Eine einflussreiche Gruppe um ehemalige militärische und politische Führungskräfte hat den US-Senat aufgefordert, das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (UNCLOS) zu ratifizieren. Nur dann könne das Land seinen Anspruch auf Gebiete in internationalen Gewässern geltend machen, in denen zukünftig wichtige Mineralien wie Kupfer, Nickel, Kobalt, Mangan und seltene Erden abgebaut werden.
Diese gelten in den USA als entscheidend für die grüne Energiewende, für militärische Anwendungen und um im Wettbewerb mit China bei globalen Lieferketten für kritische Mineralien nicht ins Hintertreffen zu geraten. Eine Ratifizierung werde deshalb für unerlässlich gehalten, auch um bei Seerechtsstreitigkeiten glaubwürdig zu sein und auf Augenhöhe verhandeln zu können.
Der Brief an zwei Senatoren - jeweils einem Demokraten (D) und einem Republikaner (R) - hat über 330 Erstunterzeichner, darunter die ehemalige Außenministerin Hillary Clinton (D) und der ehemalige stellvertretende Außenminister John Negroponte (R), Admiral Dennis Blair, ehemaliger Direktor des Nationalen Nachrichtendienstes sowie Admiral Jonathan Greenert, ehemaliger Befehlshaber der US-Navy.
Hintergrund dieses Briefes ist die Befürchtung, dass die USA für die von ihr angemeldeten vier Gebiete für Tiefseebergbau, die jeweils strategische Mineralien im Wert von über 920 Milliarden Euro enthalten sollen, keine Lizenzen zum Abbau erhält, während die Russische Föderation drei Standorte und China sogar fünf Standorte beantragt hat und ein Monopol für das Raffinieren dieser strategischen Mineralien anstrebe, heißt es in dem Schreiben.
Das 1994 in Kraft getretene Seerechtsübereinkommen (SRÜ / UNCLOS) ist ein internationales Abkommen des Seevölkerrechts, das den rechtlichen Rahmen für die meisten maritimen Aktivitäten festlegt. Die USA erkennen den Vertrag zwar an, haben ihn aber bisher nicht ratifiziert, ebenso wie beispielsweise der Iran und Peru, die Grenzstreitigkeiten mit ihren jeweiligen Nachbarländern haben. Auch Syrien und die Türkei haben das Abkommen nicht ratifiziert. Für alle Staaten, die nicht ratifiziert haben, stehen nationale Interessen weit über dem Gemeinwohl.
In Bezug auf den Tiefseebergbau bedeutet dies, dass die USA kein stimmberechtigtes Mitglied der Internationalen Meeresbodenbehörde ISA ist, dem Leitungsgremium, das die Bodenschätze der Tiefsee als „gemeinsames Erbe der Menschheit“ verwaltet. Damit haben die USA auch kein Mitspracherecht bei Gesetzesvorlagen und können auch keine Nutzungsvorverträge zum Abbau der Bodenschätze in internationalen Gewässern erhalten. Gerade jetzt beraten die ISA und ihre Mitglieder die letzten Teile des Bergbaugesetzbuchs, mit dem der Meeresbodenbergbau geregelt werden soll.
Der Tiefseebergbau ist nach wie vor umstritten, nicht nur in den USA. Während seine Befürworter argumentieren, dass der Abbau von Mineralien am Meeresboden die mit dem Bergbau an Land verbundenen ökologischen und sozialen Schäden vermeide, sagen seine Kritiker, dass damit eine vom Menschen weitgehend unberührte Umwelt geschädigt bzw. zerstört werde.
In den USA hat die politische Unterstützung für den Tiefseebergbau zugenommen. Der Präsident und die Regierung sind bereit, das Abkommen zu ratifizieren. Allerdings muss auch der Senat zustimmen, in dem es derzeit keine Mehrheit dafür gibt. Zahlreiche Politiker aus den Reihen der Republikaner wettern gegen die Lizenzgebühren, die dabei an Entwicklungsländer zu zahlen wären. Dieses neuartige Prinzip, Wohlstand umzuverteilen, sei ein Fass ohne Boden und eine ernste Gefahr für US-Unternehmen.
Da die USA ihre Ansprüche über die Erweiterung des Festlandsockels nur über das SRÜ und die Kommission zur Begrenzung des Festlandsockels geltend machen können, gibt es für die USA auf Dauer keine Rechtssicherheit. Insbesondere wenn andere Staaten exzessive Ansprüche zur Ausdehnung ihres Einflussbereichs über die AWZ hinaus stellen, wie etwa für die Arktis, fehlen den USA die rechtlichen Mittel, um dagegen vorzugehen.
Zwei Abgeordnete der republikanischen Partei brachten deshalb eine Gesetzesvorlage in den Kongress ein, die auf eine steuerliche und politische Unterstützung des Tiefseebergbaus drängt. Dieses Beispiel zeigt, dass bisherige Ansichten und Einsichten zu bestimmten internationalen Verträgen bei wirtschaftlicher Betrachtung und im Wettbewerb mit China selbst konservative Politiker in Bewegung bringt. Ob bzw. wann der Senat eine veritable Mehrheit für die Ratifizierung erreicht, bleibt ungewiss; die ernsthafte Diskussion in den USA hat erst begonnen.
Quelle: The Wall Street Journal
Von den rd. 200 Staaten der Welt haben 169, nicht jedoch die USA, das Seerechtsübereinkommen der UN (seit 1994 in Kraft) ratifiziert. Die Enthaltung der USA ist ein deutlicher Beweis für den „Rückzug“ aus internationaler Verantwortung. Nun mahnen verantwortungsbewusste US Politiker, Militärs und Wirtschaftsvertreter den Beitritt an, weil sie den Verlust des Zugangs zu marinen Rohstoffen befürchten, die für die neuen „grünen Industrien“ erforderlich sind.
Dieser Mahnruf gilt natürlich auch für Deutschland und die gesamte EU. Deutschland, der Bundeswirtschaftsminister, hat bekanntlich zwei Lizenzen zum Tiefseebergbau bei der Internationalen Meeresbodenbehörde der UN erworben (je eine im Pazifik und im Indischen Ozean) und erstaunlich große Rohstoffreserven erkundet. Die deutsche Industrie, namentlich der Auto- und Maschinenbau aber auch die Rüstung, sind bisher ganz überwiegend auf den Import von Metallen aus China angewiesen, wo die Verhüttung kritischer Metalle und Seltener Erden monopolisiert wird. Da ist es ratsam, sich zur Diversifizierung der Lieferketten auch auf den künftigen Tiefseebergbau zu besinnen. Die deutschen Interessen sind dreifach: Rohstoffsicherung, neue Technologien entwickeln, hohe Umweltstandards durchsetzen! Leider gibt es in der Berliner Regierung nur engagierte Unterstützung für die Umweltaspekte. Diese einäugige Sicht hilft nicht weiter. Die vielen Offshore-Windparks und die florierende Offshore Öl-, Gas- und LNG-Produktion zeigen, dass industrielle Meeresnutzungen umweltverträglich durchgeführt und auch gesellschaftspolitisch toleriert werden. Wo sollen die Rohstoffe für die vielen neuen Elektroautos, Batterien, Windanlagen, Photovoltaik, Rechenzentren und Chips herkommen?
meint Uwe Jenisch, Kiel