Michael Paul: Der Kampf um den Nordpol. Die Arktis, der Klimawandel und die Rivalität der Großmächte, Herder Verlag, Freiburg im Breisgau 2022
Im deutschsprachigen Raum gibt es Einzelbetrachtungen zur Geschichte der Arktis, zu den möglichen Herausforderungen des Klimawandels mit dem Abschmelzen der Eiskappe am Pol und auf Grönland, der künftig möglichen Nutzung des Nordpolarmeeres zur kürzeren Verbindung von Seetransporten aus Europa nach Asien, der möglichen Förderung von Erdöl und Erdgas aus den Tiefen des Meeres bis hin zum Rechtsstreit über die Ausdehnung nationaler Gewässer und Ausschließlicher Wirtschaftszonen (AWZ). Kein Autor hat allerdings bisher versucht, diese Einzelaspekte miteinander zu verknüpfen und vor allem die wachsende Auseinandersetzung zwischen den Anrainerstaaten Russland und USA mit den Interessen der Volksrepublik China in ihren Gegensätzlichkeiten zu bewerten.
Paul verknüpft bereits in seinem Einleitungskapitel „Die Arktis“ sicherheitspolitisch erforderliche Betrachtungen zur Geschichte, zur Ökonomie, zur Ökologie, zur Geophysik, zur Geopolitik, zur maritimen Bedeutung, zu Großmachtinteressen versus Interessen der Anrainer, zum Fluch und Segen des Tourismus, zum Schutz der Menschen und der Tierwelt bis hin zur Frage „Was interessiert Deutschland an der Arktis?“
Im Folgekapitel untersucht er akribisch die Akteure und deren Ambitionen beginnend beim Arktischen Rat. Es folgen Betrachtungen zur Kooperation und Konkurrenz der Arktisstaaten und den besonderen Interessen der indigenen Völker. Es schließen sich Bewertungen zu den Beobachterstaaten im Arktischen Rat wie dem „Nahen Arktisstaat“ China, den asiatischen und Europäischen Beobachterstaaten wie auch dem Sonderfall der Europäischen Union an.
In seinem Schlusskapitel „Aussichten: Ein neuer Kalter Krieg?“ beschreibt er kurz das arktische Sicherheitsdilemma und spricht sich für Konfliktprävention durch Dialog und Kooperation aus.
Eine zusätzliche Stärke des Buches findet sich in der vom Autor beigefügten Auswahlbibliografie und seinen zahlreichen Endnoten.
Dies alles zusammengenommen stellt die herausragende Leistung des Autors zur Darstellung eines äußerst komplexen Themas dar. Es ist zwar weiterhin nicht in den Schlagzeilen, so dass Verantwortlichen in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Ökologie genügend Zeit für eine eingehende Lektüre und anschließende Auseinandersetzung mit der Thematik bleibt. Dass Auswirkungen des Klimawandels schneller für Menschen und Umwelt zur Gefahr werden können als von vielen politisch Handelnden erhofft, sollte Mahnung sein für erforderliches Denken in und für die Zukunft. Und dieses Denken muss global und umfassend erfolgen. Dies bedeutet für unser eigenes Land, nun endlich auch geopolitisch zu denken.
Jopp
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