Projektleiter Franek Kalms von EWD (l.) und Recyclingspezialist Sebastian Jeanvré am Trockendock von EWD in Emden, Foto: Phillipp Steiner

Projektleiter Franek Kalms von EWD (l.) und Recyclingspezialist Sebastian Jeanvré am Trockendock von EWD in Emden, Foto: Phillipp Steiner

Aus Schrott Geld machen

Steigende Umweltschutzauflagen könnten das Recycling von Schiffen auch in Deutschland wieder lukrativ machen. In Emden will die EWD von dieser Entwicklung profitieren.

Yachten, U-Boote, Forschungsschiffe, Kreuzfahrtriesen: Deutsche Werften fertigen verschiedenste und anspruchsvollste Schiffe. Zudem wird hier umgebaut, repariert und gewartet. Es fehlen aber Betriebe, die alte Schiffe zerlegen. Aktuell sei Schiffsrecycling hierzulande weitgehend „inexistent“, erklärt Reinhard Lüken vom Verband für Schiffbau und Meerestechnik. Eine Liste der Europäischen Union verzeichnet Betriebe, die bestimmte Schiffe mit EU-Flagge recyceln dürfen – darauf findet sich jedoch kein Eintrag aus Deutschland, aber beispielsweise aus Dänemark, den Niederlanden und der Türkei.

Im Trockendock der EWD sollen künftig alte Schiffe verschrottet werden, Foto: Phillipp Steiner
Im Trockendock der EWD sollen künftig alte Schiffe
verschrottet werden, Foto: Phillipp Steiner

Der Großteil der Tonnage weltweit wird weiter in Südasien verschrottet. Dabei spielten „Löhne und Entsorgungskosten eine große Rolle“, erklärt Karin Logemann, die im Niedersächsischen Landtag im Unterausschuss für Häfen und Schifffahrt wirkt. Sie sieht aber Zeichen für Veränderung: „Im Zuge eines weltweiten Umdenkens hin zu mehr Kreislaufwirtschaft und Recycling wandelt sich das Bild: Der Stahlschrott ist für die hiesige Industrie hochinteressant“, so die SPD-Politikerin aus der Wesermarsch. Zudem trete 2025 die Hongkong-Konvention in Kraft. Das internationale Übereinkommen schreibt ab Juni Standards für Umwelt- und Arbeitsschutz beim Abwracken von Schiffen vor. „Die Konvention wird dort, wo Schiffe bisher unter unwürdigen und gefährlichen Bedingungen abgewrackt wurden, die Preise in die Höhe schnellen lassen.“

Eine Verteuerung der Arbeit in Asien könnte die Position des Hochlohnlands Deutschland verbessern. Und das vor dem Hintergrund globaler Nachfrage nach Recyclingkapazitäten. Susanne Neumann vom Maritimen Cluster Norddeutschland urteilt: „In der Schifffahrt wird aufgrund neuer Emissionsziele in den kommenden Jahren ein historischer Höchststand an Recyclingaktivitäten erwartet.“ Die Welle könne sich aufgrund geopolitischer Bedingungen zwar verschieben, werde danach aber umso heftiger ausfallen. „Dementsprechend ist das Geschäftsumfeld für neue Recyclingwerften sehr positiv zu bewerten.“

In Emden steht ein Betrieb in den Startlöchern: die Emder Werft und Dock (EWD). Der Traditionsbetrieb, der inzwischen zur Bremerhavener Benli Gruppe gehört, ist auf Umbauten, Nachrüstungen, Reparaturen und kleinere Neubauten spezialisiert. Für das Schiffsrecycling hat er sich mit der Firma Relog des Recycling­spezialisten Sebastian Jeanvré zusammengetan. Relog bietet zum Beispiel den Rückbau von Stahlgebäuden und Fahrstühlen an. Die Umweltkanzlei Beratungs- und Prüfungsgesellschaft, deren Geschäftsführer Jeanvré ebenfalls ist, kümmert sich um die Genehmigungen.

