Raketentreffer auf der Marlin Luanda. Foto: ALINDIEN, Französische Marine

Raketentreffer auf der Marlin Luanda. Foto: ALINDIEN, Französische Marine

Rotes Meer: Chronologie einer neuen Kriegsform – Lowcost gegen Hightech

Als Reaktion auf den Israel-Gaza-Krieg bedrohen die jemenitischen Huthi-Milizen die internationale Schifffahrt im Roten Meer. Im Kampf gegen deren neue Low-Cost-Waffen müssen die Alliierten sehr teuere Flugkörper einsetzen – simple versus sophisticated. Hier ein Rückblick auf die letzten zwölf Monate (Stand Ende November 2024) mit einer beigefügten Chronologie der Ereignisse. Eingefügt ein aktueller Nachtrag vom 23. Januar 2025 mit Ergänzung vom 27. Januar 2025.

GALAXY LEADER auf dem Weg in die Gefangenschaft. Foto: Huthi-Media

GALAXY LEADER auf dem Weg in die Gefangenschaft. Foto: Huthi-Media

Am 19. November 2023, sechs Wochen nach dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober und drei Wochen nach Beginn der israelischen Bodenoffensive im Israel-Gaza-Krieg, eröffneten die Huthi-Milizen ihre seewärtige Unterstützungskampagne für Hamas und Hizbollah durch die Kaperung der GALAXY LEADER nahe Al-Hudaida im Jemen. Deren Besatzung wird auch heute noch dort gefangen gehalten. Ein kurzer Blick auf die Auswirkungen dieser neuen Bedrohungsqualität auf See fällt nach zwolf Monaten wie folgt aus: low success – astronomical cost. Bei etwa 100 Angriffen auf zivile Frachtschiffe im südlichen Roten Meer – der VDR (Verband Deutscher Reeder) spricht sogar von fast 200 Angriffen – wurden zwei Schiffe versenkt, zwei entführt, durch Raketen- oder Drohnentreffer über zwei Dutzend Brände an Bord verursacht und vier Seeleute getötet. Fünf bis sechs Prozent der weltweit über See transportierten Güter werden mittlerweile statt durch den Sueskanal um das Kap der Guten Hoffnung geroutet – mit längerer Frachtdauer und höheren Frachtraten, aber auch klarer Verschlechterung der CO2-Bilanz. Es ist der größte Angriff auf zivile Handelswege seit dem Zweiten Weltkrieg, der sich vornehmlich gegen Frachten richtet, die mit Israel und seinen Verbündeten in Verbindung stehen.

Zerstörer USS Carney (DDG 64) setzt SM-2 zur Flugabwehr ein. Foto: US-Navy/Aaron Lau

Schutz der Seewege

Zwei multinationale Koalitionen haben sich um der Freiheit der Seewege willen dafür entschieden, dem Schiffsverkehr durch das Bedrohungsgebiet Schutz zu gewähren: Am 18. Dezember 2023 startete das US CENTCOM in Bahrain mit der Task Force 153 die amerikanisch geführte Operation "Prosperity Guardian", erst zwei Monate später erfolgte der Startschuss für die aktuell griechisch geführte Operation EUNAVFOR "Aspides" der Europäische Union. Beide Operationen dauern unvermindert an, denn offensichtlich hat die Komplexität der Angriffe zugenommen, auch wenn die Intensität der Bedrohung zuletzt erkennbar abgenommen hat. Maßgeblich ist dies der Bekämpfung von Waffen- und Startanlagen der Huthis in jemenitischen Gebieten aus der Luft zuzuschreiben.

Über einzelne Vorfälle und die Bandbreite der in diesem Bedrohungsumfeld gemachten Erfahrungen wurde im marineforum bereits anlassbezogen berichtet. Einige zusammenfassende Aspekte sollen hier nun das Gesamtbild ergänzen.

Erste Folgen

Enorme Verluste von sechs Milliarden Dollar erlitt die Suez Canal Authority (SCA) und damit auch der ägyptische Staat durch eine um 60 Prozent gegenüber normalen Jahren reduzierte Anzahl von Kanalpassagen – damals nahmen noch zehn bis zwölf Prozent des Weltschiffsverkehrs den Weg durch das Nadelöhr im Nahen Osten. 

