Fregatte Hessen

Fregatte Hessen. Foto: Deutsche Marine/Brakensiek

Fregatte "Hessen", Rotes Meer und Golf von Aden – ein kurzer Blick zurück.

Die deutsche Fregatte "Hessen" befindet sich auf dem Heimweg nach Wilhelmshaven. Sie hat ihren Einsatz in der EU-geführten Operation ASPIDES zum Schutz der zivilen Schifffahrt in dem durch Drohnen- und Flugkörperbeschuss bedrohten Seegebiet Rotes Meer und Golf von Aden beendet, ohne ernsten Schaden zu nehmen. Bis zum erlösenden "Air Warning White" nach dem Passieren des Suez-Kanals nordwestwärts gehend, banal gesagt der Zurücknahme der ganzheitlichen Flugabwehr-Kampfbereitschaft der Fregatte, waren es – inklusive der Pausen zur Nachversorgung und Aufmunitionierung in Dschibuti – gute 56 Tage im Einsatzgebiet.

Fregatte Hessen im Verband mit der USS Gerald R. Ford (CVN 78). Foto: U.S. Navy/S.Connally

Fregatte Hessen im Verband mit der USS Gerald R. Ford (CVN 78). Foto: U.S. Navy/S.Connally

"Zuhause", hoch und trocken, wurden wir in der Redaktion mit Fragen zu Bedrohung, Waffeneinsatz und Munition überhäuft: Nun, wir sind zwar Fachleute, die auch wissen, wie Flugkörper eingesetzt werden, aber wir waren nicht dabei. Wir sind zwar Journalisten, aber auch Kameraden, die lieber mehr Verständnis für die Besatzung aufbringen, als für aufgeregten Sensationshunger. Da wird eben nicht alles erzählt, was man weiß. Und spekuliert schon gar nicht. Wir alle haben nicht das Recht, den Einsatz und die Leistung der Besatzung zu bewerten, das ist Sache der Zuständigen im Verteidigungsressort. Wir können nur unseren Respekt ausdrücken für das, was die Besatzung "Hessen" unter hohem Druck der Öffentlichkeit und der direkten, womöglich tödlichen Bedrohung geleistet hat.

Fregatte Hessen, Klasse 124, im Dezember 2023. Foto: Michael Nitz

Fregatte Hessen, Klasse 124. Foto: Michael Nitz

Es ist nicht alles rund gelaufen, das wissen wir. Kein Grund, deswegen in Häme zu verfallen. Und für die Frage, was das alles den Steuerzahler gekostet hat, und ob sich deutsche Reeder an den Kosten beteiligen sollten, haben wir – ehrlich gesagt – nur eine leicht genervte Gegenfrage: was kostet es den Steuerzahler, wenn wir uns Terrorismus gefallen lassen und gar nichts tun? Es geht nicht um volle Regale oder Lieferketten, es geht um freien Handel und Schutz menschlichen Lebens auf See.

Und dass dieser Einsatz die Grenzen der Verteidigungsfähigkeit Deutschlands – ja der ganzen Europäischen Union – aufgezeigt hat, ist hoffentlich angekommen. Es bedurfte wohl eines scharfen Einsatzes, um die Forderung nach einer Stärkung der Bundeswehr zu unterstreichen. Zum Glück kamen keine deutschen Einsatzkräfte zu Schaden.

Ein würdigendes Resümee kann und soll hier nicht gezogen werden, dazu braucht es noch eine Zeit der marineinternen Aufarbeitung und sicherheitspolitischen "Verdauung" dieses seit dem Zweiten Weltkrieg bisher erstmaligen Einsatzes auf See. Wird die bundesrepublikanische Bevölkerung in ihrem Querschnitt und in der heutigen Zeit überhaupt je ermessen können, was da geleistet worden ist? Abgesehen von den unmittelbar betroffenen Familien und Freunden der Besatzungsangehörigen und den Unterstützern in den Führungseinrichtungen, die den Verlauf ziemlich nah miterlebt haben! Wo sollte darauf hingewiesen werden, wenn nicht an dieser Stelle – und zu gegebener Zeit?

Rotes Meer – Golf von Aden: Auflistung aller Vorfälle, Foto: US-Navy

Zerstörer Arleigh Burke-Klasse startet SM-2. Foto: US-Navy

Berichterstattung Einsatzraum Rotes Meer und Golf von Aden

Was jedoch jetzt zulässig und durchaus erforderlich wäre, auch um einen Bewertungshintergrund aufzuzeigen, das ist eine aufsummierende Betrachtung des Einsatzraumes Rotes Meer und Golf von Aden während der letzten sechs Monate. Eine Rückschau auf die menschliche, technische und materielle Belastung der beteiligten Nationen, Marinen und Besatzungen in Form von ein paar wenigen Zahlen. Denn die Gesamtheit der persönlichen Belastungen, der logistisch-instandhalterischen Herausforderungen und der finanziellen Aufwendungen werden wir nur schwerlich erfassen oder überhaupt erfahren können.

Die US-Navy war von Anfang an beteiligt. Sie hat die Hauptlast getragen - mehr noch: sie hat geschätzt 90% der Kampfhandlungen geführt! Auch diese Einordnung müssen wir unbedingt im Kopf behalten, wenn wir uns in Europa bei glücklicher Rückkehr eigener Einheiten und trotz diverser "Fehlzündungen" vorsichtig erleichtert auf die Schultern schlagen! Auch wenn Großbritannien mit HMS Diamond und Kampfflugzeugen fix dabei war, so gilt auch hier: first in - first out. Ohne nun detailliert Schiffe und Verweildauern nennen zu wollen: Frankreich, Spanien und Italien waren ebenfalls schon früh mit einzelnen Einheiten im Seegebiet. Bis sich die Europäische Union zu einer gemeinsamen Operation durchringen konnte, was erfreulicherweise dann doch recht schnell erfolgte.

