Der Aufbau eines maritimen Führungsstabes schreitet voran. Deu Marfor ist auf einem gutem Weg zur Erreichung der vollen operationellen Einsatzfähigkeit.
Deu Marfor, der German Maritime Forces Staff, steht bereit. Am 23. Januar 2019 in Dienst gestellt, ist der Stab heute dazu befähigt, multinationale maritime Manöver und Operationen zu planen, zu unterstützen und zu führen. Das Ziel, mehr Verantwortung innerhalb der NATO zu übernehmen, resultierte aus der sicherheitspolitischen Lage nach der russischen Krim-Annexion im Jahr 2014. Die bis heute erreichten Zwischenziele und gesammelten Erfahrungen zeigen vor allem eines: Deu Marfor hat seine Planungs- und Führungsfähigkeit nachgewiesen.
Die Übung Northern Coasts 2019 (Noco 19) gab Deu Marfor schon bald nach Aufstellung die Möglichkeit, ein maritimes Großmanöver zu führen. Im Fokus standen die taktische Zusammenarbeit mit den Bündnispartnern sowie die Erprobung der bis dahin etablierten Grundstruktur. Im sogenannten Peacetime Establishment verfügt der Stab über etwa 90 Soldatinnen und Soldaten, wobei 25 Dienstposten für multinationale Austausch- und Verbindungsoffiziere vorgesehen sind. Als Commander Task Force führte der Deputy Commander Deu Marfor, Flottillenadmiral Stephan Haisch, mit seinem Stab drei unterstellte Task Groups mit über 3000 Soldaten aus 18 teilnehmenden Nationen. Bei der Durchführung wurde maßgeblich auf die über viele Jahre hinweg gewonnene Expertise der 2018 aufgelösten Einsatzstäbe zurückgegriffen, die bis dato Übungen dieser Größenordnung unterstützten. Die Dienstposteninhaber wurden größtenteils in den neuen Führungsstab Deu Marfor übernommen, sodass Wissen und Erfahrungen erhalten blieben.
Noco 19 hat gezeigt, dass der Kernstab Deu Marfor über die notwendige Expertise zur Kaltstartfähigkeit verfügt und ohne weitere personelle Unterstützung ad hoc in der Lage ist, Führungsaufgaben auf Task-Force- oder Ein-Sterne-Ebene wahrzunehmen. Diese Fähigkeit hat sich bis heute erhalten und auf ihr basiert das Konzept, auch auf der nächsthöheren Führungsebene zu bestehen.
Um beispielsweise der NATO auf der Ebene eines Maritime Component Commands (MCC) als maritimes Hauptquartier dienen zu können, das man in diesem Kontext auch als High Readiness Forces Maritime Headquarters oder kurz HRF (M) HQ bezeichnet, muss Deu Marfor eine Zertifizierung nach NATO-Standards durchlaufen. Die große Herausforderung liegt hierbei in den umfangreichen Aufgaben des gesamten Spektrums maritimer Fähigkeiten. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, muss der Kernstab bei einer Aktivierung und abhängig von Art und Größe der Operation nahezu auf die doppelte Personenanzahl anwachsen. Das zusätzliche Personal generiert sich unter anderem aus Experten aller relevanten Felder der Seekriegführung, aber auch die teilstreitkraftgemeinsame und -übergreifende Expertise muss abgedeckt werden. So sind Fähigkeiten aus Sanitätsdienst, Cyberraum und Geoinformation Teil des Aufwuchses, aber auch Verbindungsoffiziere der Teilstreitkräfte Heer und Luftwaffe sowie Spezialkräfte. Deu Marfor hat seinen Fokus im maritimen Bereich, arbeitet aber eng mit den anderen Akteuren zusammen. Diese Fähigkeit, teilstreitkraftgemeinsam, also joint, zu denken und zu handeln, gilt es zu etablieren und zu erhalten. Genau hier verläuft die Trennlinie von bereits Bekanntem hin zu dem nun angestrebten Führungsanspruch, welchem sich die deutsche Marine mit Deu Marfor in Zukunft stellt.