Französische Fregatte geleitet Containerschiff der französischen Reederei CMA CGM durch das Rote Meer. Foto: Französischer Generalstab

Französische Fregatte geleitet Containerschiff der französischen
Reederei CMA CGM durch das Rote Meer. Foto: Französischer Generalstab

Teuer gegen billig

Und es sind die US-Navy und Marinen ihrer Verbündeten, die im Einsatzgebiet mit extrem kostenträchtiger Flugkörpertechnik gegen massenweise und einfach produzierte Billigwaffen kämpfen, um den zivilen Schiffsverkehr und sich selbst zu schützen. Den Auswertungen der Military Times lässt sich entnehmen, dass im Verlaufe der letzten zwölf Monate im Roten Meer und dem Golf von Aden durch die bordgestützte Flugabwehr und fliegende Komponenten etwa 85 ballistische und 45 Marsch-FK abgewehrt wurden, sowie 250 bis 280 Kampfdrohnen und 32 Drohnenboote. Zusätzlich konnten durch Luftangriffe in den aufständischen Gebieten etwa 200 ballistische und Marschflugkörper sowie etwa 120 Kampfdrohnen zerstört werden, dazu 12 Drohnenboote und über 50 Radarstationen, Startanlagen und Waffenlager. Dabei kann davon ausgegangen werden, dass zur Abwehr jeder Bedrohung mehr als lediglich ein geeignetes Abwehrmittel eingesetzt werden musste.

Hier sei daran erinnert, dass eine Standard Missile zur Flugabwehr zwei Millionen Dollar kostet – eine Kampfdrohne iranischer Bauart aber lediglich 2.000 Dollar!

Über diese Zahlen schweigt sich das Pentagon verständlicherweise aus, aber die Umsteuerung beim Vorhalten von FK für die Flugabwehrsysteme spricht Bände! Andererseits lässt sich der hohe Waffenverbrauch gut ummünzen in nahezu unbezahlbare, lebenswichtige Einsatzerfahrung, wie Deutschland mit der Fregatte HESSEN selber feststellen konnte.

Ölbrände auf der SOUNION. Foto: Huthi-Medien

Ölbrände auf der SOUNION. Foto: Huthi-Medien

Verlierer und Gewinner

Die großen Verlierer jedoch dürften letztendlich die Frachtkunden ganz allgemein sein. Denn obwohl erstem Augenschein nach die Reeder und Frachteigner für die zahlenden Opfer gehalten werden könnten, ist es aufschlussreich, dass die Reedereien zwischenzeitlich eine Gewinnsteigerung von mehr als 40% zu verzeichnen hatten! Die Kosten werden mit Aufschlag weitergereicht – verteilt auf alle Kunden.

Aber es sind auch Russland und China, die von den Huthi-Angriffen im Roten Meer profitieren, indem sie auf dieser kürzeren Frachtroute für ihre Schiffe keine Angriffe zu befürchten haben. Und es kommt noch dicker: Wie das Wall Street Journal aufdecken konnte, lieferte Russland Zieldaten von Satelliten direkt an die Milizen, die in ihrer Qualität den iranischen Daten weit überlegen sind. Die Weitergabe erfolgte durch Kräfte der iranischen Revolutionsgarden, die in die Huthi-Milizen eingegliedert sind. Ob sich dadurch die niedrige Trefferquote verbessern ließ, bleibt im Weiteren auszuwerten. Dies ist jedenfalls als ein aktiver russischer Eingriff in das Szenario zu bewerten, und er zielt auf eine Bindung amerikanischer Kräfte und die weltweite Destabilisierung der Handelswege.

