Petersburger Parade Sommer 2022. Foto: Staatl. Medien Moskau

Petersburger Parade Sommer 2022. Foto: Staatl. Medien Moskau

Sankt Petersburg: Deutlich reduzierte Parade zum Tag der Marine

Die Fragen westlicher Beobachter zum überraschenden Verlassen der Ostseegewässer von drei Kriegsschiffen der Nordflotte vor dem Sankt Petersburger Tag der Marine und die Mutmaßungen im Zusammenhang mit einer Feststellung des US Institute for the Study of War (ISW) zur Bedrohung durch ukrainische Drohnen haben jetzt eine Antwort erhalten:

Wie die russische Tageszeitigung Nowyje Iswestija unter Berufung auf Informationen aus der Stadtverwaltung von Sankt Petersburg auf ihrem Online-Portal am Vormittag des 18. Juli 2024 mitteilte, wird die Hauptparade der Marine, die jährlich am "Tag der Seekriegsflotte" zu Ehren der Marine der Russischen Föderation in Sankt Petersburg stattfindet, in diesem Jahr am 28. Juli, mit deutlich kleinerem Aufgalopp ausfallen. Das Nachrichtenportal (newizv.ru) titelt sogar seine Meldung in der Rubrik "Nachrichten aus Russland und der Welt" mit der schlagenden Zeile: "Zum ersten Mal seit sieben Jahren wurde die Hauptparade der Marine in Kronstadt abgesagt!"

Nach Angaben der Nowyje Iswestija werde die Parade nicht auf der sonst üblichen Kronstadter Reede stattfinden. Stattdessen sollen wohl zwölf kleinere Einheiten in Paradeformation den Fluss Newa befahren. Andere Marineeinheiten, darunter auch U-Boote, sollen zentrumsnah an Festmachertonnen in der Newa und in Sankt Petersburg festmachen und für Besichtigungen zugänglich sein. Auch die Teilnahme fliegender Einheiten werde reduziert.

Algerisches Schulschiff "La Summam" einlaufend Kiel zum Zwischenstop auf dem Weg nach Sankt Petersburg. Foto: Michael Nitz

Algerisches Schulschiff "La Summam" einlaufend Kiel zum Zwischenstop auf dem Weg nach Sankt Petersburg. Foto: Michael Nitz

Von einer Beteiligung chinesischer Kriegsschiffe kurzfristig vor dem Ereignis werde weiterhin ausgegangen. Das algerische Schulschiff "La Summam" sei bisher als einzige ausländische Abordnung bestätigt. Außerdem soll der Kreml noch nicht über die Teilnahme des russischen Präsidenten Wladimir Putin entschieden haben. Demgegenüber sollen Verteidigungsminister Andrej Beloussow und der Oberbefehlshaber der Marine, Admiral Alexander Moisejew, an der Parade teilnehmen und sie gegebenenfalls auch abnehmen.

In Sankt Petersburg liefen bisher allerdings die Vorbereitungen für die Flottenparade wie gewohnt. Geänderte Brückenöffnungszeiten aufgrund von Probepassagen deuteten auf ‚business as usual‘ hin. Auf Fotostrecken können die Einheiten „Grad“ und „Naro Fominsk“ der Buyan M-Klasse, die „Sovetsk“ der Karakurt-Klasse, der Minensucher „Aleksandr Obukhov“ der Alexandrit-Klasse, Patrouillenboote (darunter die „Nakhimovets“ der Grachonok-Klasse), Landungsboote und andere kleine Einheiten ausgemacht werden. Außerdem befindet sich die Korvette "Boikiy" der Steregushchiy-Klasse im Aufgebot – ebenso die „Ivan Papanin“, das Typschiff einer neuen Baureihe bewaffneter Eisbrecher, derzeit zu Erprobungsfahrten in der Ostsee. Mit der „Kronstadt“ (B 868) wird ein im Januar 2024 in Dienst gestelltes konventionelles U-Boot der Lada-Klasse (Projekt 677) vorgeführt.