Im Mai 2022 führte Deu Marfor die durch Computersimulation unterstützte Übung Griffin Marker in Vorbereitung auf eine zukünftige Zertifizierung durch. Nach einer vorgeschalteten Planungsphase übte der Stab zwei Wochen lang in einem von der NATO entwickelten Krisenszenario. Darin war Deu Marfor in der Rolle eines MCC in die Kommandostruktur der NATO eingebettet und für die Planung und Durchführung der maritimen Operationen zuständig. Befehligt wurden während der Übung 8200 fiktive Soldaten, die sich auf rund 60 Schiffe, 80 Flugzeuge und Hubschrauber sowie amphibische Einheiten aufteilten. Diese wiederum untergliederten sich in drei Task Forces.
In Zahlen gemessen überstieg dies Noco 19 um das Dreifache. Spätestens hier wird die Tragweite der neuen Rolle von Deu Marfor deutlich, die den Führungsstab von den Aufgaben ehemaliger Einsatzstäbe deutlich unterscheidet.
Die auf dieser Ebene laufenden Prozesse sind vielschichtig und komplex. Die größte Herausforderung war die beträchtliche Menge an Informationen, die es auszuwerten, zu bewerten und letztlich im Planungs- und Führungsprozess umzusetzen galt. Unter diesem Gesichtspunkt war vor allem die interne Kommunikation zwischen den einzelnen Bereichen des Stabs, den branches, gefordert. Zudem musste sich aber auch mit externen Stellen wie dem Joint Forces Command, der Joint Logistic Support Group und vor allem mit den Hauptquartieren von Land- und Luftstreitkräften abgestimmt werden. Dies wird sichergestellt durch eine strenge Abfolge von Briefings, Meetings und Arbeitsgruppen, dem sogenannten Battle Rhythm.
Neben der Bewältigung dieser Herausforderungen konnten weitere Erfolge verzeichnet werden. Griffin Marker hat Deu Marfor geformt und zu einem leistungsstarken Team wachsen lassen. Dabei hat es sich bewährt, bereits jetzt mit den in der NATO allgemein gültigen Strukturen und Arbeitsabläufen eines HRF (M) HQ zu arbeiten. Multinationale Offiziere anderer Marfors und Hauptquartiere konnten schnell in den Stab integriert werden und zügig in die notwendigen Arbeitsprozesse eingebunden werden. Aber auch die Kommunikation zu vorgesetzten und unterstellten Bereichen fiel den Beteiligten leicht, da Englisch die tägliche Arbeitssprache ist.
Auf Basis der erzielten Ergebnisse wurde gegenüber der NATO die Initial Operational Capability (IOC) von Deu Marfor als HRF (M) HQ angezeigt. Dies war zugleich der Startschuss für die Vorbereitungen auf 2023 und 2024 stattfindende Übungsphasen, nach welchen die Full Operational Capability (FOC) des Stabs erklärt werden soll. Eingeschifft an Bord einer Führungsplattform wird Deu Marfor dabei unter Beweis stellen müssen, eine real stattfindende Übung mit echten Schiffen, Booten, Hubschraubern und Flugzeugen führen zu können.
Die Entscheidung, sich mit einem maritimen Hauptquartier wieder stärker auf die Bündnisverteidigung zu fokussieren, wurde mit dem im Februar 2022 begonnen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine erneut bestätigt. Dies zeigte sich im großen Interesse aller verbündeten Ostseenationen während Griffin Marker, welche sich allesamt mit Personal an der Übung beteiligten. Um den hieraus gewachsenen Herausforderungen und Erwartungen begegnen zu können, muss Deu Marfor auf seinem künftigen Weg auch weiterhin auf das Wissen und den Einsatz der gesamten Deutschen Marine und vieler weiterer Teilbereiche der Bundeswehr sowie die Unterstützung im internationalen Rahmen bauen können. Mit den bis jetzt gemachten Erfahrungen wird Deu Marfor die Full Operational Capability 2025 erreichen und dabei flexibel auf die innerhalb der NATO und in Deutschland stattfindenden Veränderungen eingehen können.
Kapitänleutnant Maximilian Bellini ist Offizier der N3 Branch Deu Marfor. Oberleutnant zur See Florian Ruchnewitz ist Logistics Liasion Officer in der N4 Branch Deu Marfor und zusätzlich im Bereich der Informationsarbeit tätig.
Maximilian Bellini und Florian Ruchnewitz
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