Zudem ist einem bislang noch unveröffentlichten Report des UN-Sicherheitsrats über Fähigkeiten, Finanzen und Verbindungen der Huthi-Milizen (UN Panel of Experts on Yemen) zu entnehmen, dass deren derzeit wichtigste Einnahmequelle verdeckte Zahlungen der Reeder sein sollen – gegen die Zusage, dass ihre Schiffe nicht angegriffen werden. Eine unabhängige Gegenprüfung steht noch aus, aber bei 150 bis 200 Millionen Dollar monatlich summiert sich dies zu einem Multimilliarden-Wegezoll. Das sollte eigentlich nicht möglich sein – eigentlich!

Huthi-Angriff auf den Rohöltanker Cordelia moon, Foto: Huthi-Medien

Huthi-Angriff auf den
Rohöltanker Cordelia moon, Foto: Huthi-Medien

Drohgebärden

Mitte November ließ eine Meldung des VDR (Verband Deutscher Reeder) aufhorchen, die von zahlreichen und zum Teil auch individualisierten Droh-E-Mails an deutsche Reedereien berichtete, die in der Region unterwegs sind. Absender ist das Humanitarian Operation Coordination Center (HOCC), eine mutmaßlich von den Huthi-Milizen kontrollierte Organisation zur Koordination der Angriffe auf den Schiffsverkehr im Roten Meer. Eine interessante Namenswahl für eine Schaltstelle des Krieges.

Pulver verschossen?

Aufgrund der zahlreichen US-Angriffe auf Waffenlager und Startbasen im von den Huthis kontrollierten Nordwesten des Jemen scheinen die anfangs reichlich vorhandenen Flugkörper und Drohnen nicht mehr in hinreichender Anzahl zur Verfügung zu stehen. Dies wäre eine Erklärung dafür, dass sie nur noch schubweise zum Einsatz kommen. Offensichtlich sind die sowohl vom Iran gelieferten als auch durch die heimische Industrie gefertigten Bestände weitgehend aufgebraucht. Im Gegenzug bedeutet dies, dass vermehrt Waffen aus neuerer Produktion mit fortgeschrittener Technologie zum Tragen kommen. Parallel dazu werden komplexere Verfahren und Mittel ersonnen und einfallsreich zum Einsatz gebracht.

USS Gravely setzt Tomahawk Marschflugkörper gegen Landziele ein. Foto: US-Navy

USS Gravely setzt Tomahawk Marschflugkörper gegen Landziele ein. Foto: US-Navy

Fortsetzung folgt!

Ende September verzeichnete die US-Navy nach fast einmonatiger Pause einen massiven Überfall mit zwei Dutzend Projektilen aller Art. Der mit dem religiösen Kalender der Huthis koordinierte Angriff wurde vom Rebellenführer Abdul-Malik al-Houthi als "fünfte Phase der Unterstützung von Hamas und Hizbollah“ angekündigt. Der intensivste Beschuss seit der Verschärfung der Krise im Roten Meer galt den drei Arleigh Burke-Zerstörern der ABRAHAM LINCOLN-Carrier Group. Im Gebiet standen die Zerstörer DDG 106 STOCKDALE, DDG 111 SPRUANCE (beide Flight IIA) und DDG 77 O'KANE (Flight II), die keine Treffer oder Verletzte zu verzeichnen hatten.

Danach gab es erst Mitte November wieder einen heftigen Beschuss derselben Einheiten mit gleichem Ergebnis. Registriert wurden dabei drei Marsch-FK, fünf ballistische FK und acht Kampfdrohnen. Vorausgegangen war ein präemptiver US-Angriff gegen Waffenlager im Jemen, wo sich wohl wieder etwas angesammelt hatte.

Dazwischen waren lediglich drei vereinzelte Angriffe auf zivile Frachter zu verzeichnen, teilweise mit Treffern, aber ohne gravierende Auswirkungen.

Resümee

Ein Jahr eskalierende Bedrohung im Roten Meer – dauerhaft und insgesamt hoch gefährlich, jedoch kaum richtig dingfest zu machen – manchmal taktisch clever, aber nicht immer koordiniert. Den Milizen ist alles recht, was gegen die regelbasierte Ordnung wirkt und Gewinne verspricht. Low cost – high efficiency. Ob auf weitere Sicht eine Waffenruhe im Nahen Osten wirkliche Entspannung verspricht und das Rote Meer wieder unbehelligt befahren werden kann, bleibt vorerst dahingestellt. Das Beispiel könnte Schule machen – bei den Huthis dieser Welt.