Das drastische "Eindampfen" der Sankt Petersburger Flottenparade könnte im Zusammenhang mit einer Feststellung des US-Institute for the Study of War (ISW) gesehen werden. In ihrer Lagebeurteilung vom 16. Juli zum Krieg Russlands in der Ukraine stellt die Washingtoner Denkfabrik fest: „Ukrainische Drohnenangriffe tief im Inneren Russlands setzen den russischen Luftverteidigungsschirm weiter unter Druck und zwingen die russische Militärführung dazu, die begrenzten Luftverteidigungsmittel vorrangig zur Deckung der ihrer Meinung nach hochwertigen Ziele einzusetzen.“ Nach einer Auswertung von Satellitenbildern vom 6. Mai konzentrieren sich sieben Flugabwehrsysteme mittlerer Reichweite um die in der Oblast Leningrad gelegene Residenz des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Allerdings verfüge das russische Militär nicht über die Anzahl der erforderlichen Flugabwehrsysteme, um alle kritischen Einrichtungen im Westen Russlands zu schützen. Das ließe auf Lücken in der weitflächigen Luftverteidigung schließen, so das ISW.

Entfernung Ust-Luga und St. Petersburg von Kiew. Karte: Google Maps

Entfernung Ust-Luga und St. Petersburg von Kiew. Karte: Google Maps

Hinzu komme, dass die Ukraine imstande zu sein scheint, erfolgreich gegen russische Luftverteidigungsstellungen vorzugehen. So soll kürzlich eine komplette S-300 Batterie im Oblast Donezk ausgeschaltet worden sein.

Ebenfalls zur Erinnerung: In die Schlagzeilen geriet im Januar 2024 der Brand eines Treibstoff-Terminals in Ust-Luga, etwa 100 Kilometer westlich von Sankt Petersburg – ursächlich durch einen ukrainischen Drohnenangriff. Wenn das zuträfe, dann wäre nicht nur Moskau, sondern sogar Sankt Petersburg durch ukrainische Drohnen erreichbar – 1000 Kilometer von Kiew entfernt – technisch durchaus machbar!

Vor diesem Hintergrund erklärt sich vielleicht eine späte Neubewertung der Sicherheitslage durch russische Dienste als Hintergrund für eine geänderte Durchführung der Parade zum Marinegeburtstag, die in der Vergangenheit stets im Beisein von Staatspräsident Wladimir Putin stattfand.

Hintergrund zum russischen Tag der Marine

Der Tag der Seekriegsflotte ist ein nationaler Feiertag in der Russischen Föderation, der traditionell am letzten Sonntag im Juli begangen wird und an dem die Seeleute der Marine der Russischen Föderation und ihrer Spezialeinheiten geehrt werden. 2024 wird er am 28. Juli begangen. Die zentralen Feierlichkeiten finden seit 2017 in Sankt Petersburg als zweistündige Flottenparade mit zahlreichen Schiffen und fliegenden Einheiten als Abordnungen der Ostsee-, Schwarzmeer-, Nord- und Pazifikflotte sowie der Kaspischen Flottille statt. Auch in anderen Flottenstützpunkten werden Veranstaltungen abgehalten. Neben dem Tag des Sieges am 9. Mai (Ende zweiter Weltkrieg 1945) gilt der Tag der Russischen Marine neben den Ehrentagen der anderen, weniger spektakulär aufwartenden Teilstreitkräfte, als zweithöchster militärischer Feiertag in Russland.

