marineforum Leserbrief zum Thema Wehrverwaltung

Standpunkte: Die Bundeswehr hält sich an Recht und Gesetz!

23. Jun 2021 | Magazin, Streitkräfte | 0 Kommentare

Ein Leserbrief zum Thema Wehrverwaltung

Die von Dieter Stockfisch in seinem Artikel „Einsatzfähigkeit verbessern!“ (marineforum 3-2021) angesprochene Bürokratisierung in Wehrverwaltung und Truppe ist unbestreitbar. Daher sind Ansätze, die bestehenden Prozesse im Beschaffungswesen und der Nutzung von Wehrmaterial auf ihre Sinnhaftigkeit und Effizienz hin zu untersuchen, grundsätzlich zu begrüßen. Im Artikel werden jedoch einige Aussagen getätigt, die sachlich falsch sind und teilweise von einem fragwürdigen Verfassungs- und Rechtverständnis zeugen, weshalb wir die Gelegenheit zu einigen Klarstellungen nutzen möchten:

Die gängigen internationalen Regeln und Konventionen zur Seefahrt (z.B. Solas, Marpol) gelten nicht für Kriegsschiffe. Das deutsche Schiffssicherheitsgesetz nimmt Schiffe der Bundeswehr von seinem Geltungsbereich ebenfalls explizit aus. Der angesprochene „Wille des Gesetzgebers“ liegt aber nicht darin begründet, dass man hier einen rechtsfreien Raum schaffen wollte. Im Gegenteil: In klarer Abgrenzung zu deutschen Armeen der Vergangenheit hält sich die Parlamentsarmee Bundeswehr an Recht und Gesetz! Dies betrifft nicht nur völker- und verfassungsrechtliche Grundsätze, sondern auch Aspekte des Arbeitsschutzes ihrer Beschäftigten (gleichgültig ob in Zivil oder in Uniform), der Verkehrssicherheit ihrer Fahrzeuge sowie des Schutzes unserer Umwelt vor vermeidbaren Gefährdungen und Schäden.

Das Seeaufgabengesetz, welches dem Bund die Verantwortung zur „[…] Abwehr von Gefahren für Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs […] und schädlicher Umwelteinwirkungen […]“ zuweist, gilt daher auch für Schiffe der Bundeswehr. Es nimmt sie nur von der Gültigkeit von Vorschriften des Verkehrsministeriums aus – im Umkehrschluss müssen bundeswehrinterne Regelungen zur Umsetzung der Schutzziele des Gesetzes vom BMVg getroffen werden.

Dies erfolgte in der noch heute gültigen Form durch einen Erlass von Staatssekretär Dr. Peter Wichert aus dem Jahr 2006, der später in eine vom BMVg (und nicht von seinen nachgeordneten Ämtern!) erlassene Zentrale Dienstvorschrift „Schiffssicherheit auf Wasserfahrzeugen der Bundeswehr“ umgewandelt wurde. Die Systematik ist hierbei einfach zu erklären:

  1. Gesetze, die die Bundeswehr formal ausnehmen (siehe oben), sind soweit wie möglich umzusetzen, sofern „besondere Belange“ des Militärs dem nicht entgegenstehen.
    Selbstverständlich unterscheidet sich das Rettungsmittel- und Evakuierungskonzept eines Kreuzfahrers mit 3000 Passagieren im Rentenalter von dem einer Fregatte mit 200 trainierten Soldatinnen und Soldaten an Bord. Aber das Schutzziel – Leben retten – ist das gleiche!
  2. Gesetze, die die Bundeswehr nicht ausnehmen, sind unmittelbar anzuwenden. Dies gilt z.B. für das Arbeitsschutzgesetz und seine nachgelagerten Rechtverordnungen. Der im Artikel erwähnte Bordkran mit abgelaufener Überwachungsfrist ist beispielsweise eine prüfpflichtige Anlage gemäß Betriebssicherheitsverordnung. Hier gilt wie beim Privat-Pkw: Wenn der TÜV abgelaufen ist, ist ein rechtskonformer Betrieb nicht mehr möglich. Dies dient dem Schutz von Leben und Gesundheit der Soldatinnen und Soldaten an Bord, deren Arbeitsumgebung – meiner Auffassung nach zurecht – denselben Sicherheitsstandards unterliegt, wie die der Besatzungen auf zivilen Kauffahrteischiffen.

Ein kurzer Hinweis noch bezüglich des am Ende des Artikels geäußerten Wunschs des Autors, zukünftig möge neben der Verantwortung für den Betrieb auch die für Bau und Ausrüstung der Schiffe an die Marine zurück-(?) gegeben werden: Die Verantwortung für die „[…] Deckung des Sachbedarfs der Streitkräfte“ liegt bei der Wehrverwaltung. Dies hat nichts mit den Reformen der letzten Jahre und der Regelungswut eines (Zitat) „verfahrensorientierten“ Beschaffungsamtes zu tun, sondern gilt seit Gründung der Bundeswehr und ist in Artikel 87b des Grundgesetzes nachzulesen.

Grundsätzlich bleibt festzustellen, dass das Zusammenwirken zwischen militärischen und zivilen Dienststellen der Bundeswehr häufig unter Zeitdruck und in Einzelfällen auch vor dem Hintergrund von in Detailfragen konkurrierenden Interessenlagen erfolgt. Dies ist für eine Großorganisation mit über 260 000 Angehörigen völlig normal. Trotz der erheblichen Belastung der Truppe durch verschiedenste Aufgaben im In- und Ausland sowie eines nach wie vor massiven Mangels an Personal in der Wehrverwaltung ist ihre Zusammenarbeit jedoch größtenteils von gegenseitigem Respekt für die Aufgaben des Anderen geprägt sowie dem gemeinsamen Ziel, den verfassungsmäßigen Auftrag unserer Streitkräfte mit den vorhandenen Mitteln und Ressourcen bestmöglich zu erfüllen. Das Eingangs-Statement des Autors, die Ämter der Wehrverwaltung schwächten mit ihrem Handeln die Einsatzbereitschaft der Marine, ist daher nicht nur reißerisch und ehrenrührig: Es ist einfach falsch.

Andreas Groh, Lutz Mouton und Oliver Müller

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