Bei aktuell unverminderter Gefahrenlage wird die Bundesregierung noch vor der Neuwahl am 23. Februar 2025 das Mandat der Deutschen Marine für ihre Beteiligung an der EUNAVFOR „Aspides“ bis 25. Oktober 2025 verlängern. Ein diffuses Bedrohungsszenario am "Tor der Tränen", in das man sich nur begeben sollte, wenn man bestens dafür gerüstet ist. Aber auch eine sehr gute Ausrüstung gewährt keine Garantie. Hoffen wir das Beste für 2025.

Axel Stephenson

Soweit der Stand zum Ende November 2024 – hier der Nachtrag von heute, Mitte Januar 2025

Finanzhintergrund

Mitte Januar, noch vor dem Präsidentenwechsel in den USA, hat das Office of Foreign Assets Control (OFAC, Büro für Auslandsfinanzen) des US Finanzministeriums die "Yemen Kuwait Bank for Trade and Investment Y.S.C." mit Sanktionen belegt, weil sie als eines der wichtigsten Finanzinstrumente für die Huthi-Milizen fungiert. Wie bei vorangegangenen Sanktionen sollen Handelsverbote für US-Bürger und das Einfrieren von Vermögenswerten die Finanznetzwerke empfindlich stören, die den Milizen ihre Angriffe auf den Schiffsverkehr, auf die sie schützenden Marinekräfte und auf den Staat Israel ermöglichen. Diese Bank sei das Bindeglied zum internationalen Finanzmarkt – sie betreibe Geldwäsche und verschiebe die Erlöse iranischer Ölverkäufe zu den Huthis sowie zu Hamas und Hisbollah.

Friendly Fire

Ein für die Deutsche Marine nicht ganz uninteressanter Zwischenfall soll nicht verschwiegen werden, der sich am 22. Dezember 2024 kurz nach Eintreffen der neuen Trägergruppe im Roten Meer während eines Einsatzes der Kampfjets über Land bei zeitgleichem Raketen- und Drohnen-Beschuss der Trägergruppe von Land aus ereignet hatte: Der zur Gruppe gehörende Kreuzer USS GETTYSBURG bekämpfte einen zur USS HARRY S. TRUMAN zurückkehrenden F/A-18-Tanker kurz vor der Landung und eine weitere zehn Meilen dahinter zum Landeanflug sich einreihende F/A-18. Letztere wurde von der Rakete um 30 Meter verfehlt, der Tanker wurde getroffen – drei Sekunden nachdem sich die Besatzung hatte herausschleudern können. Beide Piloten wurden nahezu unverletzt geborgen. Der Fall wird natürlich untersucht, aber es zeigt, dass in diesem Szenario Entscheidungen in Sekunden zu fallen haben – und nicht immer die richtigen sein müssen!

Kurzer Blick ins Getriebe

Vizeadmiral Brendan McLane, Kommandeur der Naval Surface Forces, hat Mitte Januar 2025 im Rahmen des National Symposium 2025 der Surface Navy Association zum Thema „Red Sea – Lessons Learned“ unerwartet einen detaillierteren Einblick in den amerikanischen Munitionsverbrauch gegeben. 

Danach seien seit Oktober 2023 über 400 ballistische Raketen, Flugkörper oder Drohnen der Huthi-Milizen durch Schiffe, Flugzeuge und U-Boote der US-Navy bekämpft worden. (Anmerkung: Das deckt sich mit den von der Redaktion ermittelten Angaben.)

