Neubauskizze des argentinischen Polarschiffs. Foto: argentina.gob.ar

Neubauskizze des argentinischen Polarschiffs. Foto: argentina.gob.ar

Argentinien und der Marine-Schiffbau

Eisbrecher in Argentinien – Almirante Irizar

Die Hauptlast der zur Zeit saisonal möglichen Fahrten zur Versorgung der dreizehn antarktischen Stationen in dem kleinen, aber langgestreckten Sektor Argentiniens trägt der bald 45 Jahre alte Versorgungs-Eisbrecher ALMIRANTE IRIZAR. Zwar hatte ein Feuer in der Generatorenanlage das bei Wärtsilä in Finnland gebaute 15.000 Tonnen-Schiff für zehn Jahre außer Betrieb gesetzt, aber auch davor schon hatte es eine bewegte Geschichte: Truppentransporter und Hospitalschiff im Falklandkrieg, 2002 dann der vergebliche Versuch zur Befreiung der "Magdalene Oldendorff" aus dem Packeis der Antarktis - und 2007 das Feuer an Bord. Nachdem die 295 Personen Besatzung und antarktische Forschungsgäste in die 10 Rettungsboote gegangen waren und von passierenden Schiffen und der argentinischen Marine aufgesammelt wurden, blieb der Kapitän als einziger an Bord, bis zusätzliche Schiffssicherungskräfte der Marine das Feuer austreten konnten. Die nachfolgende zu sparsam konzipierte Reparatur auf der Tandanor Werft zog sich endlos in die Länge und wurde schließlich teurer als der Neukauf eines ähnlichen Schiffes – ein auch hier nicht ganz unbekanntes Phänomen des staatlichen Schiffbaus.

Erweiterter Aufgabenbereich

Die Arbeiten wurden schließlich doch ausgeführt und seit 2017 versorgt die ALMIRANTE IRIZAR während der Sommerzeit der Südhalbkugel regelmäßig die argentinische Gegenküste auf dem siebten Kontinent. Denn die Aktivitäten in diesem Teil der Welt haben rasant zugenommen und erfordern dringend eine sichtbare Präsenz auch in den 200 Meilen der ausschließlichen Wirtschaftszone. Während der langen Werftliegezeit waren an Bord zusätzliche Forschungskapazitäten eingerichtet worden, sodass dieses Schiff für Argentinien seitdem eine Vielzahl von Aufgaben wahrzunehmen in der Lage ist.

Neuer Mehrzweck-Eisbrecher geordert

Die Regierung in Buenos Aires hat sich nun zu einer Entscheidung über einen Neubau durchringen können: Tandanor (Talleres Navales Dársena Norte S.A.C.I.y N.) in Buenos Aires an der Mündung des Riachuelo gelegen, soll für die Armada Argentina in 2022/23 mit dem Bau eines Polarschiffes beginnen. Es soll in Lizenz nach den Plänen der für Eisbrecherbauten renommierten finnischen Aker Arctic Werft in Helsinki entstehen (häufige Veräußerungen und Aufkäufe in diesem Sektor verändern ständig die Bezeichnung der skandinavischen Werften!). Der Bau soll bereits in 2028 fertiggestellt sein. Er ist Teil der Absicht Argentiniens, seine maritimen Mittel einer Verjüngungskur zu unterziehen.

