserfahrzeuge ausgesetzt werden. Dies steigert die Flexibilität der offensiven Minenkampfführung der US Navy, insbesondere bis zur Indienststellung des Hammerhead-Systems. Die Prototyperprobung wurde 2019 durchgeführt mit dem Ziel einer operativen CDM-Einführung im Verlauf des Jahres 2020.
Autor: Sidney E. Dean
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