Helo verfolgt Kampfdrohne der Huthi. Foto: Französischer Generalstab

Helo verfolgt Kampfdrohne der Huthi. Foto: Französischer Generalstab

Dabei wurden allein von den Schiffen etwa 120 Flugkörper SM-2, 80 Flugkörper SM-6 sowie zusammen 20 ESSM- und SM-3-FK eingesetzt. Unter anderem wurden auch 160 Schuss 127mm-Granaten verschossen. Nicht aufgeführt wurde der Munitionsverbrauch der Nahbereichs-Flugabwehrwaffen, die ebenfalls zur Abwehr eines Teils der 400 Flugziele, oder der Tomahawks, die gegen Landziele im Jemen eingesetzt wurden. (Anmerkung: Bei der Anzahl der abgewehrten Ziele erscheinen diese Angaben etwas „zurückhaltend“ zu sein. Es ist allerdings auch nicht die Munition berücksichtigt, die unter anderen auch verbündete „Aspides“-Einheiten bei der Bekämpfung einiger der oben genannten Flugziele eingesetzt hat.)

Bei Preisen von 2 Mio. USD für eine SM-2 und 4 Mio. USD für eine neuere SM-6 sowie von 10 bis nahezu 30 Mio. USD für eine sehr hoch reichende SM-3 kämen da während der letzten 15 Monate schon mal Summen von weit über 500 Mio. USD allein für die Flugkörper zusammen.

Da mache es schon Sinn, mit zunehmender „Einsatzroutine“ – sozusagen leicht abgebrüht – weniger hochwertige Waffen im Abwehrkampf gegen Billigdrohnen anzusetzen. Anerkannt wurde auch, dass einige Drohnen alternativ durch Kampfjets und Hubschrauber der Trägergruppen bekämpft werden konnten – die Kosten der Flugstunden sollte man allerdings auch nicht unterschätzen.

Was mehr Sorge bereite, seien allerdings das Nachführen der Munition, die ja zeitgleich auch im Ukraine-Krieg und durch Israel verbraucht werde, und das Aufmunitionieren der Startsilos an Bord unweit des jeweiligen Einsatzgebietes – oder eben auch neuerdings direkt in See. Dabei gehe es nicht so sehr um die aktuellen Konflikte, sondern um das mittelfristige Risiko einer Auseinandersetzung im Indo-Pazifik. Das Hochfahren der nationalen Waffenproduktion nach derartig ungewöhnlichen Verbräuchen sei deutlich zeitaufwändiger, als erwartet.

Ballistische Seezielrakete (ASBM) "Tankil". Foto: Huthi-Media

Ballistische Seezielrakete (ASBM) "Tankil". Foto: Huthi-Media

Wüstenpropaganda

Die Huthi-Milizen selbst wollen nach eigenen Angaben 1.255 ballistische, Marsch- und Hyperschallraketen sowie Kampfdrohnen und Überwasserdrohnen eingesetzt haben. (Anmerkung der Redaktion: Diese Ziffer erscheint etwas hoch gegriffen, aber zählt man sämtliche an Land zerstörte und über See verfeuerte Munition zusammen, dann gelangt man annähernd in den Bereich dieser Zahl.) Damit behaupten die Huthi, kurz vor Ende des Jahres 2024 erfolgreich die ABRAHAM LINCOLN-Trägergruppe aus dem Roten Meer vertrieben zu haben – die allerdings gegen Ende November nur eine ganz normale Ablösung aus dem Kampfgebiet vollzogen hatte um nur einen knappen Monat später durch die aktuelle HARRY S. TRUMAN-Trägergruppe ersetzt zu werden. 

Zur Erinnerung: Mitte Oktober 2023 fuhr die DWIGHT D. EISENHOWER-Trägergruppe (CVN-69) aus dem Mittelmeer in das Szenario ein, blieb dort acht Monate und verlegte Mitte Juni 2024 zurück nach Norfolk/USA. Eine Woche später kam von Süden die THEODORE ROOSEVELT-Trägergruppe (CVN-71) aus dem Indo-Pazifik in das Rote Meer, blieb dort drei Monate und kehrte Ende September 2024 zurück über den Pazifik Richtung San Diego/USA. Einen Monat überlappend befand sich bereits die ABRAHAM LINCOLN-Trägergruppe (CVN-72) im Gebiet, bevor sie Ende November nach ebenfalls drei Monaten den Heimweg nach San Diego antrat. Die HARRY S. TRUMAN-Trägergruppe (CVN-75) erreichte von Norden aus dem Mittelmeer kommend erst Mitte Dezember 2024 das Einsatzgebiet.