Künftig will man in Emden Schiffe zerlegen, erklären Jeanvré sowie Werftchef Björn Sommer und Projektleiter Franek Kalms von EWD bei einem Ortstermin. Jeanvré skizziert den geplanten Ablauf: Das Schiff wird an der Pier von Schadstoffen entfrachtet und dann ins Trockendock verbracht. Arbeiter zerteilen es mit Schneidbrennern in rund 20 Tonnen schwere Elemente, die die Dockkräne gut heben können. Auf der Schwerlastfläche nebenan wird der Stahl weiter zerkleinert. Schuten bringen den Stahl anschließend über Wasserwege wie den Mittellandkanal zu Stahlwerken nach Salzgitter oder Bremen.

Schiffe können neben Stahl weitere wertvolle Rohstoffe wie Aluminium und Kupfer enthalten. Und problematische und gefährliche Substanzen wie Blei, Bilgenöl, Asbest und giftige Beschichtungen des Rumpfs. Dies können großen Aufwand bedeuten. Bei Asbestfunden zum Beispiel müsste das Schiff eingehaust und Unterdruck erzeugt werden, bevor dieser entfernt werden kann, erklärt Jeanvré. Die Entfrachtung der Schadstoffe bildet den „Kostenblock“, die Wertstoffe bringen eine „Gutschrift“, formuliert es der Fachmann. Vom Verhältnis hängt ab, ob der Kunde für das Abwracken zahlen muss oder für sein altes Schiff noch Geld bekommt.

Björn Sommer ist Chef der Emder Werft und Dock GmbH, Foto: Phillipp Steiner
Björn Sommer ist Chef der Emder Werft
und Dock GmbH, Foto: Phillipp Steiner

Der Werft kommt zugute, dass sie viele oder alle Arbeiten und Stoffe schon kennt, die beim Recycling anfallen würden, wie EWD-Chef Sommer schildert: „Gemacht haben wir so gesehen alles. Denn das normale Prozedere einer Schiffsreparatur ist ja auch, einen Schaden zu beheben, ein Schiff komplett zu zerlegen. Man handelt wirklich alle Stoffe und auch alle Schadstoffe, die in einem Schiff vorhanden sind.“

Auch beim Raum für das Recycling wollen sie das Vorhandene nutzen. Das Schrottschiff würde idealerweise im Trockendock zerlegt, während parallel an einem anderen Schiff gearbeitet wird. Das Recycling fände also an der Stelle im Dock statt, wo beim Ortstermin zwischen dem roten Wulstbug eines Containerfrachters und dem Dockende geschätzt 80 Meter in der Länge frei sind.

Demnach sollen in Emden keine Ozeanriesen zerlegt werden. Spannend für das Geschäft seien Küstenschiffe, Binnenschiffe, Feederschiffe, sagt Jeanvré. Ein wachsendes Segment seien Versorgungsschiffe für Windparks. „Wir können bis 240 Meter und 40 Meter Breite. Das Maximum würden wir aber nur in Sonderfällen ausnutzen.“ Es geht nicht nur um Schiffe im engeren Sinne, sondern auch um Schuten, Pontons und sogar Offshore-Windräder. Zuallererst nennt Jeanvré aber „staatliche Schiffe, Marineschiffe, Behördenschiffe – das können wir alles unter deutscher Flagge“. Dafür brauche es kein Notifizierungsverfahren.

Die Werft muss sich auch um Genehmigungen kümmern. Ein zentrales Regelwerk ist das Bundes-Immissionsschutzgesetz mit seinen Verordnungen. Bisher sei die Werft zugelassen für Neubau und Reparatur von Schiffskörpern, erläutert Jeanvré. Jetzt müsse das vollständige Recycling erlaubt werden. Darüber hinaus will sich die Werft als Entsorgungsfachbetrieb zertifizieren lassen, um mit den Stoffen aus dem Schiff weiter umgehen zu dürfen – damit bestenfalls wieder Bleche oder sogenannte Halbzeuge für den Schiffsbau hergestellt werden können. Auch nach der EU-Schiffsrecycling-Verordnung will sie sich zertifizieren lassen, die Standards für das Abwracken von Schiffen mit EU-Flagge ab 500 BRZ vorschreibt.

Für alle Fälle, so Jeanvré. Der lobt übrigens die Zusammenarbeit mit den Behörden und auch den Rückenwind aus der Politik. Wenn alles klappt, soll es in Emden im zweiten Quartal 2025 losgehen. Mehr als zehn Anfragen von Reedereien lägen schon vor.

Phillipp Steiner

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