Aus der Filterblase - Teil 2: #wirgegenextremismus

Es ist zwar erst eine Woche her, aber es scheint, als hätte sich in der sicherheitspolitischen Kommunikation ein Paradigmenwechsel vollzogen:

Große Themen, also solche, über die jedermann sprechen sollte, wurden in der Vergangenheit stets vom Bundesministerium der Verteidigung vorgegeben. Dies zeigte sich zuletzt vor allem an den Aktionen der Arbeitgebermarke.
Seit vergangenem Dienstag läuft nun eine Kampagne, die von Soldat:innen in deren Rolle als Privatpersonen initiiert wurde: Unter dem Schlagwort #wirgegenextremismus haben Aktivist:innen der sogenannten #socialmediadivision politisch Stellung bezogen. Unterstützt von Bildern und Videos, welche die Protagonisten plus einer stetig wachsenden Zahl an Anhänger:innen in ikonischer Weise zeigen, verbreitet sich die unmissverständliche Botschaft wie ein Lauffeuer in den sozialen Netzwerken. Dabei wird speziell auf Instagram der Ton angegeben, welcher dann über Twitter und Linkedin fortgetragen wird.
Ungeachtet mancher Kritik über die Aufmachung und Hintergründe der Kampagne: Sie hat insofern Erfolg, weil sehr viele Menschen darüber sprechen. Nachdem die Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer ihre Zustimmung twitterte, folgte auf gleichem Wege prompt ein offizielles Statement ihrer Behörde, welches sich ebenfalls positiv liest.
In Fachkreisen stellt sich jetzt die Frage, ob die Kampagne lediglich eine gelungene Einzelaktion ist oder gar den Beginn einer neuen Form des sicherheitspolitischen „agenda setting“ markiert - und zwar nach dem „bottom up“-Prinzip. Damit ist die Überlegung gemeint, inwieweit Behörden noch die alleinige Hoheit haben, öffentlichkeitswirksame Themen des eigenen Ressorts zu platzieren. Die #socialmediadivision zeigt, wozu ein (Mitarbeiter-)Netzwerk in der Lage ist, das nach anderen Regeln funktioniert als institutionelle Organisationen wie Gewerkschaften oder Arbeitsgemeinschaften.

Was hat das nun mit dem Maritimen zu tun?

Zum einen beteiligen sich sowohl an der #socialmediadivision als auch deren Kampagne #wirgegenextremismus viele Marinesoldat:innen aller Dienstgrade. Es ist also keineswegs so, als würde das Netzwerk nur von einer bestimmten Laufbahngruppe getragen werden. Überdies schafft die Aktion eine gemeinsame Bundeswehridentität, ohne die Teilstreitkräfte in einem grünen Polygonmeer verschwinden zu lassen. Das heißt: All jene Kamerad:innen, die sich in Marine-typischer Uniform beteiligt haben, setzten somit auch ein Zeichen, wie divers die Truppe ist.
Zum anderen sollte die Kampagne maritimen Organisationen ein Lehrstück sein, welche (Außen-)Macht die eigenen Mitarbeiter:innen haben. Die Frage ist daher nicht mehr unbedingt, welche Themen politisch wichtig sind, sondern welche die eigenen Mitarbeiter bewegt. Natürlich bedarf es sicherer Seewege - aber was bedeutet das für das einzelne Crew-Mitglied oder den Hafenarbeiter? Und was verbindet sie miteinander?
Egal, was man von Sozialen Medien im Allgemeinen und der #socialmediadivision im Besonderen halten mag: Was dort geschieht, ist längst kein Echoraum mehr, sondern hat eine neue Phase der sicherheitspolitischen Kommunikation eingeleitet.

Text: Autorenteam NIT, Foto: Kampagne

3 Kommentare

  1. Aus professioneller Sicht eine Katastrophe was da passiert. Menschen in Uniform zusammen mit dem Begriff „Extremismus“ in Verbindung zu bringen. Werbepsychologisch bleibt genau das Hängen: „maskiert, Uniform, Extremismus“. Ich mache mich mit dieser Äußerung nicht beliebt es ist jedoch Marketing Basiswissen und der Grund weshalb Zahnpasta nicht mit kaputten Zähnen oder Waschmittel mit dreckiger Wäsche beworben wird. Darum ein Verbesserungsvorschlag: runter mit den Masken, weg mit dem Begriff „Extremismus“ in Verbindung mit der Uniform. Zeigt freundliche Menschen, die sich für andere Einsetzen und kommuniziert positiv! Wie es geht zeigt die Polizei:
    https://www.polizei-beratung.de/themen-und-tipps/extremismus/rechtsextremismus/praevention/

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    • Was Sie schreiben, ist nach traditionellem Verständnis richtig. Die Kampagne zeichnet sich aber gerade dadurch aus, die Vorzeichen umzudrehen. So können die Bilder auch als „Wand“ verstanden werden, frei nach den Motti: „Wir lassen euch nicht in unsere Bundeswehr!“ oder „Legt euch nicht mit uns an!“ Die speziell auf Instagram erzielte hohe Reichweite gibt den Machern dahingehend recht, dass klassische Marketing-Logik in dieser Sphäre eine eher untergeordnete Rolle spielt. Entscheidend scheint vielmehr, auf ein großes und/oder aktives Netzwerk zurückgreifen zu können.

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  2. Es steht unumstößlich fest, dass sich Soldaten in der Wahrnehmung ihrer Berufes aber auch privat gegen jegliche Form von Extremismus zu stellen haben! Die privat initiierte Kampagne erachte ich in der Form als bemerkenswert, weil man darüber redet. Aber dieses Reden ist nicht auf das Thema Extremismus bezogen. Bei näherer Betrachtung wirkt es wie „Breite vor Tiefe“. Nach knapp zwei Wochen dieser Kampagne, sind u.a. Bilder mit Masken diverser Protagonisten erschienen und Layouts in Anlehnung an eine US- Zeichentrickserie veröffentlicht worden. Darüberhinaus wurde lediglich auf die Hotline des BMI verwiesen. Es erweckt den Eindruck, als würde der Ressortleitung intern eine Kampagne übergeholzt werden, gegen deren Inhalt sie schwerlich und nachvollziehbar keine Argumente vorbringen und die sie nicht mehr einfangen kann. In Ergänzung dessen, fungieren zwei junge Offiziere mit vorhandenem Potenzial zur Präsentation ihrer selbst, nebst genügender „Follower“ und somit Reichweite als Sprachrohr.
    Es wäre vielleicht besser gewesen, diese Kampagne tatsächlich extern begleitet durchzuführen. Eine Beteiligung durch Fachexpertise (BAMAD), begleitenden Flyern/ Aushängen in den Dienststellen im Geschäftsbereich BMVg, Sensibilisierung der Führungskräfte etc.. Dies wäre mEn zielführender und nachhaltiger gewesen.
    Mein Fazit: Löbliche Absicht, im Ergebnis jedoch ein medialer Blitzknalller!

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