Genauso entschlossen und erfolgreich werde man jetzt auch diese Trägergruppe verjagen, sollte der Waffenstillstand zwischen Israel und der Hamas – nach Bewertung der Huthi-Milizen – nicht halten. Propaganda und Wirklichkeit liegen wie so häufig weit auseinander!

Huthis zünden Sprengladungen auf der SOUNION. Foto: Huthi-Medien

Huthis zünden Sprengladungen auf der SOUNION. Foto: Huthi-Medien

Ein letztes Aufbäumen

Zum Jahreswechsel hatte die frisch eingetroffene Trägergruppe zusammen mit der US Air Force einen heftigen Angriff unter anderem mit Tomahawks (US Landziel-Marschflugkörper) gegen Produktionsanlagen und Lagerstätten, aber auch eine Küstenradarstation und freistehende Raketenstarter der Huthi-Milizen geführt. Daraufhin kündigte die Führung der Huthi-Milizen für den 17. Januar 2025, also kurz vor dem Inkrafttreten des Waffenstillstandsabkommens in Gaza, einen weiteren Schlag gegen den amerikanischen Verband an – den siebten Großangriff seit vier Monaten. Zwei Tage später wurde lautstark die achte Welle angekündigt – beide Aktionen übrigens ohne Auswirkungen auf die US-Einheiten – bevor man am 22. Januar zwecks Unterstützung des tatsächlich zustande gekommenen Waffenstillstandes im Gaza-Streifen signalisierte, die Angriffe auf den Seeverkehr deutlich beschränken zu wollen.

Neueste Meldung (23. Januar 2025)

Damit im Einklang steht auch die Freilassung der 25-köpfigen Besatzung der festgehaltenen GALAXY LEADER aus den Philippinen, Mexiko, Rumänien, Bulgarien und der Ukraine, wie die BBC vermeldete. Sie konnte nach monatelangen Verhandlungen der IMO (International Maritime Organization) heute den omanischen Behörden übergeben werden.

Nachtrag vom 27. Januar 2025:

Das USNI (United Staes Navy Institute) beruft sich am 22. Januar 2025 auf Associated Press, wenn es berichtet, dass Hamas die Huthi-Milizen gebeten habe, die Besatzung der GALAXY LEADER frei zu lassen. An diesem Tag hatte nämlich der neue amerikanische Präsident neben zahlreichen anderen ein Dekret erlassen, das die Huthis fortan wieder als „foreign terrorist organization“ (FTO) klassifiziert, so wie Trump es schon während seiner ersten Präsidentschaft gehalten hatte. Das Außenministerium der USA (State Department) hatte die Huthis im Januar 2024 zurückgestuft als „specially designated global terrorist organization“ (SDTO, darunter Al-Quaida, Islamic State, Al-Shabaab, Hamas, Hisbollah, Boko Haram, etc.). Damit gilt für die Huthis erneut der amerikanische „Goldstandard“, wenn es um Sanktionen geht, also US-Einreiseverbot, Verbot jeglicher Unterstützung durch Dritte und Klagemöglichkeit für Opfer und Geschädigte. Damit einhergehend auch Unterbrechung jeglicher diplomatischer Kontakte z.B. für eine Lösung des innerjemenitischen Konflikts. 

Das „wohlwollende“ Narrativ der Huthis, die Freilassung erfolge auf Grund des Waffenstillstandes im Gaza, hat demnach durchaus andere Hintergründe: Möglicherweise wollten die Huthis dem präsidialen Dekret zuvorkommen, um es zu verhindern. Denn während es der Vorgängerregierung darauf ankam, die Huthis durch Angriffe auf Kommando-Stellungen, Waffenlager und Produktionsstätten lediglich „in Schach zu halten“, geht es der Trump-Administration nunmehr darum, die militärischen Fähigkeiten der Ansar Allah (offizielle Bezeichnung) grundsätzlich zu vernichten.