Historie

Die Kaiserlich Russische Marine wurde 1696 als Zusammenführung kleinerer regionaler Schiffsverbände zum Schutz des Zarenreichs gegründet. Peter I. der Große führte 1714 zu Ehren der siegreichen Seeschlacht von Gangut am 27. Juli den Tag der Flotte ein (finnische Halbinsel Hanko im Südwesten, Russland gegen Schweden im Großen Nordischen Krieg). Die Gestaltung dieses Tages variierte mit den Jahren und im 19. Jahrhundert hatte es sich eingebürgert, dass an diesem Tag die Schiffe ein Salutschießen durchführten und abends zum Flaggenschmuck auch Lichterketten gesetzt wurden. Nach der Oktoberrevolution musste hier natürlich eine Änderung vorgenommen werden, und 1920 wurde der auf den 18. Mai folgende Feiertag als "Tag der Roten Flotte" festgelegt. Später, 1939, bestimmten das Zentralkommittee der KPdSU und der Rat der Volkskommissare der UdSSR den 24. Juli als "Tag der Seekriegsflotte". Ende 1980 wurde durch das Präsidium des Obersten Sowjets der UdSSR als dem kollektiven Staatsoberhaupt der Sowjetunion dieser Tag auf den letzten Sonntag des Monats Juli (mit variablem Datum) festgeschrieben. Staatspräsident Putin ließ 2017 den Tag der Seekriegsflotte durch eine Wiederbelebung der früher praktizierten Flottenparade in Sankt Petersburg öffentlichkeitswirksam aufwerten.

4 Kommentare

  1. Die im MARINEFORUM veröffentlchten Aufsätze/ Berichte/ Kurzmeldungen zur Russischen Seekriegsflotte sind z.T. oberflächlich, mit sachlichen Fehlern und Wertungen verbunden.

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    • Sehr geehrter Herr Dr. Pfeiffer – wie schön, von Ihnen auf diesem Portal zu hören.
      Unsere Beiträge auf marineforum.online sind kurz gehalten, aber nicht oberflächlich.
      Sie sind natürlich wertend, weil das unser Antrieb ist.
      Sachliche Fehler sollen selbstverständlich vermieden werden, aber wenn sie passieren, dann sind wir für sachdienliche Hinweise dankbar und korrigieren uns, soweit möglich.
      Mit freundlichem Gruß
      Axel Stephenson
      Redaktion marineforum.online

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  2. Wie so oft in dieser Zeitung, nimmt man es, wenn es Russland betrifft, nicht so genau mit sachlichen Aussagen. Auch hier wurde wieder ein Textbaustein genommen, der vor einigen Jahren schon einmal veröffentlicht wurde. Die Flottenparade ist Teil der Feierlichkeiten am „Tag der Seekriegsflotte“ und nicht anders herum, wie in dem Artikel beschrieben. Der „Tag der Flotte“ wurde zu Ehren des Sieges der Schlacht bei Gangut (Hanko) 1714 eingeführt und durch Peter den Ersten auf den 27 Juli festgelegt. Die Durchführung des Tages (Paraden, Gebete…) änderte sich im Laufe der Zeit und Mitte des 19. Jahrhunderts hatte es sich eingebürgert, das die Schiffe an diesem Tag eine Festbeleuchtung bekamen und Salut geschossen wurde. Das änderte sich nach der Oktoberrevolution und erst 1920 wurde festgelegt, das der auf den 18. Mai folgende freie Tag als „Tag der Roten Flotte“ gefeiert wird. Mit einer Weisung vom 22.Juni 1939 wurde der 24. Juli als Tag der Seekriegsflotte bestimmt und am 01.10 1980 wurde festgelegt, das der „Tag der Seekriegsflotte“ am letzten Sonntag im Juli durchgeführt wird. Er wurde also nicht abgeschafft. Ob und wie die russische Seite diesen Tag durchführt, wer teilnimmt oder wer warum nicht teilnimmt, sind allein russische Entscheidungen. Im übrigen wurde sie nicht abgesagt, sondern wird nur im kleineren Umfang durchgeführt. Die Bewohner von Kronstadt sind darüber nicht unbedingt traurig.

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    • Sehr geehrter Herr Neidel – danke für Ihre Hinweise.
      Nach weiterer eigener Recherche habe ich unter Einbindung Ihrer Angaben eine Richtigstellung im Text vorgenommen.
      Mit besten Grüßen
      Axel Stephenson
      Redaktion marineforum.online

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