In Bobzins Zeit als Kommandeur fiel die Einführung des Sea Lion, Foto: Daniel Angres

In Bobzins Zeit als Kommandeur fiel die Einführung des Sea Lion, Foto: Daniel Angres

Punktlandung

Kapitän zur See Thorsten Bobzin hat nach vier Jahren das Kommando über die Marineflieger übergeben. Er blickt auf eine bewegte Zeit zwischen Systemeinführungen, Nachwuchssorgen und Fähigkeitslücken zurück.

Nach vier Jahren an der Spitze des Marinefliegerkommandos zieht Thorsten Bobzin ein wichtiges Resümee: „Gott sei Dank hatten wir nur einen Flugunfall, der zudem glimpflich ablief.“ Auf die Frage, welche Situation die größte Anspannung ausgelöst hat, nennt er den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine im Februar dieses Jahres. Die Marineflieger bewiesen ihre Fähigkeiten mit sehr hohem Engagement und einer schnellen Einsatz- und Verlegebereitschaft. In diesem Zusammenhang erwies sich einmal mehr die Fähigkeit des Seefernaufklärers P-3C Orion als herausragendes Asset im Luftraum über See. Ein Fähigkeitsträger, dessen Abschaffung in der jüngeren Vergangenheit der Marineflieger abgewendet werden konnte. Damit wäre für die Deutsche Marine der unwiederbringliche Verlust einer Kernfähigkeit gewesen, katastrophal gerade in der aktuellen sicherheitspolitischen Lage. Als Konsequenz hätte das Marinefliegergeschwader 3 und indirekt auch das Marinefliegerkommando zur Disposition gestanden. Zukünftig aber wird die P-8A Poseidon als Seefernaufklärer im Dienst der Deutschen Marine stehen.

Noch fliegt der Sea Lynx zuverlässig für die Marine, Foto: dan

Noch fliegt der Sea Lynx zuverlässig für die Marine, Foto: dan

Mitunter genauso angespannt scheint die Einführung des Sea Lions. Der Nachfolger des Sea Kings wurde für die Einsatzprüfung verspätet ausgeliefert, was sich, zusammen mit weiteren Hürden, negativ auf seine geplante Verfügbarkeit auswirkte. In der Folge musste der mittlerweile 50 Jahre alte Sea King deutlich länger für die SAR-Verpflichtungen der Marine einsatzbereit gehalten werden. Ein großes Problem, da sich die Instandsetzung und Versorgung mit Ersatzteilen immer schwieriger darstellte.

Hinzu kommen Nachwuchssorgen beim fliegerischen und technischen Personal. Vieles lässt sich ab und an kompensieren, manches aber eben nicht. Wenn es dann mal keine technischen Hürden waren, die es zu überwinden galt, durchkreuzte das Coronavirus sämtliche Planungen des Großverbands. Auf all diese Beeinträchtigungen und Widrigkeiten reagierten die Marineflieger nach Ansicht von Bobzin professionell und flexibel. So konnten in den vergangenen zwei Jahren neben der bundesweiten Amtshilfe während der Pandemie auch Einsätze und einsatzgleiche Verpflichtungen überaus erfolgreich durchgeführt werden. Die Einschiffung der Sea-Lynx-Bordhubschrauber beim Deployment der Fregatte Bayern im Indopazifik, die durchgängige Teilnahme einer P-3C an der Operation Irini im Mittelmeer und die seit Februar 2022 erheblich gesteigerte Überwachungspräsenz in Nord- und Ostsee sind nur drei von unzähligen Beispielen, die aufzeigen, was die Marineflieger leisten können. Und dies in einer Phase, in der nicht nur sämtliche Waffensysteme der Marineflieger mit einem Generationensprung erneuert werden, sondern auch die Missionsunterstützung sowie die technische und fliegerische Ausbildung ins Digital-Zeitalter katapultiert werden müssen. Um das alles bewältigen zu können, muss man gute Leute haben.

FlyNavy1

Seit der Historisch-Taktischen Tagung im Jahr 2019 wurde in der Deutschen Marine das Twittern entdeckt. Nach der Ankündigung des damaligen Inspekteurs, nun auch auf Twitter präsent zu sein, meldete sich kurzerhand auch Bobzin, um die Geschichte der Marineflieger aus seiner Sicht zu erzählen. Dabei wollte er Transparenz erzeugen und ein breites Umfeld informieren: eigenes Personal, interessierten Nachwuchs, Öffentlichkeit und Politik. Sein Account wurde innerhalb der #miltwitter- Blase zum Erfolg und gilt als gutes Beispiel für ein erfolgreiches Bespielen der Sozialen Medien in der Bundeswehr. Themen rund um die Marinefliegerei bestimmen den Inhalt. Aber auch kontroverse Debatten wie die Gleichbehandlung in der fliegerischen Ausbildung wurden thematisiert. Für einen bunten Content wurden die Besatzungen der Luftfahrzeuge gebeten, Fotos und Videos zur Verfügung zu stellen. Scherzend hieß es ab und an, dass manchmal das Foto vor dem Auftrag stünde. Nun wird mit der Kommandoübergabe der Twitteraccount an den Nachfolger im Amt übergeben. Gerüchten zufolge ist die Ehefrau des scheidenden Kommandeurs über diesen Umstand nicht traurig.

Dem Seefernaufklärer P-3C Orion bleiben noch wenige Jahre, Foto: dan

Dem Seefernaufklärer P-3C Orion bleiben noch wenige Jahre, Foto: dan

Und nun?

Erfolgreich hat Sea-Lynx-Pilot Bobzin die materiellen Weichen für die Zukunft gestellt: Bord- und Ausbildungshubschrauber, Seefernaufklärer sowie unbemannte Systeme befinden sich im Zulauf. Auch an Effektoren und den Aufbau von Trainingsinfrastruktur ist gedacht. Jedoch stehen die schwierigsten Umsetzungen noch aus. Trotzdem befinden sich die Marineflieger wieder im Aufwuchs, ihre Kampfkraft steigt. Wenngleich die geplanten Zuläufe von Fluggerät und Bewaffnung optimistisch stimmen, bleibt bei Thorsten Bobzin die Sorge um den zeitgerechten Aufbau der finalen Konfiguration des Sea Tiger, da die für den operativen Einsatz unabdingbare Ausrüstung erst später nachgerüstet wird. Das wird das Leistungsspektrum des künftigen Bordhubschraubers der Marine für einige Jahre reduzieren. Die größere Herausforderung der nächsten Dekade besteht jedoch in der Personalregeneration. Gute Ideen gibt es bereits, aber wie immer bedarf es der Unterstützung sowohl bei der Nachwuchswerbung als auch bei der Flexibilisierung der Laufbahnen und der damit einhergehenden Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Daniel Angres

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