Das Jahr fängt besser an, als das vorherige aufgehört hat. Ob das so bleiben kann?

ajs

 

Krieg im Roten Meer: Eine Chronologie

7. Oktober 2023

Überfall der Hamas-Brigaden auf israelische Siedlungen und Veranstaltungen im Umfeld des Gaza-Streifens.

10. Oktober

Erklärung des Kriegszustandes durch Premier Netanjahu.

19. Oktober 2023

Aus dem von Huthi-Milizen kontrollierten Gebiet Jemens werden erste ballistische Raketen gegen Israel gefeuert. USS CARNEY (DDG 64)  konnte kurz nach Passage des Sueskanals Marschflugkörper und Drohnen auf ihrem Weg nach Norden erfolgreich bekämpfen.

27. Oktober 2023

Beginn der israelische Bodenoffensive im Gaza-Streifen.

19. November 2023

GALAXY LEADER, Autotransporter, wird von Huthi-Rebellen mit iranischer Hilfe nahe Al-Hudaida gekapert. Die spektakuläre, medial begleitete Entführung markiert den Beginn der Seekampagne.

25. November 2023

CENTRAL PARK, Chemikalientanker, wird im Golf von Aden von bewaffneten Personen geentert. USS MASON nimmt 5 somalische Piraten fest. Zwei ballistische Raketen verfehlen beide Schiffe.

14. Dezember 2023

MAERSK GIBRALTAR, nahe Bab al-Mandab, wird nur knapp von Rakete verfehlt. Maersk stellt seine Fahrten durch das Rote Meer vorübergehend ein. Andere Reedereien folgen, gravierende Störung der globalen Schifffahrt zeichnet sich ab.

18. Dezember 2023

Beginn der Operation "Prosperity Guardian" als multinationale Sicherheitsinitiative unter Führung der Task Force 153 (US CENTCOM, konzentriert sich auf Sicherheit und Freiheit der Schifffahrt im südlichen Roten Meer und im Golf von Aden). Eine Art „Autobahnpatrouille, die auf Handelsschiffe in der Region zugeht und bei Bedarf Schutz gewährt“ (Pentagon).

30. Dezember 2023

Mit Beginn "Prosperity Guardian" beschließt Maersk die Transits durch Rotes Meer wieder aufzunehmen. Als MAERSK HANGZHOU mit Raketen angegriffen und beinahe geentert wird, leitet Maersk seine Schiffe auf „absehbare Zeit“ um das Kap der Guten Hoffnung um. Zahlreiche Reedereien setzen ihre Fahrten durch die Region aus.

3. Januar 2024

Eine internationale Koalition verurteilt die Angriffe der Huthis und warnt vor schwerwiegenden Konsequenzen – die Warnung wird ignoriert.

9. Januar 2024

Huthis starten massives Sperrfeuer auf Schiffsverkehr im Roten Meer – Schiffe und Jets der Koalitionen fangen 18 Kampf-Drohnen und 3 Seeziel-FK ab. Erster größerer Angriff der Huthi.

11. Januar 2024

US-/UK-Streitkräfte führen erste Luftangriffe auf Waffenstellungen der Huthi im Jemen durch (Radarsysteme, Raketenlager, Abschussanlagen).

24. Januar 2024

Zwei unter US-Flagge fahrende Schiffe der Maersk Line mit Fracht der US-Regierung und unter Begleitschutz der US-Navy werden angegriffen. Maersk stellt alle Fahrten in der Region ein.

26. Januar 2024

MARLIN LUANDA, Tanker, wird im Golf von Aden von Huthi-Rakete getroffen und in Brand gesetzt, kann mit indischer Hilfe gelöscht werden – keine Verletzten.

18. Februar 2024

RUBYMAR, Massengutfrachter, wird von ballistischer ASM getroffen und sinkt nach zwei Wochen – erste Versenkung der Huthi-Milizen. Vor Anker treibende RUBYMAR beschädigt drei der sechs Unterwasser-Datenkabel im Roten Meer. Umweltgefahr für das Rote Meer durch 21.000 Tonnen Dünger.