Operationszentrale USS Carney im Gefechtszustand. Foto: US-Navy

Operationszentrale USS Carney im Gefechtszustand. Foto: US-Navy

Und wie lange auch immer die kurzen europäischen Einsatzabstellungen dauern – die fünf rotierend sich ablösenden Arleigh Burke-Zerstörer der US-Navy sind dort durchgehend im Einsatz! Sie sind die tapferen "Arbeitspferde" der US-Navy. USS Laboon, Carney und Mason hatten jeweils Dutzende Direktangriffe abzuwehren.

Ein ständiger Begleiter des Geschehens im Einsatzgebiet ist das amerikanische Nachrichten-Portal "Military Times", registriert in Arlington, Virginia. Gestützt auf öffentliche Quellen und Mitteilungen des US-CENTCOM/Bahrain wurde täglich nachgehalten, was an gegnerischen Waffen aus dem Bestand der Huthi-Milizen von Stellungen im Jemen über See eingesetzt, abgewehrt oder an Land durch Luftschläge vernichtet wurde – und welches Schiff Schäden an Material, Ladung oder Personal erlitten hatte.

Zusammenfassung

Aus dem chronologischen Abriss von Oktober 2023 bis Mitte April 2024 (siehe Beitrag "Auflistung aller Vorfälle" vom 22.04.2024) ergibt die grob kalkulierte Zusammenzählung ein wirklich erschreckendes Bild, denn alle Zahlen sind Mindestangaben (vermutlich liegen die Zahlen 10 bis 20% höher):

Auf Seiten der Huthi-Milizen mindestens "verbraucht" wurden:

230 Kampfdrohnen, 265 Raketen, 11 Überwasser- und 3 Unterwasserdrohnen, 3 Flugabwehr-Stellungen, diverse Mengen Munition in z.T. unterirdischen Waffenlagern.

Über 270 Waffen sind von den Huthi-Milizen über See gegen Handels- und Kriegsschiffe eingesetzt worden. Eine etwa gleich hohe Zahl an Waffen konnte vor ihrem Einsatz durch US-Kräfte (US Air Force) auf jemenitischem Boden zerstört werden.

Im Detail:

Auf Handelsschiffe gefeuert wurden: 8 langsam fliegende Kampfdrohnen, 14 niedrig fliegende Marschflugkörper/Anti-Schiffs-Raketen, 34 hochfliegende ballistische Anti-Schiffs-Raketen. 32 Handelsschiffe sind direkt angegriffen und beschädigt worden – eines wurde versenkt. Erste Todesopfer an Bord Anfang März.

Auf Kriegsschiffe gefeuert wurden: 170 Kampfdrohnen, 30 Marschflugkörper, 12 ballistische Raketen, 3 Überwasserdrohnen, 1 Unterwasserdrohne. Mehr als 90 mal wurden Kriegsschiffe direkt angeflogen – bis zum 17. April 2024 ist noch keines zu Schaden gekommen.

Auf jemenitischem Boden zerstört wurden (seit 15.01.2024): 50 Kampfdrohnen, 170 Marschflugkörper, 2 ballistische Raketen, 8 Überwasserdrohnen, 2 Unterwasserdrohnen, 3 Flugabwehr-Raketenstellungen, 1 Bodenstation, 6 Waffenlager.

Bewertung

Feuer auf MV Marlin Luanda nach Raketentreffer. Foto: ALINDIEN/F.Feau

Feuer auf MV Marlin Luanda nach Raketentreffer. Foto: Alindien/F.Feau

Die Schadenswirkung der seitens Huthi-Milizen eingesetzten Waffen – außer bei Handelsschiffen – ist extrem gering. Der materielle und finanzielle Aufwand zur Abwehr ist allerdings enorm hoch, bedenkt man, dass auf jede anfliegende Waffe zur sicheren Abwehr bis zu 2 Flugkörper und weitere Waffen eingesetzt werden können. Gemäß dem Portal "The War Zone" hatten amerikanische Zerstörer bis Mitte Februar bereits über 100 Standard Missiles (SM-2, SM-6) eingesetzt – das Stück zu je 4 Millionen US-Dollar! Bis Mitte April geht die US-Navy von Kosten in Höhe einer Milliarde Dollar aus, die für eine Nachbeschaffung der verbrauchten Flugkörper investiert werden müssen. Diese Zahlen sind korrelierbar und daher durchaus plausibel.

Bei dem seit Anfang April beobachteten Rückgang der Angriffsintensität wird von einer einsetzenden Erschöpfung der Waffenvorräte bei den Huthi-Milizen ausgegangen. Hohe Bedeutung hat jetzt ein konsequentes Unterbinden des iranischen Nachschubs für die Milizen in den west-jemenitischen Gebieten.

Es handelt sich bei der Abwehr der Angriffe auf See um ein ausgesprochen kostspieliges Abnutzungs-Szenario zeitweise hoher Intensität. Abgesehen von einer Verhandlungslösung für die Gesamtregion Naher Osten wird der Schutz von Handelsschiffen durch Kriegsschiffe auf Dauer vermutlich nur durch ein paralleles und entschiedenes Bekämpfen der offensiven Waffen an Land erreicht werden können.

Solange die Nahost-Region nicht zur Ruhe kommen kann, wird uns dieses Thema begleiten.

ajs, hsc

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