Die US Navy dient auch der weltweiten Machtprojektion der USA

Die US Navy dient auch der weltweiten Machtprojektion der USA

Corona verändert die globale strategische Landkarte

Die Corona-Pandemie beschleunigt die Verschiebung der geopolitischen Gewichtsverteilung. Russland nutzt die Lage in der Ukraine, in Syrien und Libyen. Die Türkei hält in diesen Ländern dagegen und füttert den Berg-Karabach-Konflikt durch Ausrüstung der Streitkräfte Aserbaidschans mit Massen bewaffneter UAVs. China baut inmitten der Pandemie seine sicherheitspolitische Positionierung in Asien und global weiter aus. Taiwan, Japan, Südkorea und Singapur halten dagegen. Seit 2000 fokussieren die USA sich bei ihren sicherheitspolitischen Aktivitäten zunehmend auf Asien – das wird künftig noch beschleunigt.

Höchste Eisenbahn für die EU und ihre Mitgliedstaaten, Sicherheitspolitik in den Fokus der Kräfteallokation zu rücken, und zwar trotz der absehbaren Mittelknappheiten der Corona-Wirtschaftskrise, die heftiger ausfallen wird als die Krise von 2008. Die Streitkräfte waren zu lange die Sparschweine der EU-Mitgliedstaaten. Viele westeuropäische Armeen sind mittlerweile zu klein, um militärisch wirksam zu sein. Seit 2014 versucht man in etlichen Staaten, sie wenigstens an die auf dem Papier stehende Leistungsfähigkeit heranzuführen. Die Streitkräfte müssen aber darüber hinaus dringend wieder größer und deutlich leistungsfähiger werden. Das gilt besonders für die Bundeswehr, Deutschland muss einen seiner Größe angemessenen Beitrag leisten.

Die EU ist so stark wie die Summe ihrer starken Mitgliedstaaten. Voraussetzung für Sicherheit sind starke Volkswirtschaften. Die Pandemie wird nachhaltige Auswirkungen auf globale Lieferketten haben. Die gewohnten deutschen Export-Rekorde sind bedroht. Auf der anderen Seite stehen die wirtschaftlichen Chancen durch Rückverlagerung von Produktion, um den Zugang zu strategisch wichtigen Gütern von Atemschutzmasken über Medikamente bis zur IT zu sichern. Industrie 4.0 und hohe Automatisierung bieten neue Chancen auch für Hochlohnländer. Dringend geboten ist ein rasches Wiederbeleben und zugleich die Neugestaltung der Wirtschaft.

Industrie ist die Basis der Verteidigungsfähigkeit. Deren Sicherstellung beginnt nicht erst bei der Industriepolitik, sondern fängt bei der Energieversorgung an. Deutschland hat mit der sogenannten Energiewende ein massives strategisches Problem und Entwicklungshemmnis erzeugt, wenn es um die absehbare Rückverlagerung der Produktion strategisch wichtiger Güter geht – ausgelöst durch Industrie 4.0 und beschleunigt durch Corona. Seit dem Atomausstieg fehlt ein tragfähiges Konzept für die Energiewirtschaft. Mittlerweile ist noch der Kohleausstieg hinzugekommen. Ungeklärt ist, woher künftig ausreichend Strom herkommen soll. Absurd ist, dass EU-Nachbarstaaten künftig Kraftwerks-Überkapazitäten bereithalten sollen, um Strom für Deutschland in Reserve zu haben.

Europa muss mit weniger Schutz der USA auskommen. Die Basis der EU sind auch in Zukunft die Mitgliedstaaten. Sie verfügen über Streitkräfte und sie stellen die industrielle Basis für deren Ausrüstung. Die heimische Rüstungswirtschaft muss gepflegt werden, damit sie ihren Anteil an einem starken Deutschland in einem starken Europa leisten kann.

Bürokratisierung von Beschaffungsprozeduren ist nicht die Lösung, vor allem dann nicht, wenn wettbewerbsrechtliche „Gerechtigkeit“ vor dem eigentlichen Beschaffungsziel steht. Die Welt befindet sich mitten in der digitalen Revolution – auch von Streitkräften und Konflikten. Die europäischen Staaten sind in Summe bei systemischen Fähigkeiten weltweit nach den USA die Nummer zwei – diese Fähigkeiten müssen zentral gefördert werden durch mehr Grundlagenforschung und Anwendungsentwicklung in künstlicher Intelligenz, Deep Learning und bei Quantencomputern. In der digitalen Revolution ist Datenschutz sicher auch wichtig – erfolgsentscheidend ist aber ihre aktive Gestaltung durch disruptive Technologie „made in Europe“.

Für die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik sind die nationalen Streitkräfte die Grundlage. Nicht jede Armee muss alles können – die planvolle Ergänzung im Verbund muss das Ziel sein.

Längst überfällig sind:

  • Integration der europäischen Außenpolitik mit der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik
  • definierte Entscheidungs- und Handlungsbefugnisse sowie Handlungsfähigkeit der EU
  • für die EU verfügbare Streitkräfte zur Erfüllung von Aufgaben in einem definierten Rahmen.

Strategische Herausforderungen an die EU:

  • die Mitgliedstaaten dabei unterstützen, Struktur, Vernetzung, Interoperabilität und Ausrüstung ihrer Streitkräfte digital zu revolutionieren
  • Forschung und Wirtschaft in Sachen Digitalisierung europaweit zu orchestrieren, um ihr ganzes ziviles und wehrtechnisches Potenzial für die Sicherheit Europas nutzbar zu machen.

Text: Michael Stehr; Foto: US Navy

2 Kommentare

  1. Die Analyse ist durchaus richtig, aber die Konsequenzen stimmen noch nicht. Wir brauchen nicht darauf zu hoffen, dass Europa rasch genug zu einer einheitlichen Haltung kommt, sondern müssen rasch selbst voranschreiten. Wir brauchen gerade auf diesem Gebiet ein Europa der zwei Geschwindigkeiten!
    Deutschland muss Vorbild sein und sich mit jedem Staat Europas gemeinsam aufstellen und entsprechend integrieren, der sich dazu in der Lage fühlt.
    Als Erstes führen wir Englisch als zweite Amtssprache und Berufssprache im dualen System ein. das macht deutlich, dass wir nicht davon auisgehen, „dass am deutschen Wesen die Welt genesen“ soll. Außerdem brauchen wir Informationstechnologie als eigenes Schulfach. Darüber hinaus müssen wir hoch qualifizierte Abgeordnete in das EU-Parlament senden und regelmäßige Sitzungen des bundeskabinetts mit der „deutschen Kernfraktion“ im europäischen Parlament durchführen. das würde anderen Staaten zeigen, dass wir Europa ernst meinen. Im Übrigen sollten wir die europäische Standardisierung dann jeweils bilateral mit den engen Partnerstaaten betreiben und auch im Bereich der öffentlichen Ausschreibungen diesen Kernbereich präferieren. Wo nötig, müssen dazu gesetze in deutschland und den Partnerstaaten angepasst werden.
    Zeit ist dabei ein kritischer Faktor: wenn wir erst auf die Generation staaten- und vaterlandsloser E-Scooterfahrer warten, ist die Zukunft längst verspielt.
    Und allen, die ihre nostalgisch verklärte Vergangenheit gegen jede Innovation verteidigen, während sie über die unliebsame Gegenwart enttäuscht sind, sei gesagt, dass weiterhin „wo wir sind, VORNE ist!“

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  2. Outdated view, disconnected from actual national reality and hence so random. Neglects the causal jeopardy coming from within.

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