19. Februar 2024

EU-Rat Auswärtige Angelegenheiten beschließt im Rahmen GASP den Beginn EUNAVFOR „Aspides“ um „die Freiheit der Schifffahrt im Roten Meer und im Golf von Aden“ wieder herzustellen und zu gewährleisten.

6. März 2024

TRUE CONFIDENCE, Massengutfrachter, wird nahe Aden von Rakete getroffen. Als erste zivile Opfer der Krise sterben 3 Seeleute.

12. Juni 2024

TUTOR, Massengutfrachter, wird am Heck von unbemanntem Kleinboot getroffen, dann zweiter Treffer aus der Luft. Schiff sinkt eine Woche später, ein Todesopfer. Erster erfolgreicher Einsatz einer Überwasserdrohne.

13. Juni 2024

VERBENA wird durch 2 Raketen getroffen, Brände bewirken erhebliche Schäden. Seemann mit schweren Verletzungen wird durch US-Hubschrauber evakuiert. Besatzung muss Schiff aufgeben und setzt Notruf ab. Die 8 Meilen entfernte iranische Fregatte JAMARAN reagiert nicht darauf.

21. August 2024

SOUNION, Tanker mit rund 1 Million Barrel Rohöl an Bord, wird im südlichen Roten Meer mehrfach angegriffen, anschließend zünden Huthi-Kämpfer Sprengstoffsätze – die Brände dauern über einen Monat. Ladekapazität der SOUNION lässt Umweltkatastrophe größer als die Ölpest der EXXON VALDEZ befürchten. Brennender Tanker wird unter Schutz der EU-Operation "Aspides" vor Eritrea in Sicherheit geschleppt. Expertenteam kann erst Anfang Oktober alle Brände löschen. Die willentlich herbeigeführte Gefahr einer Öl-Katastrophe ist abgewendet. 

27. September 2024

Nach vierwöchiger Pause massiver, koordinierter Beschuss von drei Zerstörern der TRUMAN Carrier Group durch mehr als 20 Projektile aller Art (Ballistische und Marsch-FK, one-way-attack-UAV) ohne Treffer oder Verletzte – intensivster Angriff seither. 

16. Oktober 2024

US CENTCOM führt Luftangriffe mit Langstrecken-Bombern auf fünf gehärtete unterirdische Raketen- und Munitionsbunker der Huthi im Jemen durch.

13. November 2024

Nach präventivem US-Angriff gegen Waffenlager im Jemen erneut komplexer Beschuss der US-Einheiten im Roten Meer durch mindestens 16 Projektile aller Art – mit gleichem Ergebnis wie 6 Wochen zuvor. 

Nicht aufgeführt sind hundert weitere Angriffe auf zivile Schiffe ohne direkte Treffer, oder mit Treffer und Beschädigung, die jedoch eine Weiterfahrt nicht oder nur zeitweilig behindert haben.

Auch nicht aufgeführt sind die zahllosen abgewehrten Einzelangriffe auf militärische Einheiten aller beteiligten Nationen, die detaillierter auf militarytimes.com eingesehen werden können.

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ajs

29. Jan. 2025 | 1 Kommentar

1 Kommentar

  1. Ich finde es erstaunlich bzw. verwunderlich, dass die westlichen Industriestaaten, allen voran die USA, die arabischen Anrainerstaaten des Roten Meeres, aber auch des persischen Golfs für den Schutz dieser Schifffartsroute nicht in die Pflicht nehmen. Jedenfalls hört und liest man nichts darüber.
    Schließlich lebt Ägypten zum großen Teil von den Sueskanal-Gebühren. Saudi-Arabien und die Emirate sind über ihre Häfen im Roten Meer (Saudi-Arabien) und im Golf (beide Länder, sowie Kuwait) für ihre Ölexporte von dieser Passage abhängig (wahrscheinlich sind sie frustriert von ihrem ergebnislosen Krieg gegen die Huthis vor einigen Jahren). Es würde mich interessieren, ob es zu diesem Komplex Erkenntnisse gibt, die nicht öffentlichkeitswirksam verbreitet werden.

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