Neue Aufgaben für die MEKO-Korvetten

Tandanor ist übrigens auch die Werft, die gerade von der Marine beauftragt wurde, eine Umrüstung der sechs Korvetten der ESPORA-Klasse (Blohm + Voss, MEKO 140 A16, ab 1980 in Argentinien gebaut) im Bereich Seezielfähigkeit von 4x MM38 Exocet vorzunehmen auf zweifach RHIB samt Aussetzvorrichtung. Diese Seeziel-FK samt doppelläufiger Breda-40mm-Rohrwaffe stehen auf der Schanz – noch achterlich des Hubschrauber-Landedecks – da ist Platz für derzeit sinnvollere Ausrüstung im Rahmen der Patrouillen-Aufgaben. Hintergrund ist die fast ausschließliche Nutzung dieser Einheiten für die Überwachung der 200-Meilen-Wirtschaftszone, in der jährlich durch Raubfischerei dem Staat Ausfälle von zwei Mrd. Dollar entstehen. Beginnend mit den Einheiten PARKER und ROSALES soll der Rückbau entwickelt und dann innerhalb von zwei Jahren durchgeführt werden. Dabei geht es auch um die Erneuerung der weit über 30 Jahre alten Antriebsanlagen, die derzeit als die Schwachstellen nicht nur der Korvetten, sondern auch der vier MEKO 360 H2 Fregatten der ALMIRANTE BROWN-Klasse gelten.

Ankauf der GOWIND-Korvetten

Dass dieses Aufgabenprofil seit geraumer Zeit für Argentinien absolute Priorität hat, das zeigt auch der Ankauf der vier Korvetten der GOWIND-Klasse 2019 in Frankreich (ex-ADROIT der Marine Nationale). Sollten Sie sich allerdings seit der Kaufentscheidung vor drei Jahren immer mal wieder die Frage gestellt haben, warum in der Welt eine Nation wie Argentinien mit sechzehn Werften (davon zwei staatlich) sich diese „hässlichen Entlein“ in den Teich vor dem Haus setzt, dann geben Ihnen die kritischen Anmerkungen eines argentinischen Schiffbau-Ingenieurs außerhalb der Marine einen Einblick in nicht ganz unumstrittene Schritte der Rüstungsbeschaffung in dem südamerikanischen Land.

Piedrabuena - ex-Adroit - das zweite der vier Gowind-Klasse OPV für Argentinien. Foto: argentin.gob.ar

Piedrabuena - ex-Adroit - das zweite der vier Gowind-Klasse OPV für Argentinien. Foto: argentin.gob.ar

Warum nicht ein eigenes OPV bauen?

Er hatte im Vorfeld der Kaufentscheidung den Weltmarkt für OPV dieser Größe verglichen und im Gegensatz zur Marine festgestellt, dass die GOWIND-Klasse fast 60% teurer sei als das weltweite Angebot; dass das französische Modell mit geringster Ausstattung eine absolute Sparversion darstelle, – untermotorisiert, minimal bewaffnet und ohne jegliche Erfolgsgeschichte im Hintergrund. Kein anderes Land hatte bisher diese Eigenentwicklung der staatlichen Naval Group gekauft – selbst die Marine Nationale hatte dieses Modell nur widerwillig in ihren Bestand aufgenommen, als gesponsertes Verkaufsmodell! Für die sich abzeichnenden Konditionen hätte ein Land wie Argentinien – wie übrigens alle umliegenden südamerikanischen Staaten das natürlich nicht ohne gewisse Probleme, aber in nationaler Wertschöpfung tun – so ein Schiff deutlich vorteilhafter auf den Helgen legen können.

Cordero - viertes argentinisches OPV vor dem Stapellauf in Concarneau. Foto: Kership

Cordero - viertes argentinisches OPV vor dem Stapellauf in Concarneau. Foto: Kership

Die alternativlose Kaufentscheidung

Zu vielem Hin und Her in dieser Sache kam noch die Tragödie um das gesunkene U-Boot SAN JUAN und ließ das Thema OPV wohl in den Hintergrund des öffentlichen Interesses treten. Letztendlich muss die Entscheidung für einen externen Kauf kurz vor den Parlamentswahlen aufgrund des Votums einer Gruppe von führenden Marineoffizieren gefallen sein, die hochgradig an einer schnellen und problemfreien Lösung interessiert und in der Lage waren, ihre Kaufempfehlung als „alternativlos“ zu untermauern. Fait accompli - wie man so sagt, wo die Schiffe gebaut werden!

Noch Fragen?

Und falls Sie auch mal fragen sollten, wieviele der 2019 von Frankreich gelieferten fünf Super Etendards Marine-Jets bereits fliegen – die Antwort ist: keines!

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